11.) Ferien

 

 

Mittwoch, 27.05.2009

Eigentlich wollte ich mit Masha in den Abendgottesdienst gehen und wir sind dort um halb sieben auch angekommen. Allerdings war es dort so voll, dass ich nicht sehr lange geblieben bin. Dennoch: Die Priester haben die roten Gewänder gegen weiße getauscht und alle Zeichen der Osterzeit sind verschwunden. Die Oster-Ikone vor der Ikonostase, die "Leuchtwerbung" und auch die Kopftücher der Frauen waren jetzt alle in weiß gehalten (viele tragen in der Kirche die liturgischen Farben). Nach dem Ölkreuz habe ich erst eingekauft und bin dann ins Wohnheim gefahren, weil ich mich noch mit Vitali getroffen habe, der mir einerseits beim Übersetzen geholfen hat und ich beim Aussprechen deutscher Wörter. Gegen elf Uhr hatte ich dann noch Zeit, weiter an der Hausarbeit zu übersetzen und bin um etwa halb eins im Bett verschwunden...

Nun noch einen Nachtrag: Auf der Heimfahrt hat der Lokomotivführer der Elektritschka an mehreren Stationen um Hilfe der Miliz gebeten. Bis die Störenfriede dann irgendwann ausgestiegen sind. Bis dahin hat die Miliz aber nicht eingegriffen, obwohl eigentlich immer Milizionäre im Zug sind, die sich zumeist ausruhen.

 

 

Donnerstag, 28.05.2009 - Christi Himmelfahrt (orth.)

Heute Morgen um 5:30 Uhr war ein lautes Poltern im Wohnheim zu hören, dass eine ganze Zeit andauerte. Aufgewacht davon musste ich erst einmal realisieren, was das überhaupt war - bis ich dann Ivans Stimme gehört habe, der versuchte Egor zur wecken und vor seiner verschlossenen Türe stand. Wahrscheinlich hat er Egor nicht wach bekommen, dafür den Rest des Flurs. Nach dem Aufstehen bin ich dann Duschen gewesen, da wir seit gestern Abend endlich wieder warm Wasser haben. Und dann kam auch schon die nächste Überraschung. Von vier Duschkabinen, die allen Jungs im Wohnheim zur Verfügung stehen, waren zwei gesperrt und eine besetzt. Also habe ich die übriggebliebene genommen und festgestellt, dass in den Duschwänden zwei große Löcher sind und in der Ecke, wo die Schiebetüren zusammentreffen und den Einstieg verschließen, war die Schiebetürenschiene in der Ecke oben abgebrochen. Ich habe trotzdem geduscht und eine leichte Überschwemmung in Kauf genommen, die dann aber weitestgehend ausgeblieben ist.

Nach dem Frühstück bin ich in die Göttliche Liturgie gefahren, wo mir wieder eine Kleinigkeit aufgefallen ist - dank der Ehrung von Vater Vladimir, mit geöffneten Zarentüren dienen zu können: Direkt nach dem Anfang der Liturgie spendet der Priester den Segen - mit dem Evangelium in den Händen und macht damit ein Kreuz. Nach der Liturgie war ich mit Masha einkaufen: Zitronen und Eis. Eis - weil es lecker ist und Zitronen, weil ich eine leichte Erkältung habe, die ich irgendwie unterdrücken will. Ich hoffe, dass mir das irgendwie gelingen wird, denn bei dem Wetter krank sein ist nicht sonderlich schön: Derzeit haben wir sommerliche Temperaturen bei über 20°C, die Sonne scheint und es ist eine gute Luft draußen. Es ist eigentlich viel zu schade um im Zimmer zu hocken und die Restarbeiten an der Hausarbeit zu erledigen. Nun - was solls... Sonst ist der Tag aber ohne weitere Besonderheiten verlaufen, so dass es nichts weiter zu berichten gibt.

 

Freitag, 29.05.2009

Ich bin extra so zeitig aufgestanden, dass ich zu kurz vor zehn wie abgeredet bei Masha hätte sein können. Doch das ist leider schief gegangen, da es das erste Mal ernstere Probleme mit der Elektritschka gab. Als ich über die Brücke gelaufen bin, sah ich einen Zug in Richtung Moskauer Innenstadt stehen, auf dem zweiten Blick sah ich aber eine Menge Leute bei dem Lokführer stehen und beim Dritten habe ich gemerkt, dass der Zug abgebügelt war. Ein Zeichen, dass es Probleme gibt. Auf dem Gleis von Moskau lief ein weiterer Zug ein, den ich dann nehmen wollte. Auch der blieb dann in der Station stehen und keiner wusste, was los ist. So bin ich erst im Zug von Moskau sitzen geblieben und auf einmal fuhr dann der Zug nach Moskau los - meiner blieb stehen. Als ich dann ausgestiegen bin, habe ich zwei Kommilitonen gesehen, mit denen ich dann im Bus in die Stadt gefahren bin. So war ich letztlich vierzig Minuten später in der Stadt und bin gleich zur Vater Alexej gefahren, mit dem ich einen Abgabetermin für die Hausarbeit abgemacht habe: Nächste Woche am Donnerstag Vormittag! Dann habe ich mir noch eine E-Mail-Adresse besorgt und bin dann nach Masha gegangen, bin dann mit ihr einkaufen gegangen und haben uns fertig gemacht für die Abreise zu ihrer Datscha nach Vostrjakova in der Nähe des Flughafens Domodedovo im Süden Moskaus - etwa 50km vom Stadtzentrum entfernt. Wir sind dann erst noch zum Friedhof gefahren, haben auf dem Markt noch mehr eingekauft und sind dann losgefahren. Zunächst haben wir lange im Stau gestanden. In dieser Zeit hat sich das Wetter etwas geändert: War es morgens noch sehr schwül, hat es jetzt gewittert und stark geregnet und schon war es angenehm kühl. Bei der Datscha angekommen hat es nicht geregnet und es bot sich abends ein herrliches Bild: Der Garten stand in voller Blüte mit Löwenzahn und anderen Blumen. Kurz nachdem wir im Haus waren, habe ich mit Masha mit dem Kochen angefangen. Währenddessen hat Mashas Mutter angefangen, im Garten aufzuräumen, so dass der erste Teil dieser Blumen- und Blütenpracht schnell schon wieder verschwunden war. Da war ich etwas traurig. Alles hat mich hier an die Ost-West-Friedenskirche auf dem Olympiafeld in München erinnert: die kleine Gartenpforte, der Blick durch den blühenden Flieder auf das Haus und die blühenden Blumen in dem wilden, aber bunt aussehenden Garten: Eine friedliche und ruhige Welt. Und genau das habe ich hier auch angetroffen: Es ist ruhig, man hört die Vögel singen... Und bei dem Kochen bot sich dann ein herrlicher Blick aus dem Fenster: Ein weiß-blühender Obstbaum, dann unzählige Butterblumen - ein unheimlich harmonisches Bild. Dementsprechend lecker ist dann auch das Abendessen geworden. Nach dem Abendessen bin ich mit Masha noch ein wenig spazieren gegangen - durch den Wald bis zur Bahnlinie und zurück. Dort musste man ein wenig aufpassen - einerseits wegen Zecken und wegen einiger Mücken. Auf dem Weg dorthin und -zurück haben wir eine Wachholderdrossel gehört. Sie zwitscherte sehr laut im Wald herum, was einfach wunderschön war. Auf dem Rückweg haben wir noch die Eltern von Masha getroffen und wir sind dann gemeinsam heimgelaufen. Vor dem Schlafengehen haben wir noch ein Bierchen getrunken...

 

 

Samstag, 30.05.2009

...was zweierlei Dinge zur Folge hatte: Erstens musste ich nachts zwei Male zur Toilette - die befindet sich jedoch im Garten, wo ich nachts durch die Dunkelheit hinfinden musste. Die Wege sind ein wenig schmal und mir bis dahin unbekannt. Da es dort nur einen Auffangbehälter ähnlich einem Dixi-Klo gibt, habe ich nachts halb verschlafen den Spülknopf gesucht. Am nächsten Morgen bin ich dann um 10:30 Uhr aufgestanden, nachdem ich gehört habe, dass sich jemand in der Küche gewaschen hat, neben der ich schlafe. Dann habe ich für die Familie etwas zum Frühstück gemacht und mit Mashas Eltern gefrühstückt. Kurz nachdem wir angefangen hatten, ist Masha auch mit dazu gekommen. Nach dem Frühstück haben wir erst ein paar Fotos in den herrlichen Blumen gemacht und zwei Fahrräder "mobil" gemacht und wir beide sind einkaufen gefahren. Endlich hatte ich also wieder die Möglichkeit, Fahrrad zu fahren. Es ist doch eine Sache, die ich etwas vermisst habe. Wenn man etwas wiederentdeckt, dann kann man doch manchmal merken, wie sehr einem etwas fehlt. Eigentlich wollten wir noch eine kleine Radtour machen, aber die Zeit reichte dann doch nicht mehr dazu aus. Zwischendurch hatte ich noch ein wenig Zeit zum fotografieren und nach unserer Rückkehr habe ich dann das Mittagessen zubereitet. Das Kochen ist ein bisschen meine Aufgabe hier geworden. Zwischendurch sind dann Lisa und Ljoscha gekommen - Sergej ist später nachgekommen. Am Nachmittag haben Masha und ich dann ihre beiden Freundinnen am Bahnhof abgeholt und hatten auf dem Rückweg sehr viel Spaß und wir haben viel herumgealbert. Ich habe dann noch ein wenig im Garten geholfen und die schöne Löwenzahnblütenpracht an die Seite geräumt, die Sergej mit der Sense gemäht hat. Extra für mich ist aber eine kleine Ecke der Blütenpracht stehen geblieben. Ich verstehe ja, dass die Pflanzen alle weg müssen, da sie sich sonst noch unbändiger fortpflanzen, aber andererseits geben sie ein herrliches Bild ab. Anschließend habe ich Zeit gefunden, etwas im Tagebuch zu schreiben, musste aber auf den Akku achten, da der Strom ausgefallen ist. Das bedeutet aber gleichzeitig auch, dass kein Wasser fließt, da das Wasser in einem Gefälle aus einem Wasserturm in die Häuser kommt und der Turm mit einer Elektropumpe angefüllt wird... So wollen wir mal schauen, wann das hier alles wieder funktioniert. Kaum, dass ich diesen Satz zu Ende geschrieben habe, ist der Strom auch schon wieder da.

Gegen Abend sind Lisa und Ljoscha dann heimgefahren, Sergej ist geblieben und wir haben zusammen Schaschlik gegessen. Das kann man sich als einen gemütlichen gemeinsamen Abend vorstellen, an dem kleine Fleischspieße gegrillt werden, geklönt wird und man Spaß hat. Zum Schluss war nicht mehr genügend Kohle da und die Jungs sind auf die Idee gekommen, in dem Grill ein Holzfeuer zu entfachen. Das man auf die Kohle nicht einfach einen dicken Holzscheit legen kann, um ihn zu entzünden, war für mich recht klar. Nach einer Weile hat Kolja ihn herausgeworfen und abgelöscht. Der nächste Versuch sollte mit Papierservietten gelingen, die aber nicht genügend Hitze mitbringen, wenn sie verbrennen. Als dann Mashas Mutter mit trockenem Gestrüpp ankam, wurde dies strikt abgelehnt. Ich habe aber unter schweren Protesten und Enttäuschungen dennoch genügend davon in die glühende Kohle geworfen, etwas Kleinholz darauf und dann genügend Luft zugewedelt. Nach einer Minute brannte der Grill lichterloh und die Jungs haben zwei dicke Scheite dazugelegt. Wäre doch gelacht gewesen, wenn ich aus meiner Zeltlagerzeit, den Abenden in La Balmette und der Bundeswehr in der nassen Winterzeit kein Feuer hätte machen können mit dieser schönen Grundlage. Der Abend endete für mich gegen halb zwei, nachdem das Meiste aufgeräumt war.

Zu der gestrigen Wacholderdrossel sei noch gesagt, dass es wohl keine war, sondern eher eine Nachtigall. Wacholderdrosseln sind wohl noch in der Dämmerung aktiv, aber sicherlich nicht die ganze Nacht hindurch. Und an diesem Abend hat ebenfalls eine Vogel durch die ganze Nacht hindurch gesungen und geträllert.

 

 

Die Datscha im Blumenmeer.

 

Fliederblüte.

 

Im Datscha-Dorf.

 

 

Sonntag, 31.05.2009 - Pfingsten (kath.)

Diese Nacht musste ich nicht nach draußen an die frische Luft! Gegen halb zehn bin ich aufgestanden und habe nach einer Tasse Tee und ein bisschen Resteessen mit Ivanka den Abwasch gemacht und dann das Frühstück zubereitet: Zuerst habe ich aus der Hähnchentunke mit den Zwiebelstücken, wo das Grillfleisch drin war, mit Champions irgendetwas Leckeres ohne Namen gezaubert, wir haben Champion-Omeletts gemacht und sonst noch allerlei zubereitet, so dass es ein deftiges Frühstück bzw. Spätstück gab. Nach dem Essen wurde dann das Haus aufgeräumt, ein wenig im Garten gewerkelt und um halb drei haben wir uns auf den Weg zum Bahnhof gemacht. Dort wollten Ivanka, Katja und ich eigentlich ein Eis kaufen, aber dort war der Strom ausgefallen, so dass uns keiner ein Eis verkaufen wollte, da die Truhen geschlossen bleiben mussten. Die Stromversorgung scheint dort ein echtes Problem zu sein - vor allem für die beiden Geschäfte, die darauf angewiesen sind. Am Fahrkartenschalter gab es dann das nächste Problem. Zunächst gab es eine lange Schlange und die Verkäuferin dort arbeitete sehr langsam. Zudem hat sie sich mit den Tickets verzählt. Wir hatten vier Stück geordert und bezahlt und sie hat nur drei herausgerückt und wollte partout kein weiteres drucken. Als dann der nach uns wartende Mann sehr laut geworden ist und andere (ich auch) in das Geschimpfe eingestimmt haben, wurde ihr wohl doch Bange und sie hat ebenfalls mit lautem Geschimpfe die Fahrkarte durch das Fenster geschoben. Und dann sind wir zurück nach Moskau gefahren, wo ich Masha und ich uns dann schnell für das Konzert fertig gemacht haben, für das ich Freikarten ergattert habe bei Vater Michael. Es war im Konservatorium im großen Saal, wo zuerst Rachmaninov und dann das Requiem von Mozart vom Orchester des Konservatoriums gespielt wurde. Und anschließend kam für viele der Höhepunkt der Veranstaltung, nämlich der Auftritt des Männerchors des Klosters aus Sergijew Possad und daraufhin der gemischte Chor. Beide Chöre habe in jedem Fall mit ihrer Stimmgewalt überzeugt - einige zum Gehen und die meisten dagegen zu lautem Applaus. Leider hat es keine Zugabe gegeben, die sicherlich angebracht gewesen wäre. Das Gebäude Konservatorium an sich ist ein sehr interessantes: Die Akustik ist ausgerechnet an den Plätzen am Besten, wo man am wenigsten bezahlt. Dort sind die Plätze allerdings auch sehr unbequem, da es kaum gepolsterte Holzbänke sind, auf denen man sitzt. Der große Konzertsaal an sich ist im groben gesehen ein sehr schönes Gebäude, allerdings konnte man hier verstehen, was deutsche Handwerkerkunst ist im Gegensatz zur Russischen. Vieles war ungenau und unprofessionell gemacht - wie z. B. die alten Holzfenster schlecht gestrichen und auch die Sitzbänke waren schlecht gestrichen. Es gab einige Macken im Holzfußboden, die dann mit einem halbwegs passenden Brett "behoben" worden sind. Diese Mangel rühren von einer schlechten oder gar keiner Ausbildung: Die hohe Ausbildung, eine praktische wie theoretische, kann man an den Universitäten erlangen. Daneben gibt es für diejenigen, die keine solche Reife haben, andere Schulen, wo man so etwas erlernen kann. Allerdings ist deren Niveau sehr niedrig und dementsprechend unbeliebt sind die Schulen in Russland. Deren Absolventen wandern gleich in eine "untere" Klasse in Russlands Gesellschaft.

 

 

Montag, 01.06.2009 - Pfingstmontag (kath.)

Nun wollte ich eigentlich heute Morgen in die Kirche gehen, um mich endlich mal wieder bei den Katholiken sehen zu lassen. Das ist mir auch gelungen, nur hat es zur Heiligen Messe nicht ganz ausgereicht, da es um zehn Uhr keine Messe gab, sondern schon um neun Uhr in russischer Sprache. So bin ich also resigniert wieder zurück gegangen und habe noch einen Abstecher zu dem 100-Rubel-Frisör gemacht, der mir eine Sommerfrisur verpasst hat. Auf dem Rückweg habe ich dann für Masha eine Rose bei einer Straßenverkäuferin gekauft. Als sie mir den Preis nannte, rief sie gleich eine weitere Frau mit Namen, die sogleich kam und sobald die Verkäuferin die Blumen einpackte, um Geld bettelte. Da die Frau sehr sauber und akkurat angezogen war, habe ich ihr nichts gegeben. Sie hat dann etwas Geld von der Blumenverkäuferin bekommen. Ich vermute im Nachhinein, dass die beiden zusammen gehören und auf diese Art und Weise ihr Einkommen verbessern. Normalerweise ist es der Fall, dass die Bettler in der Nähe von Geschäften weggescheucht werden. Den Tag habe ich dann weitestgehend bei Masha mit dem Übersetzen des Textes verbracht, was wesentlich schwieriger war als wir beide vermutet haben und so sind wir längst nicht so weit gekommen, wie ich es gedacht hatte. Nun könnte das einige Zeitprobleme bereiten, da die ganze Sache am Donnerstag abgegeben werden soll. Dementsprechend bin ich wieder nicht in die Kirche gekommen....

 

 

Dienstag, 02.06.2009

Die erste Tat des Tages war das Waschen meiner Klamotten im Wohnheim. Ich habe wieder eine Tüte gesammelt und es wurde höchste Zeit, dass alles in die Waschmaschine kam. Nach dem Frühstück habe ich die Sachen gepackt, die ich hoffentlich am kommenden Montag "Kurzzeitgästen" mitgeben kann. Das sind dann die letzten Wintersachen, ein paar Bücher, CDs, ein paar Ikonen und dann war es das eigentlich auch schon. So besonders viel steht in meinem Zimmer nämlich nicht mehr herum. Dennoch habe ich wieder einen ganzen Koffer voll. Dann habe ich auch mit der Fluggesellschaft telefoniert und abgesprochen, wie die Ikone nach Deutschland transportiert werden kann. Das dürfte noch ein interessantes Unterfangen werden, da sie nicht als Handgepäck mitgenommen werden darf. Ich muss sie gut verpacken und dann wird sie irgendwo im Flugzeugbauch landen und ich muss derweil hoffen, dass nichts kaputt geht. Den Rest des Morgens habe ich mit dem Schreiben von Mails verbracht - zwei davon in Russischer Sprache. Es fällt mir mittlerweile doch wesentlich leichter, einen solchen Brief zu schreiben. Zur Mittagszeit bin ich dann nach Masha herübergefahren, wo ich dann fast des Rest des Tages verbracht habe: Deutschunterricht, an der Hausarbeit werkeln mit Masha und abends war ich in der Abendliturgie im Sretenskij-Kloster. Dort - so wurde mir gesagt - sollte eigentlich eine Mönchsweihung stattfinden, dafür hat mich aber etwas ganz anderes erwartet: Als ich dort ankam, standen einige Leute auf der Straße und warteten auf einen Bischof, der dann mit etwa 15 Minuten Verspätung kam - es war Erzbischof Alexej. An für sich war alles ein normaler Abendgottesdienst als Vorbereitung auf das morgige Fest der Gottesmutter von Vladimir. Es war sehr voll in der kleinen Kirche, die Luft schlecht und zudem war es noch sehr warm draußen, so dass einige Leuten schlecht geworden ist. Nach dem Abendgottesdienst habe ich noch kurz Ivanka getroffen, mit der ich zur Metro-Station gegangen bin. Am Abend habe ich noch mit Masha einen Film gesehen über Jugendliche und Kinder der Straße in St. Petersburg. Der propagandistisch angehauchte Film zeigte eine Jungenheim, in dem es drunter und drüber ging und der Leiter es erst mit diktatorischen Strukturen probierte und damit scheiterte, dann mit demokratischen und wiederum scheiterte (weil eine kapitalistische Tauschwirtschaft mit Brot entstand) und letztlich hat sich die Gruppe den Pionieren angeschlossen und dort ihr Glück gefunden. An für sich ein lustiger Lausbubenfilm, in dem es manchmal hoch herging.

 

 

Mittwoch, 03.06.2009

Nun wollte ich eigentlich in die Patriarchenliturgie in Sretenskij-Kloster gehen, doch mich haben mehrere Dinge davon am Morgen aufgehalten: Es regnete und zudem war es warm draußen. Das hätte bedeutet, dass ich in der kleinen Kirche in sehr schlechter Luft mit vielen Menschen gestanden hätte, die gedrängelt und geschupst hätten. Zudem habe ich keine Jacke mit dabei. Und außerdem habe ich in der letzten Nacht nicht richtig einschlafen können, so dass ich mich noch zu einer "Verlängerung der Nachtruhe" um zwei Stunden entschieden habe. Nach zehn Uhr bin ich dann aufgestanden und habe mich dann bei Masha ins Zimmer gesetzt und dort Tagebuch geschrieben und einige neue Fotos ins Internet gestellt. Zudem habe ich es endlich geschafft, die Ikone der neune Märtyrer zu beschreiben. Die Beschreibung ist unter dem 24.04.2009 zu finden (Klick hier). Der Tag ist sonst eigentlich ruhig verlaufen, ich habe abends noch etwas gekocht und bin dann um kurz vor zehn in Richtung Wohnheim aufgebrochen. Ich fahre sonst immer kurz nach zehn - aber heute Abend zog ein schweres Gewitter auf, es wurde fast nachtdunkel draußen und kurz nachdem ich in der U-Bahn war, muss es auch schon angefangen haben zu regnen. Sturm war schon auf dem Weg dorthin da. Am Kursker Bahnhof angekommen musste ich ja glücklicherweise nicht mehr ans Tageslicht, sondern konnte durch den Tunnel direkt in den Bahnhof gehen. Und als der Zug ankam, wurde der Regen so wenig, dass ich nicht sonderlich viel nass geworden geworden. An der Station Pererwa hat es dann nicht mehr geregnet. So bin ich eigentlich vollständig durch das Gewitterschauer durchgefahren und bin froh, dass alles so gut gelaufen ist. Im Wohnheim habe ich noch das Inhaltsverzeichnis so gut wie fertig gemacht, meine Sachen für morgen gepackt und bin dann im Bett verschwunden.

 

 

Donnerstag, 04.06.2009

Um kurz nach neun Uhr war ich schon wieder bei Masha und habe dort die Restarbeiten an der Hausarbeit erledigt und wollte sie dann ausdrucken. Nun gab es wieder ein kleines Problem: Das Programm hat die Hausarbeit ein wenig umformatiert, so dass einige Überschriften völlig verrutscht sind und alles noch einmal formatiert werden musste. Aber 10:12 Uhr habe ich dann alles in meinen Händen gehalten und wollte damit schnell nach Vater Alexej laufen. Doch ihn habe ich dort nicht gefunden und musste eine Stunde auf ihn warten. In dieser Zeit habe ich mich mit einigen Studenten unterhalten und auf einmal, als ich schon losgehen wollte, kam er über den Hof gelaufen. Ich konnte ihm die Hausarbeit in die Hand drücken und als er den Titel las - "Mt. 16,13-20 - Stolperstein der Kirchen. Eine Wissenschaftlich-theologische Ausarbeitung" musste er lächeln. Nun bin ich gespannt, wie das Ergebnis ausfällt.  Diese Form der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift ist hier sehr fremd und vielleicht bin ich der erste an der Universität, der sich an eine solche Sache drangesetzt hat. Ein großes Problem war z. B., verschiedene Begriffe wie Gattungskritik, Literarkritik usw. zu übersetzen. Nicht einmal im Internet waren Übersetzungen zu finden. Wenn ich mich mit Studenten über dieses Thema unterhalten habe, kamen oft solche Anmerkungen wie "Interessant, aber das macht den Glauben kaputt" oder "Was Ihr da macht, sind doch alles nur Thesen und Vermutungen!" Von daher ist nicht nur das Thema sehr interessant für mich gewesen, sondern auch die Durchführung dieses "Projektes". Die Schwierigkeiten lagen insbesondere darin, Literatur zu finden und sie zu übersetzen. In mehreren Etappen sind mir Bücher und Kopien geschickt worden, die letzten Unterlagen sind im Mai hier eingetrudelt.

Anschließend habe ich mich noch eine Zeit mit dem Gärtner Alexander unterhalten und bin dann zu Masha zurückgegangen, wo ich ihr dann eine Kleinigkeit zu essen gemacht habe. Den Nachmittag habe ich dann eigentlich nur mit Faulenzen verbracht - ich habe mich endlich mal wieder mit meinem Eisenbahnsimulator beschäftigt. Den habe ich seit dem 8. April nicht mehr angerührt - ein Zeichen, dass ich mit der Hausarbeit sehr beschäftigt war und viel mit Masha gemeinsam gemacht habe. Am Nachmittag habe ich versucht, Kolja etwas Deutsch beizubringen und denke, dass ich sogar etwas Erfolg dabei hatte. Zu halb acht bin ich dann mit Masha zum Bahnhof gegangen und wir sind wieder zu der Datscha der Familie hinausgefahren. Zunächst haben wir noch ein paar Kleinigkeiten eingekauft. Dort angekommen habe ich bald ein Holzfeuer im Grill gemacht, über dem wir belegte Brote gegrillt haben.  

 

 

Freitag, 05.06.2009

Nach dem Aufstehen um neun Uhr bin ich zunächst einkaufen gefahren und habe nebenbei noch ein paar Fotos gemacht. Nach meiner Rückkehr brauchte ich gar nicht lange warten, bis Masha aufgestanden ist. Wir haben draußen in der Sonne gefrühstückt, weil es im Haus und Schatten noch sehr kalt war. Nach dem Frühstück haben wir uns wieder in die Sonne gelegt und etwas gefaulenst. Zum Nachmittag hin, als immer mehr Regenwolken aufkamen und uns vor der Sonne schützten, sind wir mit den Fahrrädern ins Dorf Bunjakovo gefahren, um es uns kurz anzuschauen. Es ist ein schönes und altes Dorf, mit einer recht großen Kirche in der Mitte. Fasziniert haben mich dort vor allem die alten kleinen Holzhäuser mit ihren teils wunderschönen Fenstern. Es blühen viele Fliederbäume und Blumen auf den Wiesen und viele der Wege sind noch nicht befestigt. Mitten im Dorf und in der Nähe der Kirche gibt es einen kleinen Weiher und auch einen kleinen Lebensmittelladen. Und damit ist die ganze Romantik auch schon wieder vorbei, denn das Alkohol- und Spirituosenregal ist ist völlig dominierend in diesem Geschäft - wie in vielen. Als ich in diesen Laden gekommen bin, stand dort ein betrunkener älterer Mann mit einer schweren Axt in der rechten Hand und diskutierte mit der Verkäuferin. Letztlich hat sich dann herausgestellt, dass er der Wachmann des Ladens ist. Anschließend hat er unter Fluchen und Schimpfen seine Arbeiten dort verrichtet. Und so gibt es doch einige andere dunkle Gestalten im Dorf. Anschließend sind wir mit dem Fahrrad in das Nachbardorf Vsljotnaja gefahren um zu schauen, wann dort morgen die Panichida ist. Dort sind wir noch ein wenig herumgefahren und sind an einigen Geschäften vorbeigekommen - teilweise mit einem sehr gemischten Sortiment: Konnte man in einem Laden doch Elektrowaren und Blumen kaufen. Mit der Rückfahrt haben wir uns viel Zeit gelassen, wollten wir uns doch noch etwas ausruhen. So haben wir uns einen sonnigen Platz im hohen Gras ausgesucht, bis wieder eine große Regenwolke kam und es frisch wurde. Daraufhin sind wir heimgefahren und haben dann mit Mashas Eltern, die inzwischen und überraschend auch gekommen waren, etwas gegessen.

Zum Abendessen habe ich dann wieder die Küche übernehmen dürfen und ein indisches Gericht gekocht - fleischlos, da ja der Fastenfreitag ist. Wieder Erwarten hat es allen geschmeckt und das Essen ist sogar ganz aufgekommen obwohl ich gedacht habe, dass ich viel zu viel gemacht habe. Kurz vor Ende des Essens fing es draußen an tüchtig zu regnen, so dass Masha und ich noch schnell den Grill ins Trockene gebracht haben. Daraufhin bin ich dann schlafen gegangen. 

 

Unser Frühstückstisch.

 

Im Dorf Vostrjakovo.

 

Die Kirche im Dorf.

 

Ein schönes Holzhäuschen.

 

Holzhäuschen Nr. 2.

 

Ein Tante-Emma-Laden mit viel, viel Alkohol.

 

Die neue Kirche in Bsljotnaja.

 

Elektrowaren und Blumen zusammen in einem Fachgeschäft.

 

 

Samstag, 06.06.2009

Nach dem Aufstehen sind wir sofort alle in die Kirche nach Vsljotnaja in die Panichida gefahren. Der Gottesdienst dort war für mich etwas sehr Besonderes: Das Gotteshaus noch eine absolute Baustelle - ein Rohbau. Darin standen zwei Kerzenständer und ein paar Holzkästen mit Sand, dann ein größerer improvisierter Tisch, ein paar Ikonen hingen an Nägeln an den Wänden und standen auf dem Tisch, der Priester stand erhöht auf einem zusammengenagelten Holzpodest, die Wände noch unverputzt und kalt. In diesem Ambiente einer bislang ungeweihten Kirche wurde dann die Panichida gefeiert mit doch recht vielen Menschen - es mögen wohl etwa 40-50 Menschen gewesen sein. Es waren überwiegend alte Frauen und nur ein paar jüngere Menschen. Als der Priester ankam, ging sogleich der Kerzenverkauf los und binnen kurzer Zeit brannten unzählige Kerzen in den Kerzenständern und in den Sandkästen, ein Vier-Personen-Chor sang und hier und dort quatschten und tratschten die alten Damen. Nach der Panichida sind wir dann wieder zur Datscha gefahren und haben dort gefrühstückt. Es wurde auch höchste Zeit, weil wir alle Hunger hatten und die ersten schlechte Laune bekamen - ich eingeschlossen. Im Garten habe ich Pfefferminz gefunden und daraus habe ich einen Tee gekocht. Nach dem Frühstück habe ich meine Sachen gepackt, ein wenig mit aufräumen geholfen und dann sind wir um kurz vor drei nach Hause aufgebrochen. Masha und ich sind mangels Platz mit der Elektritschka gefahren. Auf halbem Wege ist mir eingefallen, dass wir keine Birkenzweige für das orthodoxe Pfingstfest geschnitten haben. Daraufhin sind wir an der nächsten Station ausgestiegen und haben einen Baum um ein paar Zweige erleichtert. An der Station hatte ich dann noch ein wenig die Gelegenheit, ein paar Züge zu fotografieren und es stellte sich heraus, dass die Strecke ganz gut ausgelastet ist. In der halben Warte-Stunde habe ich vielleicht mehr als 15 Fotos gemacht. Als wir dann wieder in der Elektritschka saßen, begann auch schon das Gekrabbel: Unter den Blättern hatten sich zahlreiche Läuse und Kleinstinsekten vor dem Regen versteckt, die jetzt anfingen, munter durch den Zug zu fliegen und spazieren. In Moskau habe ich den Zweig erst gründlich ausgeschüttelt, daraufhin fielen da einige Bewohner aus den Zweigen heraus und bei Mashas Eltern haben wir alles flugs auf den Balkon gehängt. Nach einer Dusche und einem kleinen Snack ist die Familie zum orthodoxen Abendgottesdienst gegangen als Vorbereitung auf das morgige Pfingstfest und ich bin derweil in die katholische Heilige Messe gefahren, wo ich ja schon lange nicht mehr war. Dabei habe ich eine interessante Entdeckung bei mir gemacht: Das Gebet fällt mir im Stehen leichter als im Sitzen. Dafür kann ich hier für mich den Glauben neu entdecken und vertiefen. Wie genau, kann ich auch nicht sagen, aber es klappt... Dies ist mir aufgefallen, da ich die letzten paar Minuten in der Kirche hinten gestanden habe, da sich ein anderer während dem Gang zur Kommunion auf meinen Platz gesetzt hat. Und irgendwie wollte ich nicht wieder quer durch die Kirche laufen und mir einen Platz suchen, auch wenn nichts los war. Des Weiteren war heute ein Priester dort, der sehr gut gepredigt hat; ähnlich zu Bischof Clemens. Es war fast ein Dialog mit der Gemeinde, da er Fragen gestellt hat und sie dann selbst beantwortet hat. Dabei war er sehr ruhig, machte einen gleichsam lustigen und ernsten Eindruck. Es war vor allem nicht der beschwörerische und amerikanisch wirkende Predigtstil, den einige Priester hier pflegen und der Kirche tatsächlich und natürlich den Eindruck einer dubiosen Gemeinschaft vermitteln. Die Predigt zum Thema "Gott ist mit Dir" scheint sehr gut angekommen zu sein, da es in der Kirche mucksmäuschenstill war.

Anschließend habe ich noch kurz Brot eingekauft und bin dann noch eine Stunde zu Masha gefahren und daraufhin zum Wohnheim aufgebrochen, wo ich dann die Sachen gepackt habe, die Ottmar Steffan und ein weiterer aus dem Bistum mit nach Deutschland nehmen sollen. Da kommt doch einiges zusammen und wenn ich insgesamt 15kg los werden kann und bei der dritten Person am Donnerstag noch einmal 6-7kg, dann werde ich wohl kein Paket schicken müssen. Die dritte Person sollte übrigens am Montag mitfliegen, da scheint sich aber was geändert zu haben.  

 

Wassja: Hooligan und Bettzerstörer. Aber sonst ein Schmusekater...

 

 

Sonntag, 07.06.2009 - Pfingsten (orth.)

Die Fahrt zur Kirche wurde heute durch 19kg Gepäck erschwert - alles Klamotten, die ich morgen Ottmar Steffan mitgeben möchte. Ich habe das Gepäck im Kursker Bahnhof heute abgewogen, um in etwa eine Ahnung zu haben, wie viel ich dabei habe. Wenn ich den Koffer morgen und am Donnerstag vollständig loswerde, dann werde ich wohl kein Paket schicken müssen und vielleicht auch kein Übergewicht haben. Doch damit ist die große Ikone noch nicht eingerechnet.

Nachdem ich das Gepäck bei Masha untergestellt habe, bin ich dann direkt zur Kirche gegangen und es hat sich voll bewahrheitet, was Katja am Vorabend angedeutet hat: Es ist ein Feiertag, es sind viele Leute zum Beichten da und dementsprechend beginnt die Göttliche Liturgie erst später. Ich war also um 10:10 Uhr in der Kirche und just in dem Moment öffneten sich die Zarentüren und die Liturgie begann. In der Pfingstliturgie gibt es einige Besonderheiten - einmal wurden heute erstmals seit dem Osterfest die Lieder gesungen, die sonst vor und nach den Vorlesungen in der Uni gesungen werden und dann war die Kirche außergewöhnlich geschmückt. Die Birkenzweige in einigen Ecken waren noch recht normal, aber dass der Boden mit langem, aber recht frischen Gras ausgelegt war, war dann doch sehr ungewöhnlich und machte einen beinahe weihnachtlichen Eindruck. Warum weihnachtlich? Es roch zum einen wunderschön danach in der Kirche und zweitens sah es ein wenig aus wie in einer Scheune oder einem Stall - und dort wurde Jesus Christus doch nach der katholischen Tradition geboren. Draußen spielten die zahlreichen Kinder mit dem Gras, das wohl nicht benötigt wurde für die Kirche. Die Liturgen trugen heute (passend) grüne Gewänder und hatten nach der Prozession in der anschließenden Vetschernja einen Blumenstrauß in der Hand. Dazu gehörten drei lange Gebete, die von den Priestern in den geöffneten Zarentüren mit Blick zur Gemeinde gelesen wurden - auf Knien. Um 14 Uhr sind wir nach Hause gegangen und haben uns ein wenig mit den Weidenpollen beschäftigt, die derzeit in jeder Ecke und Kante von Moskau zu finden sind. Einige Stellen liegen so voll davon, dass man meinen könnte, es hätte geschneit. Wenn man die Fussel vorsichtig auf einen Haufen packt und hochwirft, dann kommt es einem vor, als wäre man Frau Holle oder wenn man auf so einem "Teppich" steht, sieht es aus, als stände man auf einer Wolke. So viele von den Pollen habe ich also noch nie gesehen und hoffe, dass ich es auch nicht zu häufig werde, denn ich scheine doch eine leichte Allergie dagegen zu haben. Nun regnet es mittlerweile und ich habe die Hoffnung, dass sich alles bindet und irgendwo in der Kanalisation verschwindet.

Nach einem schnellen Mittagessen bin ich dann mit Katja und Masha Tscheburejkij essen gefahren - das sind recht fettige Teigtaschen mit einer Käse- oder Hackfleischfüllung. Die sind zugegebenermaßen sehr lecker und besonders in einem kleinen Café in der Nähe der Haltestelle Kitai-Gorod, denn dort werden sie frisch zubereitet. Ganz in der Nähe befindet sich auch eine Griechisch-orthodoxe Kirche, die anscheinend dem Patriarchat von Antiochien untersteht - so wurde es mir zumindest erzählt. Die Kirche hat einen sehr interessanten Seitenaltar, denn die Zarentüren befinden sich nicht mittig von den Diakontüren, sondern diese beiden Türen sind an der linken Seite zu finden wegen der niedrigen Decke.

Was ich beinahe vergessen hätte: Die fünf Katzen haben zwei kleine Freunde bekommen. Beim Mittagessen klingelte es an der Türe, auf einmal war helle Aufregung im Haus und dann hatte Masha zwei kleine Katzen im Arm - etwa einen Monat alt, die fleißig am maunzen waren. Sie wurden von zwei Kindern vor der Wohnungstüre ausgesetzt. Mashas Mutter hat die Kinder noch im Flur gehört, konnte sie aber nicht mehr stellen. Ich habe Mashas Kater Pjitnisch die Aufgabe aufgetragen, Spielzeug für die Kleinen zu kaufen, doch er war zwar neugierig über den ganzen Tag hin, wollte aber nicht frühväterlichen Pflichten nachkommen.

 

Die geschmückte Dreifaltigkeitskirche an Pfingsten.

 

Kirche in Grün.

 

Kreuzzug in Grün.

 

Pollenpracht mit Nebenwirkungen.

 

Holzbänke in der Elektritschka - in der Regel ist nur jede Bank mit drei Leuten besetzt...

 

 

Montag, 08.06.2009

In der letzten Nacht habe ich fürchterlich geschlafen - erst konnte ich überhaupt nicht einschlafen und dann gegen halb zwei dann endlich konnte ich schlafen und habe alle (un-)möglichen Sachen geträumt. Letztlich muss ich dann ja so oder so um kurz nach sechs Uhr aufstehen, um Ottmar Steffan und seine Reisegruppe zu treffen. So bin ich dann erst zum Flughafen gefahren und habe dort gewartet. Der Flieger sollte planmäßig gegen 8:15 Uhr landen, kam aber erst um 8:40 Uhr an. Wir haben nur ganz knapp den Zug um 9:00 bekommen - mit viel Gerenne und einem offenen Tor, so dass wir nicht durch die Sperren mussten. Zum Glück - hatte ich doch ein Ticket zu wenig gekauft. Ich dachte, dass einer am Donnerstag nachkommt. So konnten wir im Zug noch schnell ein Ticket nachkaufen. Auf der Fahrt haben wir uns gemeinsam viel unterhalten - teilweise sogar auf Plattdeutsch. Dabei haben sich sehr interessante Fakten gegeben und ich war nachher sehr überrascht, was wir in den 40 Minuten Fahrt alles geregelt haben (wo ich aber nicht drüber schreiben will, da noch vieles davon in Kinderschuhen schickt und noch längst nicht spruchreif ist) und haben dann Masha am Bahnhof damit überrascht, die superschnell aus dem Bett gehuscht ist. Nach dem Gespräch mussten wir uns dann schon wieder beeilen, dass wir zum Bahnhof Savjolovskij kamen, da der Zug dort schon wieder um 10:30 Uhr gehen sollte. Auch diesen Zug haben wir gerade so eben mitbekommen und haben dort dann die Sachen genommen: So bin ich heute 22kg Gepäck losgeworden - nun liegt nicht mehr sehr viel hier im Wohnheim herum. Auch wenn ich nicht damit gerechnet habe, dass die alles mitbekommen, so hat es aber dennoch gut geklappt - auch wenn es noch einige Diskussionen beim Einchecken gegeben haben könnte, was ich aus der Ferne beobachten konnte. Anschließend bin ich mit dem nächstbesten Zug wieder nach Moskau gefahren, wo ich schnell mein Gepäck bei Mashas Eltern untergestellt habe und bin dann in der Stolowaja essen gegangen und habe mich dort noch mit einigen Kommilitonen und Freunden unterhalten, die heute ihre Diplomarbeit verteidigt haben und ihr Studium jetzt beendet haben. Anschließend bin ich zu Masha gegangen und dann haben wir uns kurzfristig entschieden, dass ich aus der Hühnerbrühe der Mutter wieder meine Gemüsesuppe koche, die übrigens sehr lecker geworden ist. Dazu musste ich dann noch einkaufen gehen. Und dann bin ich gezwungen worden, mich etwas auszuruhen und etwas zu schlafen. Ich wollte um acht Uhr geweckt werden, bin dann aber kaum noch aus den Federn herausgekommen. Ich muss also tief und fest geschlafen haben. Gegen 22 Uhr habe ich dann wieder den Heimweg angetreten und jeden, den ich nach der Ankunft im Wohnheim getroffen habe hat gedacht, dass ich wieder auf Reise gewesen bin. So habe ich heute sicherlich sechs oder sieben Male erklärt, dass ich heute Gepäck versendet habe. Dazu kommt noch, dass viele glauben, dass ich hier bleibe. Ich werde so oft gefragt, wann ich denn nach Hause fahre oder fliege und dann ist es völlig selbstverständlich für die allermeisten, dass ich dann im September wiederkomme. Wenn ich dann antworte, dass ich zu Ostern plane, hierher zu kommen, dann sind alle sehr erstaunt. Und ich bin's über das Selbstverständnis, dass sich hier entwickelt hat.

 

 

Dienstag, 09.06.2009

Eigentlich noch vor dem Aufstehen habe ich heute schon die erste Maschine Wäsche gewaschen, indem ich mich anschließend wieder für eine Stunde hingelegt habe. Zum Frühstück war sie dann fertig und ich konnte im Anschluss noch meine Socken dort hineinstopfen. Während diese zweite Ladung sauber wurde, habe ich die Sachen gepackt, die mein wohl letzter Besuch am Donnerstag mit nach Deutschland nehmen wird. Es sind nur noch ein paar Sommersachen, ein paar Bücher und etwas Kleinkram, den ich nicht so gerne hierlassen möchte. Dann habe ich die Kartons auf den Schränken durchforstet, das Verwertbare ebenfalls in die Taschen für nach Hause gestopft und die Kartons für den Müll vorbereitet. Ich will sie noch nicht wegpacken - mein weiß ja nie. Und so sieht es jetzt langsam aufgeräumt und nackt im Zimmer aus: Auf dem Ikonenregal steht nur noch die Taschenikone, auf dem Schrank nur noch zwei Kartons, die Elektrokamin ist dort drin verschwunden, die Schränke werden immer leerer und so nach und nach werde ich jetzt meine Klamotten nach Masha transportieren. Wir werden dann schauen, was wir damit anstellen. Eine Idee von mir ist, dass wir alles einlagern können, eine andere ist, es an einen DAAD-Studenten zu verkaufen, ich könnte es auch so versuchen zu verkaufen, es verschenken, usw. Gegen Mittag bin ich dann wieder in die Stadt gefahren, erst zu Masha und dann habe ich zuerst ein wenig Sightseeing gemacht: Gegen zwei Uhr bin ich zur Elochovskij-Kirche aufgebrochen. Es ist eine große und alte Kirche in der Nähe der Metro-Station Baumanskaja. Sie war während der Sowjetzeit die Hauptkirche der Russisch-orthodoxen Kirche, nach dem Bau der Christus-Erlöser-Kathedrale hat sich das geändert. Dennoch ist sie immer noch eine sehr prächtige Kirche mit einer schönen Ikonostase und viel Platz davor. Es standen noch die Weidenzweige an jeder Ecke und Kante und mit dem Sonnenschein, der durch die Fenster fiel, entstand dort eine feierlich Atmosphäre. Dort ist auch eine Reliquie des Hl. Apostels Andreas zu finden. Mit der Fahrt dorthin konnte ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wollte ich doch auch einmal die Station Baumanskaja besuchen, man hatte mir mal gesagt, dass sie auch schön sein soll. Dem ist auch so - sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Station "Platz der Revolution", denn hier stehen auch einige Statuen herum. Sehr auffallend ist das feine Mosaik über der Rolltreppe in der Haupthalle. Auch diese Station ist mit feinstem Marmor ausgestattet. Anschließend war ich noch bei Sofrino einkaufen, dann in dem Geschäft unserer Universität und habe dann zu meiner Überraschung in dem "Kolonialwarenladen" (wenn man den mal so bezeichnen darf - zumindest gibt es dort jede Menge Sachen zu kaufen, die in einem normalen Laden in Moskau nicht zu finden sind und eigentlich nur aus anderen Ländern kommen - auch wenn in diesem Fall das Wort "Kolonial" etwas störend wirkt...) frisches Basilikum gefunden und zudem Peperoni - letzteres in leider nicht ausreichenden Mengen. Nun werde ich zu Koljas Geburtstag morgen wohl wieder meine Pizza "Orient" machen können. Kurz nachdem ich bei Masha zurück war, habe ich ihren Neffen und ihren Bruder in Deutsch unterrichtet und bin dabei etwas strenger als sonst vorgegangen und so hat es heute sehr gut geklappt. Gegen 20 Uhr habe ich mich schon wieder auf den Heimweg gemacht, weil ich noch zu einer kleinen Diplomparty im Wohnheim wollte - Oleg, Dima und Evgenij haben ihr Diplom bestanden.

 

Metro-Station "Baumanskaja"

 

Mosaik über der Rolltreppe.

 

In der Halle stehen jede Menge Skulpturen:

 

Ein Pilot...

 

... ein Bergmann ...

 

... oder einen Wachmann.

 

Die ehemalige Hauptkirche der Russisch-orthodoxen Kirche: Die Elochovckij-Kathedrale.

 

Metro-Station Arbatskaja.

 

 

Mittwoch, 10.06.2009

Viel ist an diesem Tag nicht passiert und in jedem Fall schnell erzählt: Ich bin gegen halb zehn aufgestanden, dann mein Zimmer soweit aufgeräumt und die Sachen für den Gast aus Dienstag gepackt und die Klamotten, die ich für die nächsten Tage brauche. Dann ging es mit der Elektritschka und Metro nach Masha, von wo ich dann gleich Lebensmittel einkaufen gegangen bin. Zuerst nach Ramstor, habe dort aber nicht alles kaufen können. Für die restlichen Sachen habe ich alle Lebensmittelläden auf dem Weg zu Masha abegrast und letztlich auch alles gefunden. Dann habe ich für Koljas Geburtstag Pizza und aus den Resten Salat gemacht. Nur die "gewürzige Paprika" - Peperoni - konnte ich nicht verwenden, weil sie viel zu scharf war. Nach dem Essen abends bin ich dann früh ins Bett gegangen, weil ich früh aufstehen muss - der Gast kommt um halb acht am Bahnhof an.

 

 

Donnerstag, 11.06.2009

Und so war es dann auch: Nach dem Frühstück, bei dem mir Mashas Kater das Stück Wurst förmlich vom Brot geklaut hat, bin ich zum Bahnhof gegangen und habe einen sehr freundlichen und sehr interessanten Gast empfangen. Zunächst haben wir die Sachen bei Masha untergestellt und haben dann um kurz vor acht schon mit der Besichtigungstour angefangen, die zuerst problematisch war. Angefangen haben wir mit der Metro-Station "Platz der Revolution" und wollten dann auf den Roten Platz, der aber mal wieder gesperrt war. So sind wir drumzugelaufen und bei der Basiliuskathedrale angekommen. Eine interessante Frage dort war, ob die Turmspitzen irgendetwas mit dem Orient zu tun haben, da sie eine turbanähnliche Form haben. Danach sind wir erst auf die Brücke gegangen, von der man den Kreml und den Roten Platz aus gut sehen kann und von dort zur Christus-Erlöser-Kathedrale, die auch noch geschlossen war. So ging es mit der U-Bahn wieder in die Nähe des Roten Platzes, wo wir uns dann auf den Punkt Null gestellt haben. Wir haben uns kurz die Wache am Gedenkfeuer angeschaut und sind dann bei Mc Donalds frühstücken gegangen. Anschließend ging es mit der Metro noch einmal zur Christus-Erlöser-Kathedrale, in die ich selbst nicht hereinkam, da ich Shorts an hatte. Mein Gast war aber sehr überrascht und überwältigt von der Kirche. Anschließend sind wir zu dem Aussichtspunkt auf den Spatzenbergen gefahren, von wo wir Moskau noch einmal schön beobachten konnten - bei schönstem Wetter. Dort gab es auch Ski-Springer auf den Sprungschanzen - ein völlig ungewöhnliches Bild, dass bei hochsommerlichen Temperaturen ein paar Jungs den Berg hinabsausen, springen, mit einem "Klatsch" auf dem Plastikrasen aufkommen, die Sandpiste zum Bremsen benutzen und dann in ihren Anzügen schwitzend wieder nach oben laufen - die Skier auf dem Rücken. Fast abgeschlossen haben wir die Besichtigungstour mit den wichtigsten Metro-Stationen der Ringlinie. Wir waren noch kurz in der Universität essen und ich habe ihm dort das Wichtigste gezeigt - auch die Dreifaltigkeitskirche mit ihren Fresken, die Studenten unserer Universität dort angebracht haben. Und zu 14 Uhr habe ich ihn wieder zum Bahnhof gebracht - mit etwa 7kg Gepäck, dass er zu mir nach Hause schicken will. Damit habe ich nur noch sehr wenig hier in Moskau und vielleicht bekomme ich sogar die Ikone kostenlos mit. Anschließend habe ich mich bei Mashas Eltern noch ein wenig behilflich gemacht beim Katzen einpacken und das Auto beladen. Die Katzen in ihren Boxen waren fürchterlich am Miauen und offenbar gar nicht von ihrer Transportbox begeistert. Ich selbst konnte nicht mit zur Datscha fahren, da im Auto kein Platz mehr war und so habe ich auf Masha gewartet und wir sind dann gegen 19 Uhr mit dem Zug dorthin gefahren. Obwohl es gewittert hatte, war es immer noch drückend warm draußen und der Fahrtwind war eine echte Erleichterung. An der Station wurden wir mit dem Auto abgeholt und als wir ankamen, waren die vier Katzen gerade mit der Geländeerkundigung beschäftigt. Sie schnüffelten an jeder Ecke und durchquerten hochinteressiert das Grundstück. Und eigentlich alle fühlten sich gestört, wenn man sie streicheln wollte.

 

Freitag, 12.06.2009 - Tag Russlands

Heute hätte ich vielleicht die Möglichkeit gehabt, auf einer Dampflokomotive mitzufahren, aber der Lokführer hat uns leider abgesagt. So war der Tag für mich mehr oder minder frei und ich habe den Wecker nicht gestellt. Wach geworden bin ich durch leises Gerappel in der Küche, wo Mashas Mutter gerade das Frühstück vorbereitet hat. Anschließend war noch ein bisschen Zeit und ich habe den geplanten Ausflug konkretisiert und organisiert. Ich wusste nach dem Aufstehen noch nicht, ob ich wirklich fahren würde, da Gewitter bzw. Regen sich mit Sonnenschein abwechselte. Als ich los musste, hörte ein Schauer gerade auf und Masha hat mich bis zur Straße im Wald gebracht, von wo ich alleine weitergelaufen bin. Der Weg zum Bahnhof war schon fast beschwerlich, weil die Luft so drückend-heiß war, dass man nicht richtig Luft holen konnte. Die Gewitterschauer ohne Abkühlung taten ihr Übliches dazu. Nachdem ich das Ticket gekauft hatte kam dann auch schon bald der Zug, mit dem ich bis nach Kaschira gefahren bin. Vor der Einfahrt in den Bahnhof hat der Zug eine große Eisenbahnbrücke über einen Fluss zu überquert, von dem man die Stadt Kaschira gut sehen konnte, da sie auf einem Hügel am Ufer liegt. Dort gibt es viele Kirchen und am gegenüberliegenden Ufer ein Kloster. Dort hatte ich nun eine kurze Zeit Aufenthalt, bis die Elektritschka nach Usunova kam. Nach einer einstündigen Fahrt bin ich dann an meinem Ziel angekommen und war sehr erstaunt von der Größe des Ortes, an dem alle Fernverkehrszüge halten und eine neue Maschine vorgespannt bekommen: Wenn dort 500 Menschen leben, dann ist das wohl schon übertrieben. Auch ist dies kein Kurort oder gibt es dort eine Touristenattraktion - es ist einfach ein Eisenbahnerdorf in der Landschaft mit einem recht großen Lokomotivdepot und Wartungsanlagen, recht umfangreichen Gleisanlagen, vier Bahnsteigen, einer Polizeistation, einigen Güterwaggonkästen, die zu Garagen und Schuppen umfunktioniert wurden, zwei alten Wassertürmen, einem Bahnhofsgebäude, ein paar Wohnhäusern und letztlich sieben bis acht Geschäfte, die eine wichtige Rolle in dem Ort spielen. Dort kaufen die Babuschkas oder älteren Frauen ihre Waren ein, die sie dann zwanzig Meter weiter auf dem Bahnsteig am Zug verkaufen. Der Bahnhof wird lebendig, wenn ein Fernreisezug einfährt: Zunächst rollt der Zug mit oft 20 Waggons langsam in den Bahnhof ein und der Bahnsteig ist schon von den Frauen mit ihren Gepäckkarren belagert, wo Kuchen, Getränke, Trockenfisch und andere kleine Snacks zu finden sind. Die Türen von dem Zug gehen auf, zumeist kommt zuerst die Waggonschaffnerin heraus und dann die Reisenden, die rauchen oder bei den Frauen einkaufen wollen, die vor sich hin sprechend ihre Waren feilbieten. Währenddessen wird die Lokomotive abgekuppelt und eine neue davor gesetzt, die den Zug dann bis zum nächsten Etappenziel bringt. Vor den Türen stehen die Waggonschaffnerinnen - in der Regel sind es Frauen - in ihren adretten Uniformen und scheinen, wenn ich es richtig mitbekommen habe, selbst Waren zu verkaufen, da in ihrer Nähe Trockenfisch an den Trittbrettern und den Türen hing - anderer als die Frauen angeboten haben. Und sie wollten auch nicht fotografiert werden damit. An das Fotografierverbot habe ich mich übrigens nur bedingt gehalten und aus sicherer Entfernung Bilder gemacht. Ich bin dann von einem Eisenbahnmitarbeiter angesprochen worden, warum ich Fotos mache und habe ihm dann erklärt, dass mich das Leben an einem solchen Unterwegsbahnhof "in der Pampa" sehr interessiert und mein Vater ebenfalls bei der Bahn arbeiten würde. Dann war er beruhigt. Anders als ein "Rangierer", dessen Aufgabe es ist, die Waggons an- und abzukuppeln von den Lokomotiven. Er hat mir mit der Miliz gedroht, sollte ich weiter fotografieren. Ich habe mich dann etwas zurückgezogen und wollte erst von einem Bahnübergang aus fotografieren, habe dort aber Probleme gehabt, weil überall Masten und Oberleitungen im Weg waren und es zu regnen anfing. Trotz einem sogenannten Verbot, Regenwetter und Strommasten habe ich nach zwei Eis noch ein paar Bilder gemacht: Quasi aus der Deckung heraus aus dem Fenster der Elektritschka, mit der ich wieder zur Datscha fahren wollte.

Was übrigens noch bemerkenswert ist, dass gar nicht alle Züge am Bahnsteig halten, sondern auch ein oder zwei Gleise weiter daneben - völlig gleich, ob der Bahnsteig besetzt ist oder nicht. Und dann verbreitert sich der Markt vom Bahnsteig auf die Bahngleise, die zwischen Bahnsteig und Zug liegen. Und wenn die Reisezüge abgefahren sind, dann wird es ruhig am Bahnsteig, die alten Damen holpern mit ihren kleinen Gepäckkarren mit den Taschen drauf eiligst durch die Gleise zu einem der Lebensmittelmärkte, um dort ihre Karren wieder aufzufüllen.

Auf der Rückfahrt musste ich einmal umsteigen und habe die halbe Stunde genutzt, um Grillsachen einkaufen zu gehen in einem recht großen Geschäft. Nach meiner Ankunft bei der Datscha habe ich dann gleich den Grill mit Holz angemacht und nach etwa einer halben Stunde roch es herrlich nach Schaschlik im Garten und kurze Zeit später schmeckte es, wie es roch.

 

 

Samstag, 13.06.2009

Der heutige Morgen fing recht ruhig an - zunächst habe ich geschaut, wer auf und da ist und habe mich dann ans Tagebuch gesetzt und den gestrigen Tag aufgearbeitet. Das hat recht viel Zeit in Anspruch genommen, da ich zwischendurch immer wieder die Katzen beobachtet habe - z. B. wie Babuschka (die eigentlich Masha heißt) auf ein Hausdach geklettert ist, um dann durch ein Fenster zu schauen oder wie sie zwei Elstern gejagt hat. Als Mashas Eltern wiederkamen, gab es eine sehr schlechte Nachricht: In der letzten Nacht hat es in der Studentenkirche gebrannt. Bislang ist nicht klar, wieso und warum - wir wissen nur, dass das Feuer im Verkaufsraum ausgebrochen ist und der Wachmann durch die Geräusche der zerberstenden Scheiben wach geworden ist. Bis vier Uhr morgens soll gelöscht worden sein. Es wäre sehr schade, wenn die Kirche zerstört worden ist, einerseits weil sie seit Jahren renoviert wird und vor allem die schönen Fresken und Wandgemälde wieder zerstört sind, die von der Universität selbst hergestellt wurden. Und zudem ist so ein Kirchenaufbau sehr, sehr teuer. Es stellt sich also die Frage, wie groß der Schaden ist.

Kurz nach der Rückkehr am Nachmittag in Moskau bin ich mit Tanja dorthin gegangen und wir konnten sogar in die Kirche hineingehen. Eigentlich ist alles vom Ruß in Mitleidenschaft gezogen worden, vor allem alles jenseits der Kuppel in Richtung Verkaufsrecke und Ausgang ist so gut wie schwarz. An dem Brandherd selbst ist der Putz von der Decke gekommen, einige Fensterscheiben sind zersprungen, die Ikonostase gegenüber dem Stand ist beschädigt und bei einigen Ikonen ist die Farbe abgeblättert und so gut wie alle Deckenmalereien müssen sicherlich auch erneuert werden, weil sie dunkler bzw. rußig geworden sind. Alles in allem hätte es noch schlimmer kommen können, aber der Schaden ist doch beträchtlich und ein gewaltiger Rückschritt in der schon länger währenden Renovierungsgeschichte der Kirche.

Direkt nach dem "Kirchegang" bin ich mit Masha und Tanja nach Voskreßensk gefahren, um dort mit Mashas Schwester Lisa und ihrem Mann Schaschlik zu essen. Die Hinfahrt war geprägt durch ein schweres Gewitter, durch das wir gefahren sind - waren es in Moskau an der U-Bahnstation noch über dreißig Grad, so war es nach dem Gewitter, viel Sturm und einer Menge Regen vielleicht sogar zehn Grad kälter - aber noch warm genug, um im nahegelegenen Fluss baden zu gehen. Und dort herrschte dann eine besonders schöne Atmosphäre, weil das Wasser noch schön warm war und über dem Fluss Neben aufstieg. Zudem schien die Abendsonne. Ich wäre am Liebsten gar nicht mehr aus dem Wasser hinausgegangen - auch nicht wegen der Grillsachen. Letztendlich musste ich dann aber doch raus aus dem Wasser.

 

Blick ins Kirchenschiff. Links ist die Ikonostase zu sehen, gegenüber der das Feuer ausgebrochen ist.

 

Die Haupt-Ikonostase - einige Stellen sind schon geputzt.

 

Die Kuppel - noch immer sind Rauchschwaden im Sonnenlicht zu sehen. Die Gemälde sind alle sehr viel dunkler geworden und alles ist matt.

 

Von hier ist der Rauch in die Kuppel gestiegen.

 

Hier ist das Feuer ausgebrochen - der Hl. Nikolaus aus Holz scheint aber fast unversehrt zu sein.

 

Der Kircheneingang - auch hier ist eine Scheibe zerborsten.

 

Abendstimmung nach dem Gewitter.

 

"Smoke on the water".

 

Ich kann fliegen...

 

Im Fluss.

 

Bei der Datscha.

 

 

Sonntag, 14.06.2009

Nach dem Aufstehen und dem herzhaften Frühstück in der Datscha von Mashas Schwester Lisa bin ich dann noch einmal in den Fluss zum Schwimmen gegangen. Es war wie am Tag zuvor wieder herrlich, wenn das Wasser auch nicht mehr ganz so warm war wie am Abend vorher. Dennoch war es sehr schön. Nach dem etwas kürzeren Bad haben Masha und ich uns auf dem Steg noch ein wenig in der Sonne geaalt und ich mich trocknen lassen. Es war keineswegs zu kalt, auch wenn die Temperaturen weitaus geringer waren als am Vortag. Das Gewitter hat doch eine gute Abkühlung mit sich gebracht, die meiner Meinung nach auch wirklich nötig war. Um die Mittagszeit hat Lisa uns dann zum Bus gebracht. Dabei sind wir durch ein Viertel gefahren, wo die Reichen ihre "Datschen" haben. Das sind in der Regel Steinhäuser, die meisten von ihnen sind schon fast Schlösser - so groß sind sie. Dagegen sind die Villen, die ich aus Münster kenne, kleine Hütten. Angeblich wohnen die Leute dort nur im Sommer.

In Moskau angekommen sind wir dann mit der Metro direkt bis zur Station Kitai-Gorod durchgefahren, wo wir dann noch einmal Tschejbureki essen gegangen sind. Morgen beginnt ja wieder die Fastenzeit, dieses Mal das Peter und Paul-Fasten, und so war es die letzte Gelegenheit noch einmal kräftig in dem Laden zuzuschlagen. Als wir dann wieder zurück waren, habe ich mich für die Nacht auf der Datscha vorbereitet, ein wenig im Tagebuch geschrieben, Nachrichten gelesen und E-Mails abgefragt. Ich bin gebeten worden, mit Mashas jüngerer Schwester die Nacht auf der Datscha zu verbringen, da sie dort nachts nicht alleine sein soll. Mit Masha habe ich dann noch meine Reiseroute nach Tula und Serpuchov geplant und dabei eine interessante Fahrtstrecke gefunden. Dann ging es auch schon los nach Vostrjakova, wo wir dann gegen halb zehn angekommen sind. Tanja hat von ihrer Mutter nach ein großes Stück Fleisch mitbekommen, wo ich dann Steaks raus gemacht habe - dazu gab es noch Bratkartoffeln und Salat. Ein leckerer Festschmaus zum Anfang der Fastenzeit. Nach dem Essen habe ich noch probiert zu Hause anzurufen, aber der Empfang brach immer wieder ab und erst nach einem Neustart des Handys war wieder kurz eine Verbindung da. Um elf Uhr lag ich dann im Bett, weil ich wieder früh aufstehen musste.

 

 

Montag, 15.06.2009

Da ich recht früh ins Bett gekommen bin konnte ich auch recht früh aufstehen - ohne noch liegen bleiben zu wollen. Nach einem schnellen Frühstück und dem notwendigsten Zurechtmachen habe ich Tanja aus dem Bett geholt, damit sie die Türe wieder abschließen kann. Durch den Wald und herrliche Morgenluft bin ich in der aufgehenden Sonne um halb sechs zum Bahnhof marschiert, wo ich mir ein Ticket nach Michnevo kaufen wollte. Die Frau hat mich aber wohl falsch verstanden und hat mir eine Fahrkarte nach Nishnije Kotlij gegeben - für 21 Rubel. Da hat sich dann während der gesamten Zugfahrt auch überhaupt keiner beschwert - es kam keiner. In Michnevo wollte ich mir dann eine Karte nach Tula kaufen. Die Frau am Schalter sagte mir, dass das nicht möglich sei und nach einigem hin- und her meinte sie, dass sie mir überhaupt keine Fahrkarte für die Strecke Michnevo-Stolbovaja verkaufen könne. Im Zug würde jemand kommen. So habe ich dann den Bahnsteig gesucht, vorher noch ein paar Diesellokomotiven fotografiert und habe ihn dann auch schnell gefunden. Nach ein paar Minuten kam die Elektritschka und stand dann dort erst einmal eine Zeit. Im Zug war so gut wie nichts los - die meiste Zeit habe ich alleine im Waggon gesessen. Die Strecke wird nur von zwei Zugpaaren am Tag bedient und dient dazu, dass die Leute aus den angrenzenden Dörfern in die Stadt und abends wieder zurück gefahren werden. Dementsprechend kärglich ist dort auch die Ausstattung an den Haltestellen: Sie sind eigentlich nur dadurch erkennbar, dass ein paar große Betonplatten an die Bahngleise gelegt wurden, eine weiße Linie gezogen wurde und ein Schild dort steht. Die Stationen tragen dann zumeinst keine Ortsnamen, sondern die Kilometerbezeichnung. Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt und 38km Strecke kam dann der Bahnhof Stolbovaja. Der Zug nach Tula hätte schon längst weg sein müssen, weil unsere Elektritschka zu spät dran war - der Zug nach Tula glücklicherweise aber auch. So war dann gewiss, dass ich zuerst nach Tula und dann nach Serpuchov fahren würde und so etwa drei Stunden eingespart habe. Die Fahrt nach Tula verlief ebenfalls interessant: Hatte ich im Zug nach Stolbovaja schon keine Fahrkarte kaufen können, kam jetzt erst nach etwa 80km, also zwei Stunden ein Schaffner. Ich sagte ihm, dass ich ein Ticket kaufen müsse und sagte ihm, dass ich von Michnevo komme. Er wusste gar nicht wo das ist und nachdem ich ihm erklärt hatte, dass ich in Stolbovaja eingestiegen bin, wollte er von mir 96 Rubel haben. Daraufhin habe ich ihm meinen Studentenausweis unter die Nase gehalten und dann lehnte er nur noch ab und verschwand. So habe ich bis nach Tula nur 21 Rubel bezahlt. Dort bin ich nach 4,5 Stunden Fahrt angekommen und habe erst ein paar Fotos von den wirklich laut lärmenden Dieselloks gemacht und habe mich dann auf den Weg in die Stadt gemacht. Eigentlich wollte ich zuerst den Kreml sehen, den habe ich aber nicht sofort gefunden und habe mir daher erst ein paar andere Kirchen angeschaut und den Blick  von einer Brücke über den Fluss genossen. Die Stadt ist schon sehr alt - sie wurde 1146 erstmalig genannt und ist damit etwa gleich alt wie Moskau. Mir ist aufgefallen, dass die Stadt sehr gemischt ist - einerseits gibt es viele alte Häuser aus Holz und Stein und natürlich den Kreml, aber auch viele der Chruschtschovkas - 5-geschossige Wohnhäuser, die der damalige Präsident der UDSSR Nikita Chruschtschow errichten ließ um die Wohnungsnot zu mildern. Daneben finden sich in der ganzen Stadt verteilt überall irgendwelche Fabriken, die inmitten der Stadt zu finden sind. Und dann finden sich hier und da noch Kirchen, die noch nicht alle ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt worden sind, sondern eine andere Verwendung finden. Am deutlichsten wird das auf dem Lenin-Platz: Der große sowjetische Platz mit der Lenin-Statue, einem großen Gebäude, dann ist der Kreml sichtbar mit einer Kirche, gegenüber von dem großen Gebäude befinden sich zwei weitere Kirchen und ganz in der Nähe alte Stein- und Holzhäuser. Dreht man sich einmal um 180°, dann sieht man moderne Häuser und Geschäfte - dort macht alles einen amerikanischen Eindruck. Und mir ist aufgefallen, dass es in Tula keine wirklichen Hochhäuser gibt - zumindest in der Innenstadt. Tula ist natürlich auch bekannt für eine Art Lebkuchen, von dem ich mir etwas mitgenommen habe und auch für Mashas Familie. Als ich auf der Straße etwas kaufen wollte, hat mir jemand in die Seitentasche vom Rucksack gegriffen, aber nichts herausgenommen - dort lagen so oder so nur Zahnbürste, Deo, Kerzen und ein paar andere unwichtige Kleinigkeiten. Und ganz zuletzt ist mir noch aufgefallen, dass die Menschen in Tula sehr freundlich und zuvorkommend sind.

Nach dem dreistündigen Aufenthalt ging es dann nach einer zweistündigen Fahrt zurück in Richtung Moskau. Auf dem Weg dorthin findet sich eine Stadt mit Namen Serpuchov, der ich noch einen kleinen Besuch abgestattet habe. Dort gibt es zwei Klöster. Zuerst bin ich mit dem Marschroute-Taxi ins Frauenkloster gefahren. Die Fahrt dorthin war in einem alten sowjetischen Bus und gleich zu Anfang hatte ich das Gefühl, als würde ich in einem Boot sitzen. Der Motor nagelte und jaulte und nur langsam setzte sich der Bus in Bewegung. Der Fahrer musste Schwerarbeit leisten, da der Bus noch kein Servolenkung hatte und dann klapperte und schaukelte es auch schon los. Im Bus kam dann die Kassiererin - so wie ich es auch aus Irkutsk noch gut in Erinnerung habe. Das Frauenkloster habe ich als nix Besonderes empfunden - auch die Bäckerei nicht so richtig. Vielleicht lag es daran, dass ich schon zu müde war und nicht mehr die richtige Lust hatte. Auf dem Rückweg hat mir dann eine Frau gezeigt und gesagt, wie ich zum Männerkloster kommen kann - ebenfalls mit Marschroute-Taxi und Bus. Das Kloster hat mir schon viel besser gefallen. Es liegt auf einem Hügel am Fluss Nara und von dort lässt sich ein großer Teil der Stadt toll überblicken. Unten rauscht der Fluss und auf der Hügelkette erstreckt sich die Altstadt von Serpuchov. Die Stadt muss einmal viele Kirchen gehabt haben, da überall Türme zu finden sind. Einige Kirche sind aber noch nicht zurückgegeben worden. Das Männerkloster liegt auch sehr schön - in der Nähe gibt es viele kleine alte Häuschen und es entsteht so ein bisschen der Eindruck, als wäre man im alten Russland unterwegs. Doch auch diese Romantik wird wieder völlig gestört durch die Männer, die vor der Kirche betteln und das Geld dann gleich im nahegelegenen Kiosk in Alkohol umwandeln. Einer lag unterm Baum und schlief seinen Rausch aus. Mit dem Bus bin ich dann wieder zurück zum Bahnhof gefahren und habe ein wenig eingekauft, unter anderen ein wenig Kwass, den ich mir in eine Flasche habe füllen lassen. Der Mann fragte sogleich, wo ich denn herkommen würde und wir haben uns kurz miteinander bekannt gemacht. Dann ging auch schon der Zug nach Moskau. Mittlerweile war es durch einige Wolken am Himmel so kühl geworden, dass ich sogar meine Jacke anziehen musste. Um halb neun war ich dann bei Masha zu Hause, wir haben noch ein wenig die nächsten Tage verplant, etwas gegessen und dann bin ich ins Wohnheim gefahren. Nach einem kurzen Telefonat mit meinen Eltern habe ich noch einen kurzen Blick in meine Post geworfen und musste dann noch zur Administratorin gehen. Sie wollte fragen, wie regelmäßig ich noch im Wohnheim schlafen würde. Daraufhin habe ich mich gleich für die nächsten Tage abgemeldet, da ich viel mit Masha unterwegs sein werde. Auch wenn ich noch so müde war habe ich den Weg ins Bett erst um etwa halb eins gefunden...

 

Hier ist Geschichte: Zuerst das Alter der Stadt, hinten der Kreml aus der Zarenzeit mit seiner Kirche und das Lenin-Denkmal auf dem Lenin-`Platz mit dem Haus der Stadtverwaltung. 

 

Der (geschlossene) Kreml in Tula.

 

Beim Lenin-Platz.

 

Straße mit alten Häusern.

 

Vor der Geburtskirche.

 

Blick auf den Fluss.

 

Ein markantes Gebäude in Tula.

 

Auf dem Markt: "Wissen Sie Ihr Gewicht! 3 Rubel!"

 

Eine noch zurückzugebende Kirche.

 

Eine Sand-Straße in Tula mit Straßenbahngleisen.

 

Die Tul'sche Straßenbahn.

 

So sah es vielleicht früher in Tula aus - ohne Straßenbahn.

 

Kirche in Tula.

 

Chruschtschovkajas.

 

Serpuchov.

 

Das Frauenkloster.

 

Blick vom Männer- zum Frauenkloster.

 

Das Männerkloster.

 

 

Dienstag, 16.06.2009

... um dann gleich zu meiner nächsten Tour aufzubrechen. Heute stand die Stadt Tver auf dem Programm, die etwa 170km nördlich von Moskau liegt. So bin ich um sieben Uhr aufgestanden und heute fiel es mir richtig schwer, da die Nacht doch recht kurz war. Um kurz nach acht stand ich dann schon am Bahnhof Pererwa und habe festgestellt, dass mein Studentenausweis ab heute keinen Rabatt mehr hat. Schade drum - dennoch ist Zug fahren längst nicht so teuer wie in Deutschland. Am Petersburger Bahnhof habe ich für die Hin- und Rückfahrt nach Tver 452 Rubel bezahlt - etwa 10 Euro. Dort bin ich dann mit einer fast 40-minütigen Verspätung um kurz nach zwölf Uhr eingetroffen, habe mir einen Stadtplan gekauft und bin dann mit der Straßenbahn an die Wolga gefahren. Und die Straßenbahn hatte unheimlich viel gemeinsam mit der in Irkutsk: Sie kostete mit zehn Rubel etwas mehr, war aber mindestens genauso klapprig und alt. Und auch die Gleise waren schief und krumm verlegt, so dass ich mich gefragt habe, wie oft so ein Zug entgleist. Alles in allem also eine herrliche Fahrt. Nach der Wolgabrücke bin ich dann zum Hafen gelaufen, eine Stelle, wo die Tverza in die Wolga mündet. Dort habe ich ein Kloster gesichtet, zu dem ich dann gelaufen bin. Es war leider geschlossen, so dass ich dort nicht hinkommen konnte. Zurück ging es mit der Straßenbahn wieder bis zur großen Wolgabrücke und von dort bin ich dann zum Kriegsdenkmal gegangen, dass man quer durch die Stadt gut sehen kann. Es ist eine große Säule auf einem recht hässlichen Platz. Am Ende des Platzes ist das "Ewige Licht" zu finden und dabei ganz in der Nähe noch ein weiterer Gedenkplatz, der über eine Brücke zu erreichen ist. Dort fallen übrigens schon die Marmorplatten von den Säulen. Tver ist auch eine sehr schöne alte Stadt mit vielen tollen Häusern - allerdings irgendwie anders als Tula oder Serpuchov. Ich habe die Stadt als ruhiger empfunden mit mehr Grün(-anlagen). Nach einer Mahlzeit, bei dem das Essen kaum auf den Teller passte und der Teller so klein war, dass ich bald verhungert wäre, bin ich dann wieder zurück zum Bahnhof gefahren. Am Bahnhof hatte ich noch kurz Zeit zum fotografieren und habe dort sogar eine Denkmallokomotive entdeckt. Um 15:53 Uhr ist dann mein Zug wieder nach Moskau gefahren, wo ich ohne nennenswerte Verspätung gegen 18 Uhr angekommen und dann gleich zu Masha gefahren bin. Im Zug habe ich die zweistündige Fahrt genutzt, um die letzten Tage ins Tagebuch zu bringen. Sehr schön ist übrigens die Stelle während der Zugfahrt, wenn der Zug über einen Damm durch das Moskauer Meer fährt. Es ist ein großer und sehr schöner Binnensee.

Nach meiner Ankunft bei Masha haben wir beide beschlossen, am Abend noch ins Kino zu gehen. Wir haben uns einen Kinderzeichentrickfilm ausgesucht - ins Deutsche würde er sich mit "Hinauf" übersetzen lassen. Bevor wir dorthin gegangen sind, habe ich mich noch eine halbe Stunde aufs Ohr gelegt und mich etwas ausgeruht. Nach dem Film sind Masha und ich dann noch etwas spazieren gegangen. Das Ziel war ein kleiner Supermarkt, wo man Eis kaufen konnte. Da es gegen elf Uhr noch nicht richtig dunkel war, wurde eine der Stalin-Schwestern in ein Besonderes Licht getaucht. Leider hatte ich nur meine Fotokamera vergessen. Anschließend habe ich dann bei Masha übernachtet, weil ich mit ihr am nächsten Tag eine weitere Städtereise machen will. Morgen soll es nach Jaroslawl gehen.

 

Beim Siegesplatz.

 

Die Siegessäule von Tver.

 

Das Theater.

 

Das Jekaterinenkloster - ein Frauenkloster.

 

Das Kriegerdenkmal.

 

Ein altes Haus an der Hauptstraße.

 

Tramway.

 

 

Eine ausgelatschte Treppe.

 

Auf dem Markt.

 

In der Tramway.

 

Das Moskauer Meer.

 

 

Mittwoch, 17.06.2009

Das Aufstehen ist mir wieder schwer gefallen, lag ich doch wieder erst gegen halb eins im Bett. Ich habe mir fest vorgenommen, dass es heute Abend früher wird, damit ich für morgen fit bin. Fitness konnten Masha und ich am heutigen Morgen in jedem Fall gut gebrauchen, denn wir mussten unseren Plan nach Jaroslawl fahren aufgeben: Es war unmöglich, kurz vor der Abfahrt des Express-Zuges eine Fahrkarte zu kaufen. Zunächst haben wir es am Fahrkartenschalter versucht, wo man normale Elektritschka-Karten bekommt, das hat aber nicht geklappt. Wir wurden zu einem anderen Schalter verwiesen, wo dann eine längere Schlange stand, wo uns sämtliche Frauen nicht vorlassen wollten. Letztlich waren wir so spät, dass es nicht mehr geklappt war, da zehn Minuten vor Abfahrt des Zuges keine solchen Tickets mehr verkauft werden. Und im Zug konnte man keine Tickets kaufen. Letztendlich war es so, dass man für die Express-Züge eine Fernverkehrfahrkarte benötigt. So haben wir uns sehr schnell anders entschieden und wollten nach Rjasan fahren. Wir hatten noch gerade genug Zeit bis zur Abfahrt des Zuges, der vom Kasaner Bahnhof gegenüber abfuhr. Das hatte ich übrigens unbewusst einen Abend in meinem russischen Eisenbahnatlas gesehen und mir gemerkt. So sind wir mit Ellenbogenmentalität dorthin gelaufen und haben in der letzten Minuten noch ein Ticket bekommen. Eine Wachfrau hat uns dann noch gezeigt, wo der Zug abfährt und als wir dann im Zug einen Platz gefunden hatten, ging es auch schon los. Uns gegenüber saß ein Mann, der mir irgendwie auffiel. Er schaute insbesondere mich interessiert an und machte ein sehr zufriedenes Gesicht. Irgendwie hat mich der Mann an den Bischof Werth aus Novosibirsk erinnert, aber auch an meinen ehemaligen Mathematiklehrer in Emden. Und nach einer Zeit sprach er mich in gutem Deutsch an und es entwickelte sich ein nettes Gespräch. Er war Lehrer für Geschichte und schreibt jetzt wissenschaftliche Bücher. Nach dreieinhalb Stunden Fahrt sind wir dann in Rjasan angekommen, wo wir uns kurz von ihm verabschiedet haben und uns dann um ein Rückfahrtticket gekümmert haben und zum Fernverkehrsschalter gegangen sind, welcher sich im ersten Stock des Hauses befand, der nur über die Treppe zu erreichen ist. Mit einer Karte bewaffnet ging es dann zum Kreml der Stadt, der sehr schön ist. Es gibt noch ein Rest eines Walles um den Kreml. Dort sind jede Menge Kirchen zu finden, von denen viele derzeit noch repariert werden. Besonders imposant ist die Himmelfahrtskathedrale. Von außen sieht sie mit ihren fünf Kuppeln schon sehr mächtig aus und innen befindet sich eine schier unglaublich Ikonostase aus Holz. Sie hat acht Ikonenreihen mit schönen Verschmückungen aus Holz. Als wir aus der Kirche herauskamen, war es gerade am regnen und der Regen wurde langsam bis zum Ende des Aufenthalts immer mehr. Wir haben dann einen Anleger für Schiffe gefunden und sind dort herunter gegangen und über eine improvisierte Pontonbrücke über den kleinen Fluss gelaufen und haben auf dem Hügel auf der anderen Seite eine kleine Siedlung gefunden, die sich "Insel" nennt. Dort stank es sehr eigenartig nach irgendetwas. Dort sah es zwar etwas trostlos aus, aber dort standen schöne Holzhäuser, die aber teilweise auch verfielen. Hier zeigte sich aber dörfliches Flair und das mehr oder weniger inmitten der Stadt. Hier konnte ich mir gut vorstellen, wie es früher in Rjasan ausgesehen haben mag - vielleicht in etwa in der Zeit, als der Kreml noch "in betrieb" war. Dazu passte dann allerdings schon wieder das Bild, dass sich dann vom Kreml-Wall bot: Dort zog friedlich unten eine Ziegenherde entlang und fraß von dem saftigen Gras. Nach dem Blick ein eine weitere Kirche sind wir dann in einer kleinen Pizzeria essen gegangen. Dort kostete eine kleine runde Pizza mit etwa 20cm Durchmesser keine zwei Euro. Und zum Schluss gab es ein leckeres Eis, das ebenfalls sehr billig war. Außerhalb von Moskau kann man gut das ein oder andere Mal essen gehen, da es wesentlich billiger ist. Anschließend mussten wir durch Regen zum Bahnhof laufen, wo wir dann ziemlich nass angekommen sind. Nach kurzem Warten konnten wir dann auch schon den Zug betreten, der uns dann zurück nach Moskau gebracht hat. Der ist in drei Wagenklassen unterteilt und wir hatten unseren Platz in der dritten - immerhin auf leicht gepolsterten Sitzen, mit Gardinen an den Fenstern und einfach einer ruhigen Atmosphäre. Als der Zug dann losfuhr, floss das Wasser, dass sich auf dem Dach gesammelt hatte, in den Übergang zwischen die Waggons, was wie ein kleiner Wasserfall aussah. Während der Fahrt habe ich dann weiter am Tagebuch geschrieben und mit Masha die Bilder der letzten Tage geschaut.

Zurück in Moskau haben wir uns eher zufällig noch den Kasaner Bahnhof angeschaut und eine sehr prunkvolle Wartehalle vorgefunden, mit viel Gold und Gemälden an der Decke. Auch in der Haupthalle waren einige Gemälde zu finden, die dem Bahnhof ein edles Flair verleihen. Als wir zurück in der Wohnung waren, haben wir schnell geduscht, ich habe Essen gekocht und wir sind dann schnellstmöglich in unsere Betten gegangen.

 

Der Kreml von Rjasan vom Wall aus gesehen. Links der Glockenturm, dann das Gästehaus mit der Kirche, dann die Entschlafungskathedrale, unten weiter sind die goldenen Kuppeln der Gotterscheinungskirche und davor die Christi-Verklärungs-Kirche.

 

In der Gotterscheinungskirche, die in der Sowjetzeit ein Lager gewesen ist.

 

Alte Fresken, die noch aus der Zeit vor der Sowjetzeit stammten.

 

Ein Blick auf die andere Seite des Walls: alte Holzhäuser.

 

Der Prinzenpalast.

 

Die Ikonostase ...

 

... in der Himmelfahrtskathedrale.

 

Auf der Insel in Rjasan...

 

... stehen alte alte Holzhäuser.

 

Ausblick.

 

Noch eine Kirche in Kreml-Nähe.

 

Der Kasaner Bahnhof in Moskau.

 

Die Wartehalle des Kasaner Bahnhofs.

 

Der Jaroslawler Bahnhof für Züge nach Sibirien und bis nach China.

 

Der Leningradsker Bahnhof, rechts daneben die Metro-Station "Komßomolskaja".

 

 

Donnerstag, 18.06.2009

Der Tag fing genauso an wie der gestrige auch: Das Aufstehen fiel schwer und wieder stand das Vorhaben zur Debatte, am heutigen Abend früher schlafen zu gehen. Gestern ist es doch wieder halb zwölf geworden, bis ich im Bett lag. Damit die kleinen Katzen nicht so herumschreien, habe ich ihnen gleich Milch zu trinken gegeben. Das hat nur zur Hälfte geklappt, da eines der beiden Kätzchen lieber durch die Gegend laufen wollte. Dinka, die ausgewachsene Katze, die wegen Krankheit nicht mit zur Datscha gekommen ist, freute sich dann über den Rest der Milch. Eigentlich schlafen die beiden immer nach einer Milchmahlzeit doch wegen des Bewegungsdrangs hatten wir dann heute nicht ganz unsere Ruhe. Nach ein paar Tomaten-Zwiebelbroten sind wir dann zum Jaroslawsker Bahnhof aufgebrochen, von wo wir dann innerhalb von fast vier Stunden die 281km nach Jaroslawl hinter uns gebracht haben. Wir sind in einem Express-Zug in der zweiten Klasse gefahren, was ganz angenehm war und ruhig war. Der Zug war recht voll, doch mit meinem Fensterplatz konnte ich mich an der wunderschönen vorbeiziehenden Landschaft erfreuen. Bis Sergijew Possad kannte ich die Landschaft ja schon zur Genüge, aber ab dann wurde es interessant. Wir sind durch eine wunderschöne Landschaft gefahren, in der man zeitweise überhaupt keine Häuser sehen konnte. Wir sind an vielen Wiesen mit überwiegend weißen, gelben und blauen Blumen vorbeigefahren, es gab Wälder oder Baumgruppen, leichte Hügel und besonders ist mir eine saftige Wiese in Erinnerung geblieben, auf der das Gras in voller Blüte stand. Und auch bei der Durchfahrt durch Sergijew Possad und Rostov konnte man die schönen Klöster und in letzterer Stadt den Kreml sehen.

Gegen 12:20 Uhr waren wir dann am Ziel und wir haben versucht, eine Rückfahrtkarte zu kaufen. Das war für den heutigen Tag geplant, da die Rückfahrtickets in Jaroslawl günstiger sein sollten. Dies wäre auch der Fall gewesen, wenn wir erstens ein Ticket für die zweite Klasse bekommen hätten, doch die waren schon ausgebucht. Wollten wir 50 Rubel sparen, sind es jetzt 300 mehr geworden. Aber nun, die erste Klasse war letztlich auch bequem mit breiteren Sesseln, Tischen und Fernsehern. Zudem mussten wir sehr lange in der Schlange stehen, bis wir dann die Tickets hatten. Während Masha in drei Schlangen stand, habe ich wie in Tula, Tver und Rjasan auch jeweils Magnet und Stadtplan gekauft. Zudem war noch genug Zeit herauszufinden, wo die Straßenbahn abfährt. Sie war gar nicht so leicht zu finden, da es auf dem Bahnhofsvorplatz jede Menge Trolleybusse und "normale" Busse gab, die Tramway jedoch fuhr etwas versteckt abseits vom Bahnhof. Die Haltestelle war als solche kaum erkennbar, da dort keine Beschriftung war, keine Verkaufsstände und die Gleise waren im hohen Gras nahezu kaum zu erkennen. Auch die Oberleitung bot keinen Anhaltspunkt, da hier ohnehin schon genug Kabel in der Luft herumhängen und die Station zudem in einer kleinen Waldgruppe versteckt war. Nachdem wir die Fahrkarten endlich hatten, sind wir mit einer Uraltstraßenbahn in die Stadt gefahren. Es war ein Typ, wie ich ihn von Irkutsk noch zu gut kenne: Ein sehr steiler Einstieg, Türen, die mit einer gespannten und geölten Kette automatisch geschlossen werden und einfach nur endlos laut klappern und schaukeln. In Jaroslawl hatten wir eigentlich nicht genug Zeit, die ganzen Kirchen anzuschauen, da es viel zu viele sind. In der Altstadt steht an jeder Ecke und Kante eine, doch müssen viele davon noch renoviert bzw. zurückgegeben werden oder befinden sich gerade in der Renovierung. So sind wir beispielsweise an einem alten Kloster vorbeigekommen, das als Kloster zwar noch erkennbar und als Kulturdenkmal ausgeschildert ist, aber derzeit irgendein Industriebetrieb ist - möglicherweise eine Großbäckerei. Dazu bot es einen traurigen Anblick, da es sehr heruntergekommen und völlig ungepflegt wirkte. Zudem ist die Stadt wie die anderen auch sehr alt und doch finden sich überall moderne und amerikanisch wirkende Einrichtungen. Ein Beispiel dafür ist ein altes Haus, auf dem ein großer Werbemonitor angebracht ist. Er blickt dort ein wenig eigenartig heraus und verschandelt in gewisser Form das Stadtbild.

Nun - zunächst sind wir also in der Sommerkirche gewesen, die dem Hl. Dmitri von Thessaloniki geweiht ist und sind dann anschließend in die Gotteserscheinungskirche gegangen. Nach einem Abstecher auf eine Brücke, die über die Kotorosl führt und die ziemlich baufällig ist, da sie Löcher auf dem Fußgängerweg hat, sind wir in den Kreml bzw. das Christi-Verklärungskloster gegangen und haben ihn uns angeschaut für ein Eintrittsgeld von zehn Rubel. Man hätte dort auch in verschiedene Museen und Kirchen herein gehen können, haben es aber gelassen. Zum einen, weil wir nicht sehr viel Geld dabei hatten und die Tickets teurer waren und zudem war die Zeit sehr knapp für uns. Dort gab es auch einen Bären, den man für zwölf Rubel anschauen konnte. Das arme Tier war in einem recht kleinen Käfig gefangen mit einem Autoreifen als Spielzeug, einem überdachtem Schlafplatz, auf dessen Dach er klettern konnte. Und dann wurden ihm mit einem spitzen Stock von der Aufseherin vor den Käfig Fruchtstückchen gelegt, die er sich dann aus den Gitterstäben heraus nehmen konnte  mit seinen eindrucksvollen Tatzen. Deutsche Tierschutzvereine hätten hier die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und so lange protestiert, bis die Bedingungen besser geworden wären. Anschließend sind wir zur Erzengel-Michael-Kirche gegangen, die heute eine Armee-Kirche ist. Auch sie war kaum zu besichtigen, da sie wegen Renovierung geschlossen war, danach waren wir bei der Alexander-Nevskij-Kapelle, die zwar eine Kirche mit Ikonostase ist, der Gemeinderaum aber durch zwei große Verkaufsstände völlig eingenommen wird. Bei unserem weiteren Gang durch die Stadt kam dann irgendwann der Höhepunkt, nämlich die Prophet-Elija-Kirche, die heute ein staatliches Museum ist aber dennoch als Bischofskirche benutzt wird. Nach einem Eintritt von 40 Rubel sind wir mehr oder weniger von einer Touristengruppe überholt worden, so dass ich frei in der Kirche fotografieren konnte, da es nicht weiter aufgefallen ist (es hätte sonst 100 Rubel gekostet). Die ganze Kirche hat wunderschöne Fresken und eine ebenso schöne Ikonostase. Doch de touristische Nutzung der Kirche zerstört das ganze Flair, da es dort einfach laut und rumpelig ist. In einer Seitenkirche fand ein kleines Konzert statt und auch hier wurde die Atmosphäre durch die vielen Menschen gestört, die eine solche Kirche nur als Museum kennen lernen. Für eine weitere Tour durch die Stadt war nun nur noch sehr wenig Zeit und nach einem Marsch durch den Siegespark, in dem drei Mädchen Geld aus einem Springbrunnen fischten, sind wir an der Mündung von der Kotorosl in die Wolga angekommen - eine sehr schöne Stelle in der Stadt. Dort wird eine große Kirche (wahrscheinlich) neu gebaut und direkt daneben steht eine alte Kirche, die noch zurückgegeben und renoviert werden muss. Sieht auf den ersten Blick noch gut aus und hat außen nur noch schwach erkennbare Fresken, dennoch scheinen die Säulen über dem Eingang mit dem Dach langsam vom Kirchengebäude abbrechen wollen. Auf dem Weg zur Tramway haben wir noch zwei weitere Kirchen gesehen und während Masha Blinis gekauft hat, habe ich noch eine weitere Kirche gesucht. Auf dem Weg dorthin habe ich mich auf einen Markt verlaufen und als ich ihn auf einem anderen Weg verlassen wollte, wurde mir eine "Diskussion" von einem Wachmann angedroht. Letztendlich habe ich sie eine Straße weiter in einer Einkaufsstraße gefunden, schnell fotografiert und bin dann flugs zur Tramway-Haltestelle gekommen.

Auf der Rückfahrt habe ich in der ersten Klasse der "Luxus"-Elektritschka das Tagebuch geschrieben und ein paar neue Bilder eingefügt. Am Abend sind wir möglichst früh ins Bett gegangen, um am nächsten Tag wieder fit zu sein. Vorher haben wir uns noch etwas zu Essen gemacht und haben den nächsten Tag vorbereitet.

 

Dieses Mal ist die Brücke ausgelatscht.

 

Der Kreml bzw. das alte Kloster.

 

Die Kremlmauer.

 

Ein altes Haus in Jaroslawl.

 

Die Armee-Kirche.

 

Die von Kirchen durchsetzte Altstadt von Jaroslawl.

 

Malerarbeiten an einer Hauswand - etwa am zweiten Stockwerk.

 

Die Prophet-Elija-Kathedrale.

 

Die Ikonostase.

 

Fresken in der ganzen Kathedrale.

 

Christi-Einführung-in-den-Tempel-Kirche.

 

Das alte Kloster, das heute ein Fabrikgebäude ist.

 

Die Tramway in Jaroslawl.

 

 

Freitag, 19.06.2009

An meinem fünften Reisetag rund um Moskau sollte es mich mit Masha und ihrer Familie nach Peresawl Salesskij führen. Die Reise war schon so lange geplant, seitdem ich von dem dortigen Eisenbahnmuseum gehört und gelesen habe. Am gestrigen Abend hieß es noch, dass wir gegen halb acht aufstehen werden und dass Mashas Vater uns wecken wird, dann ist es aber doch eine Stunde später geworden. Nach dem Frühstück sind wir gegen halb elf losgefahren und nach etwa 140km dort angekommen. Die Fahrt dorthin war am Stadtrand von Moskau interessant, weil dort Tagelöhner standen - ähnlich wie sie in der Bibel beschrieben sind. Sie sie stehen am Straßenrand in Gruppen zusammen und hoffen, dass sie jemand mitnimmt und Arbeit hat. Ich konnte sie nicht zählen, aber am Straßenrand werden sicherlich zwischen 50 und 100 Menschen gestanden haben. Auf der Rückfahrt am Abend standen dort immer noch einige Gruppen. Gegen Mittag sind wir in die Straße zum Museum abgebogen - ein Sandpiste mit vielen Löchern, die eine schnelle Fahrt nicht zuließ. Und dort bekamen wir die Folgen des Unwetters zu sehen, das vor etwa zwei Wochen über das Gebiet gezogen ist: In einem Waldgebiet von etwa 50ha ist jeder Baum abgeknickt - vorher schon konnte man sehen, dass jede Menge Bäume auf die Straßen und Oberleitungen gefallen sind. Das Bild, was sich hier bot, war erschütternd - der Tornado hat mächtig gewütet. Im direkt daran angrenzenden Eisenbahnmuseum musste wohl aufgeräumt werden, Schäden waren zum Glück aber nicht mehr sichtbar. Auch an den umstehenden Häusern konnte ich keine Schäden entdecken.

Das Museum stellte sich als recht klein, aber dafür umso interessanter heraus. Wir haben uns zuerst ein paar Militärfahrzeuge angeschaut, die überwiegend in einem sehr schlechten Zustand unter einem Dach, aber dennoch nicht ausreichend vom Wetter geschützt dort standen. Das beste erhaltene Fahrzeug war übrigens ein amerikanischer Jeep. Zudem stand dort ein alter Renault-Kleinbus, der vor einiger Zeit wohl in einem Film mitgespielt hat und daher sehr gut erhalten ist. Anschließend haben wir uns erst dem alten Lokschuppen gewidmet, der am Ende der ehemaligen Pereslawler Schmalspurbahn stand. Dort konnten drei Lokomotiven untergestellt werden und heute stehen dort zwei Dampflokomotiven - eine davon wurde 1950 von der Firma Lokomotivbau Karl Marx in Babelsberg gebaut und steht dort in perfektem Zustand und so, als würde sie gleich losfahren können. Daneben stand eine weitere Dampflokomotive etwas hinter eine Hubbühne. Auch ihr Zustand war in Ordnung, aber leider stand sie viel zu weit hinten, als das man hätte schöne Fotos machen können. Und in der dritten Halle wurde gerade der Wasserkasten einer weiteren Schmalspurdampflokomotive hergerichtet. Diese Dampflok wird gerade aufgearbeitet. Im Außengelände steht eine weitere recht gut aufgearbeitete Dampflok sowie ein paar Lokomotiven, die noch zur Aufarbeitung anstehen - sofern dies noch möglich ist. Darüber hinaus kann man dort einige Güter- und Personenwaggons, Baufahrzeuge, Draisinen und andere "Kleinfahrzeuge" besichtigen. Dort ist es auch möglich, auf einer etwa 500m langen Strecke selbst auf einer Handdraisine zu fahren, was sehr viel Spaß gemacht hat und ebenso anstrengend ist. Beim ersten Mal war es ein "Familienausflug" und auf der Rückfahrt haben Mashas Vater und ich so richtig Gas gegeben. Bei einem zweiten Mal bin ich mit Masha alleine gefahren und wir sind ein wenig weiter als die Stopp-Schilder durch das Gras gefahren, bis wir vor einem Sperrbalken dann letztlich stoppen mussten. In dem kleinen Kiosk dort kann man sogar Eisenbahnbücher und -Zeitschriften kaufen. Ich habe mich dort gleich ein wenig eingedeckt, habe ich in Moskau doch bislang nichts dergleichen in einer großen Buchhandlung gefunden. Auf der Fahrt nach Pereslawl Salesskij haben wir am Pleschschewo-See eine kurze Pause eingelegt, weil man dort das erste Schiff von Peter dem Großen bestaunen kann - sofern man dafür recht viel Eintritt bezahlen möchte. Das wollten wir dann doch nicht und wir haben auf dem kleinen Markt, der den Weg dorthin säumte, ein paar Souvenirs gekauft. Ein paar davon werden sicherlich ihren Weg nach Deutschland finden. Von der Anhöhe konnte man sehr schön auf den See sehen und dort ein paar Klöster entdecken, die sich rundherum in Ufernähe befinden. Das nächste Ziel war ein Teekessel-Museum - ein kleines und buntes Holzhaus mit vielen Exponaten aus vergangenen Zeiten. Die Exponate waren bei weitem nicht nur Teekannen und -Zubehör, sondern vielmehr ein Querschnitt durch den Haushalt bis sicherlich Mitte der fünfziger Jahre oder später. So gab es beispielsweise Schuhknechte, einen Schnapsbrenner, eine Mückenfalle und allerlei andere Dinge zu sehen. Zum Schluss wurde uns ein alter Plattenspieler vorgeführt. Darauf hin ging es zu einer Stalowaja, in der wir sehr günstig etwas zu Mittag essen konnten. Dort habe ich eine Sommersuppe gewählt und war sehr verwundert, dass sie kalt war. Doch dafür schmeckte sie sehr frisch und sehr gut. Zudem gab es dort frisches und richtig leckeres Brot, von dem wir noch ein wenig nachgekauft haben. Letztlich sind wir alle für 330 Rubel satt geworden und wir Mashas Vater richtig sagte: "Das ist lächerlich." - damit meinte er selbstverständlich den günstigen Preis. Auf der Rückfahrt haben wir erst am alten Kreml angehalten, der in der Nähe des alten Stadtwalls und kleinen Flusses steht. In Russland sind Stadtwälle sehr selten, da viele von ihnen abgetragen wurden. Von dem Kreml sind noch drei Kirchen übrig geblieben, von denen ich jedoch nicht weiß, ob sie zurückgegeben wurden. Eine schien immer noch ein Lager und stark renovierungsbedürftig zu sein. Dort in der Nähe stand die sehr alte Christi-Verklärungs-Kirche, die von 1152-1157 gebaut wurde - sie ist eine der ältesten Kirchen Russlands. Sie ist ein Museum und wir hätten Eintritt bezahlen müssen. Beim Blick durch die Türe konnten wir aber nur eine 08/15-Ikonostase und sonst überhaupt kein Ausstellungsstück sehen, so dass wir dort nicht hineingegangen sind. Nach dem Kremlaufenthalt und dem Blick vom Wall, von dem ich verzweifelt versucht habe, die drei Kreml-Kirchen zusammen zu fotografieren, was aber an einem einzigen Baum gescheitert ist, sind wir in das Nikolskij-Frauenkloster gefahren, dass aus dem 14. Jahrhundert stammt. Es ist ein wunderschön hergerichtetes und renoviertes Kloster, dass mit den Blumen und dem schönen Glockenturm eine wirkliche Augenweide ist. Auch die Kirche ist recht schön von innen. Allerdings sitzt dort eine unfreundliche Nonne im Verkaufsstand, die offensichtlich gerne schimpft und Masha in jedem zweiten Satz gesagt hat, dass sie einen Rock anziehen soll. Zudem wusste sie nicht, wessen Martyrium in mehreren Ikonen auf der Ikonostase abgebildet ist - an der Stelle, an der in der Regel die zwölf großen Kirchenfeste zu finden sind (wenn genug Platz da ist). Aus der Seitenkapelle wurden wir dann herausgeschmissen, obwohl sie vorher noch geöffnet war. Zudem war dort eine Ikone des Hl. Nikolaus von Myrra in orthodoxen Stil gemalt, allerdings mit lateinischen Buchstaben beschriftet - eine weitere Besonderheit, die Masha aufgefallen ist. Nach dem Klosterbesuch haben wir noch einen kleinen Kwaß-Stopp eingelegt und sind dann in Richtung Moskau zurück gefahren. Dort angekommen wurden wir an einer Metro-Station ausgesetzt und Masha und ich haben für mich noch Gummistiefel gekauft, die ich vielleicht im Dorf in der nächsten Woche gebrauchen werde. Sie haben nur 305 Rubel gekostet und nun bin ich sehr gespannt, wo der Haken an der Sache ist. Das Sportgeschäft machte sonst einen eigentlich sehr seriösen Eindruck.

Gegen Abend bin ich dann zurück ins Wohnheim zu fahren, damit ich meine Sachen waschen kann. Für morgen hatte ich eigentlich zwei Maschinen verplant, doch heute Abend war sie schon frei - machte aber auch wieder Probleme: Sie scheint jetzt einen Programmfehler zu haben und hat anstelle des Halbstundenprogramms ein zweistündiges abgespielt, so dass ich erst gegen ein Uhr ins Bett gekommen bin. Dementsprechend hatte ich genügend Zeit, das Tagebuch für den heutigen Tag zu verfassen.

 

Tornadoschäden im Wald bei Peresawl Salesskij.

 

Alte Militärfahrzeuge aus dem zweiten Weltkrieg, überwiegend russischer Bauart.

 

Die aufgearbeitete Кп4-469.

 

In der Halle steht die Гр-269.

 

Altes Eisen, das bis zur Aufarbeitung hoffentlich noch durchhält. Es ist die alte ВП4-2120.

 

Lokomotive 157-5474.

 

Lokomotive in Aufarbeitung.

 

Lok 469.

 

Diesellokomotive ТЧ4 1984.

 

Passagierdraisine ПД1.

 

Passagier-Autodraisinie.

 

Arbeitsdraisine МД54-4-1547.

 

Arbeitsdraisinie ТЧД6 0165.

 

Schneepflug.

 

Arbeitsdraisine.

 

Aus Auto mach Draisine lautete hier das Motto...

 

Ein kleiner Ausstellungsraum, der fast wie eine alte Bahnhofsstube aussieht.

 

Draisine fahren mit Vollgas!

 

Blick auf den Pleschschewo-See.

 

An dieser Stelle ist das erste Boot von Peter dem Großen ausgestellt.

 

Im Teekannenmuseum.

 

Das alte Goritskij-Kloster, das heute ein Museum ist.

 

Die Kreml-Kirchen von Pereslawl Salesskij:

Die Vladimir-Kathedrale von 1740er Jahre.

 

Die Metropolit-Pjotr-Kirche - erbaut 1584.

 

Eine der ältesten Kirchen Russlands steht im Kreml in Pereslawl Salesskij - die Christi-Verklärungs-Kirche, die zwischen 1152 und 1157 erbaut wurde.

 

Der Glockenturm im Nikolskij-Kloster.

 

Die Kloster-Kathedrale St. Nicolai.

 

 

Samstag, 20.06.2009

Um sieben hat der Wecker schon geklingelt und ich wollte die erste Maschine Wäsche waschen. Das hat nicht geklappt, weil einer kurz vor mir seine Wäsche dort hineingepackt hat. So musste ich bis kurz vor neun warten und habe die Zeit zum schlafen genutzt. Nachdem die Waschmaschine frei war und sie mit meinen Klamotten munter vor sich hinspülte und -schleuderte, bin ich einkaufen gegangen, habe dann gefrühstückt und am Tagebuch geschrieben und Bilder eingefügt. Kurz nach elf Uhr war die Wäsche dann fertig und ich habe sie wie üblich über die Gardinenleiste zum trocknen gehängt und bin dann zur Bahnstation gelaufen. Für den heutigen Tag war ja keine so lange und große Tour geplant, sondern nur Butovo, das etwas außerhalb von Moskau liegt. Der Zug war sehr spät und hatte mehr als 15 Minuten Verspätung. In Zarizino ist Masha zugestiegen und in Butovo angekommen mussten wir uns zunächst orientieren. Nachdem wir eine ganze Menge Leute gefragt haben, wussten wir den Weg dorthin. Er führte durch einen schönen Wald, in dem es zwar recht dreckig aber auch trocken vor dem einsetzenden Regen war, der uns dann den ganzen Tag dort mal mehr und mal weniger stark verfolgen sollte. Dafür hatte der Wald einen anderen Nachteil: Die Mücken dort waren sehr gefräßig und ständig piekste es irgendwo. An der Gedenkstätte der neuen Märtyrer angekommen sind wir erst in die große Kirche gegangen und anschließend auf das Gelände der eigentlichen Gedenkstätte. Dort steht auch eine kleine Holzkirche mit einem Ofen Marke "Bullerjan" drin, doch wegen einer Taufe wurden wir von der Verkaufsdame aus der Kirche hinausgeworfen. Das ist das erste Mal, dass mir das in Russland passiert ist, dass ich aus einem Gotteshaus herausgeworfen worden bin. Auch Masha war schockiert. Eigentlich wollte ich mich noch bei dem Priester beschweren, doch wir hätten dann noch recht lange im Regen warten müssen. Die Gedenkstätte besteht also aus der Holzkirche, einem Holzkreuz und einer Menge Gedenktafeln, an denen überwiegend kirchliche Personen aufgeschrieben sind. Das Feld, das heute wie ein schöner Park aussieht, hat kleine Anhebungen, die die Massengräber symbolisieren sollen oder gar sind. Hier, an dieser Stelle, wurden zu Sowjetzeiten insbesondere in den Jahren 1937/1938 eine große Menge Menschen erschossen, die dem kommunistischen Regime als feindlich galt. Die Wurzeln der Gedenkstätte liegen darin, dass ein Priester dort hingekommen ist, um für seine dort erschossenen Familienangehörigen das Totengedenken, die Panichida, zu beten. Es gesellten sich immer mehr Leute dazu und bald wurde klar, dass sich an diesem Ort viele Menschen eine Gedenkstätte und einen Ort zum beten wünschen. Nach dem Besuch haben wir direkt beim Bahnhof in einem günstigen Restaurant sehr gut und lecker gegessen und sind anschließend mit dem Zug nach Moskau gefahren, wo ich mein Geburtstagsgeschenk, die verzierte Osterikone verpackt habe. Sie ist jetzt schon gut gepolstert, ich will sie aber noch gründlicher verpacken, so dass nichts schief gehen kann. Ich hoffe nur, dass am Flughafen bei der Abreise keiner auf die Idee kommt und möchte das Ding sehen. Dann ist erst einmal eine Zeit lang auspacken angesagt und zudem wäre die Arbeit umsonst, da sie nicht als Kulturgut gilt. Nach dem Verpacken und einem Abendessen war ich kurz in dem Abendgottesdienst in der Nikolaikirche und anschließend noch in der von Vater Alexej, um kurz mit ihm einen Besprechungstermin für meine Hausarbeit auszumachen. Und abends im Wohnheim habe ich weiter meine Sachen verpackt und muss nun doch wieder Angst haben, dass ich Übergewicht habe, weil die Ikone recht schwer ist. Ich kann nur noch 17kg zuladen, das ist nicht sonderlich viel wenn ein Laptop dabei ist. Im Notfall muss ich vielleicht doch noch ein Paket schicken, was ich aber nicht hoffen will.  

 

Die kleine Kirche, aus der wir herausgeworfen worden sind, nur weil dort eine Taufe war.

 

Hier war früher der Schießplatz - Massengräber.

 

Gedenkkreuz und Gedächtniskirche außerhalb der eigentlich Gedenkstätte.

 

Die Gedenktafeln.

 

 

Sonntag, 21.06.2009 - Fest aller Heiligen Russlands

Am Morgen habe ich zunächst meine Sachen nach Masha gebracht - einerseits die Sachen, die ich in der nächsten Woche benötigen werde, wenn wir im Dorf sind und dann ein paar Haushaltsgegenstände, die ich bei Masha einlagern kann und hoffe, dass ein zukünftiger DAAD-Student sie mir günstig abkauft. Somit ist es heute in meinem Zimmer wieder ein wenig leerer geworden - außer ein paar Kartons und Wäsche ist dort eigentlich nichts mehr zu finden. Alles sieht nun also danach aus, dass ich die Zelte sehr bald abbrechen werde(n muss). Nachdem ich den schweren Rucksack bei Masha abgestellt hatte, bin ich mit ihr zur Göttlichen Liturgie gegangen, die mit fast 40-minütiger Verspätung anfing. Anschließend haben wir gemeinsam für mich Schuhe gekauft - sie sind hier in Russland ja wesentlich günstiger. Anschließend haben wir Lebensmittel fürs Dorf eingekauft, die wir dort hoffentlich alle essen werden, denn der Rucksack, den ich nach dem Essen gepackt habe, ist doch sehr schwer. Anschließend haben wir noch versucht, die beiden kleinen Katzen zu verkaufen und sind dazu in die Metro gegangen und haben uns dort hingestellt. Der erste Mann, der fragte, kam uns nicht vertrauenswürdig zu und der zweite, der kam, war der Wachmann, der uns aus der Station hinausgebeten hat. So sind wir zur Station Tretjakovskaja gefahren, wo wir dann allerdings im Durchzug gestanden haben und den Katzen kalt geworden ist. Etwas mehr Erfolg hatten wir im Durchgang zwischen den Stationen Ochotnij Rjad und Theatralnaja: dort fragte zunächst ein Mann, dem wir dann eine Telefonnummer gegeben haben und anschließend eine Frau mit ihrer Tocher, die sich eine Katze wünschen, das zu Hause aber noch besprechen wollen. Hoffentlich nehmen sie die Katzen, denn man muss beim Verkaufen immer auf die Miliz achten. Am Abend habe ich die Tasche noch einmal neu gepackt und die Ikone zu Ende verpackt: Sie ist jetzt von einem Karton umschlossen, jeder Menge Klebeband, meiner Sommerdecke, eine Schicht Lebensmittelfolie und letztlich mit 15m von der Blasenfolie. So dürfte es hoffentlich heile ein Deutschland ankommen - vorausgesetzt, dass der Zoll keine Schwierigkeiten macht.

 

 

Montag, 22.06.2009

Nach dem Aufstehen haben wir die restlichen Sachen gepackt und haben uns mit zwei schweren Rucksäcken zum Savjolovsker Bahnhof aufgemacht und sind dann ins Dorf gefahren. Bis Savjolovo war es eine gewöhnliche Elektritschka und dann ging es mit einer Kukuschka weiter. Das ist ein kleiner Zug, der auf einer Art Nebenbahn verkehrt. In diesem Fall ist es eine sechsachsige Diesellok mit zwei Waggons dahinter, die alle Sitzplätze haben. Nachdem wir die Tickets für den Zug gekauft haben, haben wir uns in den Zug gesetzt und nach etwa zwanzig Minuten Wartezeit ging es dann im gemütlichen Blumenpflücktempo los. In Kaljasin gab es einen längeren Zwischenstopp und dann ging es noch langsamer weiter. In Vyßokoje zeigte sich mir dann eine Station, die kaum als solche zu erkennen ist. Dort steht im hohen Gras eine verwitterte Sitzbank, ein altes, verrostetes Schild zeigt den Bahnhofsnamen und ein paar Meter weiter steht noch ein altes Bahnhofsgebäude, das kaum zu sehen ist. Einen Bahnsteig gibt es nicht, einen Fahrplan auch nicht und Wege sind auch kaum zu erkennen. Nach etwa 40 Minuten Fußweg auf einer Sandpiste sind wir dann im Dorf angekommen. Es liegt direkt an der Wolga und besteht aus ein paar Holzhäusern. Nachdem wir die Gartenpforte geöffnet haben, begrüßte uns ein Grasfrosch, der aufgeregt vor dem Eingang hüpfte und versuchte, die Treppe zu erklimmen. Das ist ihm leider nicht gelungen. Nachdem wir die Rucksäcke soweit ausgepackt haben, sind wir erst in der Wolga baden gegangen. Der Strand ist keine zwei Minuten vom Haus entfernt und um schneller ins tiefere Wasser zu kommen, gibt es dort einen recht langen Steg. Das Wasser war noch recht frisch, so dass wir nicht lange im Fluss waren. An uns zog ein großes Passagierschiff vorbei, die dort wohl recht oft fahren. Nach dem Bad haben wir eine Kleinigkeit gegessen und vorher hatten die Handwerke die Pumpe im Brunnen repariert. Während dem Essen lief das Wasser in den Boiler und dann ging die Katastrophe los. Als genug Wasser im Kessel hat Masha die Druckpumpe eingeschaltet und prompt sind in der Küche zwei Anschlüsse gebrochen, so dass das Wasser nur so aus dem Fußboden sprudelte. Ich habe ein Loch notdürftig flicken können und auf das andere habe ich fest meinen Daumen draufgehalten - so lange, bis das gesamte Wasser - etwa 500 l - zurück in den Brunnen geflossen war bzw. durch die Dusche, Toilette und alle anderen funktionierenden Anschlüsse ins Abwasser. Das hat etwa 20-30 Minuten gedauert. Mit einer Hand habe ich versucht, die Überschwemmung mit einem Lappen zu mildern und mit der anderen Hand das Rohr zugehalten. Den Lappen haben ich immer über einem Kochtopf ausgewrungen, der in der Nähe stand. Als Masha ihn ausleeren wollte, mussten wir feststellen, dass da auch noch ein Loch drin war. Nach der Behebung der Überschwemmungskatastrophe habe ich im Garten etwas Gras gemäht - den Weg zum Brunnen, zur Toilette und zum anderen Haus freigemacht. Nach dem Abendessen haben wir uns noch den Sonnenuntergang an der Wolga angeschaut, der einfach nur herrlich war, wären die ganzen Mücken nicht gewesen. Einige waren sogar so hungrig, dass sie dem russischen Mückenspray widerstanden haben.

 

Ankunft in Vysokoe

 

Die Bahnstation - wo der Mann steht, soll eine Art Bahnsteig sein...

 

Im Dschungel.

 

Sonnenuntergang an der Wolga...

 

...einfach unvergesslich!

 

 

Dienstag, 23.06.2009

Man stelle sich vor, dass der Text von einer langsam sprechenden und rauchigen Stimme vorgelesen wird:

Es ist Mittag. Mitten im Herzen von Russland - an einer gottverlassenen Bahnstation. Vier Laternen, zwei Bänke, ein zerfallener Bahnsteig und ein Ortsschild, dessen Name Programm ist: Высокое (Vyßokoje)10 Und sonst nur Bäume und hohes Gras. Und jede Menge surrende und beißende Mücken.11 Auf dem einzigen Gleis - kein Zug. Zwei Menschen warten. Warten auf den einzigen Zug des Tages. Am Horizont verschinden die Gleise in der schummernden Hitze. Und sonst nur das Rauschen des Waldes und das gefährliche Summen der Mücken.12

So in etwa endete heute unser geplanter Ausflug nach Uglitsch. Wir sind etwas mehr als eine halbe Stunde zur kleinen Bahnstation gelaufen und haben dort dann knapp über eine Stunde auf den einzigen Zug des Tages gewartet, der dann nicht gekommen ist. So ist unser Ausflug nach Uglitsch ausgefallen und wir sind resigniert wieder zurück ins Dorf gelaufen. Dort haben wir erfahren, dass der Zug am Dienstag und Donnerstag nicht fährt. Und auch sonst soll es häufiger Unregelmäßigkeiten geben. Wir haben mit einer Bekannten von Masha ausgemacht, dass wir eine kleine Bootstour auf der Wolga mit zwei ihrer Söhne machen. Nachdem wir unsere Sachen gewechselt haben, sind wir zu dem Anleger gegangen und dann ging es nach einigen Paddelschlägen im seichten Wasser auch schon los. Das Ziel war ein kleiner Strand etwas abseits vom Dorf, wo man prima auch mit kleinen Kindern baden gehen kann. Das haben wir dann auch gemacht - das Wasser war recht angenehm warm und doch schön erfrischend. Die Mutter der beiden Jungs hat uns selbstgemachten Saft und ein paar Kekse mitgegeben, so dass wir sogar ein wenig Picknick machen konnten. Wir haben aus dem Wald, der direkt an der Wassergrenze ist, ein paar Baumstämme geholt und konnten da gut drauf sitzen. An der Stelle hat mir die Wolga besonders gut gefallen - der Strand mündete sofort am Waldrand, so dass einige Stellen des Strandes sogar vom Schatten der Kiefern und Buchen bedeckt war. Auf der anderen Uferseite war eine halb renovierte Kirche gut zu sehen - vor allem der Glockenturm ohne die Spitze. Nach einer Zeit sind wir wieder zurückgefahren und ich habe weiter das Gras rund ums Haus gemäht, bin aber nicht so weit gekommen, wie ich wollte. Am Abend nach dem Abendessen sind wir noch einmal an die Wolga gegangen, um den Sonnenuntergang wieder zu beobachten und wieder war er einmalig schön. Mittlerweile hoffe ich sehr, dass wir noch viele schöne Sonnenuntergänge hier beobachten können.

Der Morgen verlief eigentlich recht ruhig: Nach dem Aufstehen und einem Bad in der noch kalten Wolga habe ich angefangen, das gestern gemähte und halb getrocknete Gras auf einem kleinen Haufen zu sammeln. Diese waren nachher größer, als ich dachte. Irgendwann kam der Handwerker vorbei, der den Anschluss repariert hat. Mit ihm habe ich mich noch ein wenig auf Russisch unterhalten und auch er kannte noch etwas die Deutsche Sprache. Er hat zum Ende der Sowjetzeit hin in Neuruppin und Potsdam in der Armee gedient. Als er sah, wie ich Essen gekocht habe, hat er die ganze Zeit versucht zu erraten, was ich dort mache. Nudeln war für ihn noch einfach, als ich die aber in die Pfanne getan habe zusammen mit Zucchini, Tomatenmark, Ketchup und Gewürzen, ging ihm die Phantasie langsam aus - es war aber noch genügend da, um mir Tipps zu geben, was ich dem noch zufügen könnte. Letztlich habe ich ihn zum Essen eingeladen und just in dem Moment wollte er gehen. Nach einer Kostprobe fand er das Essen auch lecker - allerdings wäre es nach seiner Meinung nach mit Zwiebeln besser gewesen. Und nach dem Essen sind wir - wie geschrieben - zu der Bahnstation gegangen.

 

Die gottverlassene Station.

 

Wolgaufer mit viel Wald.

 

Russische Palme.

 

Am Wolgastrand.

 

Die Kirche in dem Dorf.

 

Die Kirche im Ort gegenüber.

 

Sonnenuntergang.

 

 

Mittwoch, 24.06.2009

Nun geht der Dritte Tag hier zu Ende - wieder mit einen so schönen Sonnenuntergang wie an den letzten beiden Tagen. Am Nachmittag hat sich der Himmel bewölkt und die Sonne ist verschwunden und seitdem hat sich nichts geändert. Der Tag war heute wieder schön, auch wenn es nicht viel zu berichten gibt: Am Morgen bin ich aufgestanden und bin dann direkt nach draußen gegangen, um das Gras zu mähen. Gegen Mittag sollte dann ein Lebensmittelauto ins Dorf kommen. Kurz nach neun kam ein größeres Auto vorbei und ein paar Augenblicke später läutete eine Glocke. Für mich war die Wahrscheinlichkeit groß, dass das schon das Versorgungsauto ist und habe Masha holter-di-polter geweckt. Die sagte dann nur, dass das nicht sein könne und so war es dann auch. Der Transporter kam dann später - etwa gegen halb drei. Dort kann man so ziemlich alle Lebensmittel kaufen, die ein Haushalt benötigt. Es sind auch ein paar Saisonartikel wie zum Beispiel Kirschen mit dabei. Vor dem Wagen standen dann in einer Schlange jede Menge meist ältere Frauen und die Verkäuferin mit ihrem Fahrer hatte viel zu tun. Den restlichen Tag habe ich eigentlich damit verbracht, auf dem Grundstück das Gras und jede Menge anderes Unkraut wie Brennnesseln mit der Elektrosense zu mähen. Zunächst habe ich im Schatten gearbeitet dann irgendwann in der Sonne, ohne dass es mir richtig bewusst geworden ist. Dadurch habe ich mir einen schönen Sonnenbrand geholt, den wir mit Kefir bekämpft haben. Gegen halb sieben haben wir uns dann zum Bootssteg aufgemacht, wo wir dann gemeinsam baden gegangen sind. Ich habe etwas Shampoo mitgenommen, um mir in der Wolga die Haare zu waschen. Anschließend haben wir erst heißen Tee getrunken, weil uns doch etwas kalt war. Danach habe ich einen Kartoffelauflauf gemacht und wir haben uns den Sonnenuntergang angeschaut.

 

Lichtspiegelungen.

 

Himmelsfarben.

 

Sonnenuntergang am Mittwoch.

 

Wolgaabend.

 

 

Donnerstag, 25.06.2009

Der Abschied von Russland und all dem, was ich hier so lieb gewonnen habe, liegt kalendarisch so unvorstellbar nahe. In Wirklichkeit habe ich vielleicht noch gar nicht realisiert, dass ich am Dienstag, also in fünf Tagen, schon Abschied nehmen muss. Ich habe es ein Stück weit ausgeblendet und denke da fast gar nicht drüber nach. Die Vorstellung, schon sehr bald wieder in Deutschland zu sein, kommt so fremd vor, so unglaubhaft. Als ich am Sonntag mit meiner Mutter telefoniert habe, fragte sie mich in froher Erwartung und Fröhlichkeit in der Stimme, ob ich mich schon freuen würde. Sie erwartete mit Sicherheit ein "Ja!" zur Antwort, das ich ihr dann aber nicht geben konnte. Meine Antwort lautete: "Nein, eigentlich nicht so richtig." Und in den Briefen, die ich ab etwa Mai geschrieben habe, habe ich oft geschrieben, dass ich so viel verlassen muss: Die gewohnte und so lieb gewonnene Universität und deren Studenten, das Wohnheim mit seinen Mitbewohnern, meine Freunde hier, die orthodoxe Gemeinde St. Nicolai und generell die schönen Göttlichen Liturgien, das so günstige und leckere Speiseeis, Moskau (so nervig es auch oft ist) und die Umgebung (wo man so tolle Ausflüge hin machen kann) und noch vieles mehr. Der Abschied wird mir von meiner russischen Familie und vor allem von Masha am schwersten fallen. Dann kommt schon sehr bald die Zeit der Trennung - eine sehr schwere Zeit bricht dann an, die ich doch mit viel Zuversicht angehen will. Ein weiteres Zeichen dafür, dass der Abschied in so weiter Ferne liegt, ist, dass ich mich nur recht flüchtig von Mashas Bruder Kolja verabschiedet habe und es gar nicht weiter im Tagebuch erwähnt habe. Er ist jetzt schon in einem orthodoxen Ferienlager irgendwo an der Wolga. Auch jetzt beim Schreiben des Tagebuches ist alles immer noch so weit weg. Mehr als der Abschied beschäftigt mich eigentlich, wie ich die Ikone gut durch den Zoll nach Deutschland bekomme - verpackt ist sie ja nun. Und doch: Auf das Wiedersehen meiner Familie und Freunde freue ich mich.

Nun zu dem heutigen Tag - was habe ich gemacht? Eigentlich so gut wie nichts als Urlaub und lange geschlafen, eine ganze Zeit ein paar Eisenbahnbilder in die Eisenbahnsparte dieser Homepage eingefügt, die CD von der Pomolvka für meine Eltern übersetzt und dann hat Masha mir noch ihr Haus gezeigt, das ein paar hundert Meter von hier entfernt liegt. Und dort haben wir ein paar Pläne gemacht, was man mit dem Haus anfangen kann und wie es gut einzurichten ist. Anschließend sind wir wieder zurück gegangen und haben Essen gemacht. Nach dem Essen sind wir noch einmal zu ihrem Haus herüber gegangen, um die Fenster auszumessen, um Gardinen kaufen zu können. Währenddessen habe ich einen Baum ausgebuddelt, der direkt vor der Toilettentüre auf dem Grundstück gewachsen ist und den Zugang dorthin versperrt hat. Erst habe ich ihn wieder an anderer Stelle eingepflanzt, doch der Nachbar meinte, dass das nicht nötig sei, da sie sich sehr schnell vermehren würden. So habe ich ihn zur "Uferbefestigung" an der Wolga benutzt und das Steilufer hinabgeworfen. Anschließend sind wir noch von eben den Nachbarn eingeladen worden zum Tee. Wir haben dann bis in die Nacht dort gesessen und viel erzählt. Es war letztlich ein sehr schöner Abend und ich wurde sanft gezwungen, einen selbst gebrannten Schnaps zu probieren. Der schmeckte zwar recht gut, aber viel wollte ich davon auch nicht trinken. In der Mittagszeit waren auch Handwerker da, die die Wasserpumpe reparieren wollten, aber für jedes Ersatzteil wieder weggefahren sind. Zwischendurch haben wir den Sonnenbrand mit Kefir eingeschmiert, so dass Rücken und Schultern am heutigen Abend so gut wie gar nicht mehr schmerzen.

Schließlich gab es an diesem letzten Abend im Dorf an der Wolga leider keinen Sonnenuntergang, weil der Himmel den ganzen Tag über bedeckt war und es zeitweise auch geregnet hat. So haben wir eigentlich den ganzen Tag im Haus gesessen. Gegen Morgen bin ich auf der Suche nach einer Möglichkeit das Haus ohne Ofen zu wärmen fündig geworden: In der Toilette hing ein Heizlüfter, den ich einfach ins Wohn- und Esszimmer gestellt habe und es dauerte nicht lange, da war es schon warm.

 

 

Freitag, 26.06.2009

Nun sind wir leider schon wieder auf der Rückfahrt aus dem Dorf in die große Stadt Moskau und sehr bald schon wird es mit der erholsamen Ruhe zu Ende sein. Am Himmel ziehen schon die ersten dunklen Wolken auf und der Wetterbericht aus Moskau scheint zu stimmen. Den Tag haben wir noch einmal in Ruhe genossen und erst einmal ausgeschlafen. Gegen zehn Uhr bin ich dann aus dem Bett gestiegen und habe das Tagebuch vom gestrigen Tag geschrieben. Die Sonne schien und es schien ein ebenso schöner Tag zu werden. Nach dem Frühstück habe ich noch etwas an meinem Railsim-Programm herumgearbeitet und kurz darauf kam auch Masha. Zwischendurch habe ich noch die beiden kleinen Holzkirchen des Dorfs fotografiert, die schon fast majestätisch über der Wolga thronen. Wir haben die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges damit verbracht, in der Sonne zu liegen, das Haus aufzuräumen, etwas zu essen und wir waren noch zwei Mal in der Wolga baden. Das erste Mal war es recht kalt, weil just in dem Moment die Sonne nicht schien. Kurz vor dem Abmarsch aus dem Dorf zur Bahnstation war das Wasser dann schön warm. Bei einer Bekannten von Masha haben wir die restlichen Lebensmittel abgegeben und sind dann zur bereits beschriebenen Haltestelle gegangen. Dieses Mal kam der Zug und es war ein recht Interessanter: Die Diesellokomotive hatte fünf Waggons am Haken - ein paar davon waren Schlafwagen. Allerdings war der Zug fast 20 Minuten zu spät. In Kaljasin gab es dann eine interessante betriebliche Situation, die ich mir erst gar nicht erklären konnte. Es kam ein zweiter Zug mit drei Waggons in den Bahnhof aus der Gegenrichtung gefahren. Die Lokomotiven vom Gegenzug wurde abgekuppelt und an das Ende unseres Zuges gesetzt, hat drei Waggons abgenommen und an das Ende bzw. Anfang ihres Zuges gesetzt. Dann kuppelte sie wieder ab und fuhr recht dicht auf unseren Zug auf. Wir fuhren los und sie langsam hinterher, bis sie dann im Weichenvorfeld des Bahnhofs stehen geblieben ist. Des Rätsels Lösung ist: Der Zug aus Savjolovo fährt weiter nach Sonkovo und muss so oder so in Kaljasin Kopf machen, das heißt einmal um den Zug drumzu, um dann in entgegen gesetzter Richtung weiterfahren zu können. Dabei hat sie drei Waggons von unserem aus Uglitsch kommenden Zug mitgenommen. Die letzten drei Waggons waren also nichts anderes als Kurswagen. Interessant ist die Strecke von Savjolovo so oder so: Hier verkehrt außer Dienstags und Donnerstags ein Zugpaar nach Uglitsch und zusätzlich Montags, Mittwochs und Freitags ein Nachtzugpaar von bzw. nach Moskau. So hat diese Waldbahn, die Kukuschka (Kuckkuck) genannt wird, tatsächlich noch Fernverkehr zu bieten. Der Einstieg an den Bahnstationen gestaltet sich jedoch recht schwierig: Nicht immer hält der Zug direkt am Bahnsteig und so ist die erste Stufe dann sehr hoch. Masha hatte mit dem Rucksack leichte Probleme dort hinaufzuklettern, zumal auch noch der Griff fehlte. Beim Ausstieg habe ich einer alten Dame geholfen, die mir zuerst ihre Handwägelchen gegeben hat und anschließend die Hand. Sie war sehr dankbar, dass ich ihr die Hilfe angeboten habe. Die Situation für alte Leute und solchen mit Gehproblemen ist in Moskau und besonders in ganz Russland völlig katastrophal. Es gibt mittlerweile zwar Niederflurbusse, aber selbst der Weg für einen Rollstuhlfahrer dorthin wäre nicht zu bewältigen: Es gibt kaum abgesenkte Bürgersteige auf den Straßen, die Einstiege in Busse, Bahnen, Straßenbahnen usw. sind einfach sehr steil und viel zu hoch. Und auch die Metro ist kaum zu erreichen. Einige Stationen sind mit Rolltreppen erreichbar, aber irgendwo versperren normale Treppen dann Rollstuhlfahrern wieder den Weg oder machen alten Menschen den Weg schwer. Beim Kursker Bahnhof gibt es zwar eine Rampe in den "Keller", wo es dann sogar vereinzelt Aufzüge gibt zu den Bahnsteigen, aber um die Rampe vor dem Bahnhof zu erreichen, muss eine hohe Bürgersteigkante erklommen werden. Und auch ein Ticket könnte der Rollstuhlfahrer nicht ohne Hilfe kaufen, da die Schalter zu hoch sind. Dazu kommt, dass wenn er in der Elektritschka sitzt, an längst nicht jeder Station aussteigen kann, da sie kein gleiches Niveau haben oder wiederum an Treppen von den Bahnsteigen scheitern. An für sich werden Behinderte in Russlands Gesellschaft und Leben völlig ausgeklammert und ausgeschlossen - als würden sie nicht existieren. Dementsprechend sieht man auch kaum Behinderte auf den Straßen und Plätzen, wohl aber alte Personen, die sich mit all ihrer verbleibenden Kraft die Treppen heraufquälen. Ich habe zwar schon von Behinderteneinrichtungen gehört, aber nur im äußerst schlechten Sinne, wo diese Menschen mehr oder weniger eingesperrt sind und vor sich hinvegetieren. Als ich diesen Text geschrieben habe, hat Masha von Häusern erzählt, die behindertengerecht gebaut worden seien, aber auch sie sind kaum von Nutzen, wenn die Gesamtsituation mehr als mangelhaft ist.

 

 

Eine kleine Kapelle an der Wolga.

 

Die Dorfkirche.

 

 

Samstag, 27.06.2009

Nach dem Aufstehen habe ich mich als erstes in Mashas Zimmer geschlichen und die E-Mails der letzten Tage beantwortet und das Tagebuch ins Internet gestellt. Das hat schon eine gewisse Zeit in Anspruch genommen, da ich seit Sonntag ja nichts mehr in dieser Beziehung gemacht habe. Dabei hat sich herausgestellt, dass meine Rückkehr von einer Firma bei Münster schon sehnsüchtig erwartet wird: Sie scheinen wieder viel Arbeit für mich angesammelt zu haben. Nach dem Mittagessen bin ich mit Masha zu einem großen Flohmarkt gefahren in der Nähe der Station Partisanskaja. Dort ist eine Art Park, der aus einem nachgemachten Kreml besteht. Die ganze Anlage sieht aus wie das Russische Disneyland und machte auf mich einen sehr beengten Eindruck. Dennoch ist alles sehr bunt gemacht hat mich nicht nur an einen Kreml erinnert, sondern in gewisser Weise an einen Tempel einer fremden Religion aus dem Fernen Osten. Davor war ein großer Markt in Holzbuden untergebracht und im Kreml ein Flohmarkt, wo professionelle Händler und Laien ihre Sachen feilgeboten haben. Besonders auffällig war, dass man sehr alte und sehr große Ikonen kaufen konnte, die mit großer Sicherheit aus irgendwelchen Kirchen stammen - entweder ein jüngster Zeit gestohlen oder sie stammen noch von den sowjetischen Enteignungen. Einige stammen sicherlich auch aus alten Häusern von verstorbenen Personen. Masha und ich haben uns eine Ikone für 500 Rubel gekauft, die erst 1500 Rubel kosten sollte. Es ist eine alte Marienikone, die auf Holz gemalt ist und mit Sicherheit über100 Jahre alt ist. Daneben konnte man bei den Händlern alles Mögliche und Unmögliche kaufen: Altes Spielzeug, Militärabzeichen und Münzen, alte Haushaltsgeräte usw. Alles glich eigentlich einem normalen deutschen Flohmarkt in Deutschland. Sogar alte Modelleisenbahnen aus Deutschland habe ich gesehen - eine wäre sogar sehr billig zu haben gewesen. Darunter war eine Firma aus der ehemaligen DDR, von der ich noch nie gehört habe. Wir haben dort noch zwei kleine Geschenke gekauft, dazu für mich einen kleinen alten UDSSR-Eisenbahnatlas für 30 Rubel und für uns eine Lampe in Form einer kleinen Dampflokomotive. Wir sind gegen 16 Uhr wieder zurück gefahren, da ich gerne 17 Uhr in dem Abendgottesdienst sein wollte - es ist für dieses Jahr wahrscheinlich mein letzter und daher war es mir wichtig, ihn noch einmal in voller Länge erleben zu dürfen. Zudem musste ich mit Vater Alexej einen Termin ausmachen, wann ich mit ihm die Hausarbeit bespreche. Das wird am Montag um 15 Uhr der Fall sein. Während dem Gottesdienst habe ich noch Gisela getroffen, mit der ich mich morgen länger unterhalten werde. Nach dem Abendgottesdienst habe ich bei Masha noch ein paar Bratkartoffeln gemacht.  

Nach der Rückkehr im Wohnheim habe ich meine Sachen soweit zusammengepackt, dass ich morgen fast alles mitnehmen kann zu Masha. Dann bleiben hier noch noch die allerwichtigsten Sachen stehen, die ich nicht mitbekomme. Beim Packen bin ich natürlich beobachtet worden und ich habe versucht, dem ein oder anderen etwas in die Hand zu drücken, was ich nicht mehr gebrauchen kann. Das war letztlich gar nicht so einfach, weil natürlich alle Studenten ihren eigenen Kram haben. Wenn ich aber doch was losgeworden bin, dann wurde ich mit Gegengeschenken erschlagen, so dass ich jetzt kaum eine Gewichtserleichterung habe, die ich ja eigentlich erzielen wollte. Und nun sieht es von der Ostfriesland-Flagge abgesehen richtig kahl in meinem Zimmer aus, in dem ich jetzt nur noch zwei Male schlafen werde.

 

Der Kreml "Ismajlovskij-Park".

 

Der Markt vor dem "Kreml".

 

Gebäude im "Kreml".

 

Der "Kreml" im Ismajlovskij-Park.

 

Holzkirche im "Kreml".

 

Mühle mit Wachturm.

 

 

Sonntag, 28.06.2009

Nach dem Frühstück bin ich mit dem Großteil der restlichen Gepäckstücke nach Masha gefahren, wo ich sie zwischen gelagert habe. Damit sind im Wohnheim jetzt nur noch der Elektrokamin, ein Teller, ein Messer, eine Tasse und ein Löffel sowie Zahnbürste, Rasierapparat & Co. Somit ist jetzt nur noch eine Rucksackladung im Wohnheim zu finden. Das Gepäck habe ich dann bei Masha deponiert und bin gleich weiter zur Kirche gegangen, um ein letztes Mal in bei diesem Russlandaufenthalt in die Sonntagsliturgie zu gehen. Sie wollte ich vollständig miterleben, was mir auch gut gelungen ist. Zwischendurch bin ich noch einmal schnell nach Masha gehuscht, um den Artikel aus dem Kirchenboten zu holen - gestern hat mich ein Umschlag mit drei Exemplaren der Zeitung erreicht - gerade noch rechtzeitig. Einen davon wollte ich dem Hauptpriester und gleichzeitigem Rektor der Universität, Vater Vladimir geben. Der hat den Artikel entgegengenommen, aber nicht weiter angeschaut, weil er gerade die Kirchenbesucher gesegnet hat. Bei der Gelegenheit habe ich ihm noch einmal für die Studienmöglichkeit gedankt. Zudem habe ich mich von einigen Bekannten aus der Kirchengemeinde verabschiedet. Masha und ich haben dann etwas in der Stalowaja gegessen und sind anschließend zu ihr nach Hause gegangen, weil wir sehr müde waren. Aber dort bin ich selbst nicht zum Schlafen gekommen - zuerst habe ich das Gepäck sortiert und noch einmal abgewogen, so dass ich jetzt eine reelle Gewichtsangabe habe. Dementsprechend komme ich auf etwa 36kg. Die günstigste Variante für mich war jetzt, dass ich eine Bonuskarte kaufe und somit 10kg Gepäck mehr mitnehmen darf, so dass ich auf ungefähr +/- Null komme. Nach einigen Telefonaten war das dann geklärt. Masha und ich waren beide über die Freundlichkeit und Zuvorkommenheit des Servicepersonals erstaunt - sind wir doch aus Russland etwas völlig anderes gewohnt. Und während dem letzten Telefonat klingelte mein Handy und Yuri Valerjewitsch war dran. Masha hat mit ihm gesprochen und einen Treffpunkt ausgemacht zur Dokumentenübergabe. Ich habe mich mit ihm nach etwa einer Stunde in der Fakultät getroffen und wir haben uns noch gut eine Stunde unterhalten über mein Studium hier und welches Resultat ich gezogen habe bzw. bislang gezogen habe. Und für mich hat sich herausgestellt, dass ich doch Russisch gelernt habe, weil ich kaum nach Wörtern fragen oder sie umschreiben musste. Am Anfang des Studiums habe ich ihn ja kaum auf Englisch verstanden. Nach dem Treffen bin ich zurück nach Masha gegangen, wo wir dann unsere gemeinsamen Fotos ausgetauscht haben und wir waren beide erstaunt, wie viele schöne Bilder es schon von uns gibt und welch schöne und glückliche Zeit wir bislang erleben durften. Ich für mich muss ganz ehrlich sagen, dass ich Gott für diese Zeit unheimlich dankbar bin und ebenso dankbar, dass ich Masha kennen gelernt habe.

Nach wie vor gehe ich unheimlich gerne in die Göttliche Liturgie und die Vesper in der orthodoxen Kirche. Sie ist unvergesslich toll - da kann ich mich hinstellen, hören und beobachten und einfach alles um mich herum vergessen - alle Sorgen, die Zeit, den Stress, die Klausuren, das ist wirklich irgendwie, als wäre ich in einer anderen, total schönen Welt. Diese beginnt damit, wenn einer der Diakone, meistens ist es Vater Michael, aus der Ikonostase hervor und singt:
"Gib den Segen, Herr!"
Dann der Priester: "Gepriesen sei das Reich des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes, jetzt und allezeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit."
Der Chor: "Amen."
D(iakon): "In Frieden lasset uns beten zum Herrn." (In kirchenslawisch: Mirom Gospodu pamolimsja." - alles ist in kirchenslawisch)
C(hor): "Herr, erbarme Dich." (Gospodu pomiluj)
D: "Um himmlischen Frieden und das Heil unsrer Seelen, lasst uns beten zum Herrn."
C: "Herr, erbarme Dich."
D: "Für den Frieden in der Welt, das Wohl der Heiligen Kirchen Gottes und die Einheit aller, lasset uns beten zum Herrn."
C: "Herr, erbarme Dich."
D: "Für dieses Heilige Haus und alle, die es mit Glauben, Frömmigkeit und Gottesfurcht besuchen, lasset uns beten zum Herrn."
C: "Herr, erbarme Dich."
D: "Für den seligen Patriarchen Kyrill, für die Bischöfe, den Priesterstand, den Diakonat in Christus, für den ganzen Klerus und alle Gläubigen, lasset uns beten zum Herrn."
C: "Herr, erbarme Dich."
D: "Für das Volk und Vaterland und alle, die es beschützen und ihm dienen, lasset uns beten zum Herrn."
C: "Herr, erbarme Dich."
D: "Für diese Stadt, jede Stadt und jedes Land und die im Glauben darin lebenden, lasst uns beten zum Herrn."
C: "Herr, erbarme Dich."
D: "Um gedeihliche Witterung, reichlichen Ertrag der Früchte der Erde und um friedliche Zeiten, lasset uns beten zum Herrn."
usw.
Dabei steht der Diakon vor den Königstüren der Ikonostase, hält in der rechten Hand das eine Ende seiner Stola (das Orare) hoch (etwa auf Kopfhöhe) und bei jedem "lasset uns beten zum Herrn" bekreuzigt er sich damit. Und dann dieser schöne Text, der zwar in kirchenslawisch gesungen wird, aber dennoch nichts an Faszination verliert. Meistens dienen in der Fakultätskirche so zehn Priester und vier bis fünf Diakone. Wenn die dann alle draußen sind, dann gibt das ein richtig feierliches Bild ab!! So ganz anders als in der katholischen Kirche, die mir natürlich immer noch sehr am Herzen liegt, bei aller Schwärmerei für die Göttliche Liturgie. In dieser Form habe ich einmal einen Brief an eine Bekannte in Deutschland geschrieben und er hat nichts an Aktualität verloren. Am Anfang habe ich nicht so viel von der Liturgie verstanden, doch im Laufe der Zeit hat sich ein immer größeres Verständnis dafür entwickelt und manchmal kann ich erahnen, für was gerade gebetet wird oder was der Gesang zum Inhalt hat. Und so musste ich heute Abschied nehmen von dieser schönen Form des Gebets.

Am Abend habe ich meine letzten Sachen im Wohnheim gepackt und und mich von jedem einzelnen, der noch da war, verabschiedet. Die Abschiede waren allesamt sehr herzlich und wieder kam fast immer die Frage, ob ich im September wiederkomme. Für die meisten ist es kaum vorstellbar, dass ich nicht zum studieren wiederkomme. Von einigen habe ich sogar Abschiedsgeschenke erhalten - von Egor etwas Tee, von einem anderen Student ein Buch und von meinen direkten Nachbarn auch ein Buch. Und dann habe ich mich noch eine ganze Zeit mit und Oleg zusammengesetzt und mit ihm unterhalten. Dabei sind pro Person zwei Liter Bier draufgegangen. Der letzte Abend mit ihm war wunderschön, auch wenn wir uns teils über ernste Themen unterhalten haben. Mein großer Wunsch ist, dass wir Kontakt halten.

 

 

Montag, 29.06.2009

Den Wecker habe ich mir an diesem Morgen auf acht Uhr gestellt in der Hoffnung noch genug Zeit zu haben bis zur Abfahrt des Zuges um 10:23 Uhr. Bis dahin wollte ich meine restlichen Sachen gepackt und das Zimmer gereinigt haben. So habe ich dort ein letztes Mal gefrühstückt und festgestellt, dass der Wasserkocher wieder ein Leck hat und bald ausgewechselt werden wird. Der Verbrauch von diesen Geräten ist fast schon immens hier wegen der schlechten Wasserqualität. Es sammelt sich schon nach sehr kurzer eine große Menge an Kalk an, der später wohl für die Lecks verantwortlich ist. Beim Frühstück habe ich das Marmeladenglas komplett leer gemacht und das Brot aufgegessen, so dass nichts mehr übrig geblieben ist. Wie immer habe ich meine Sachen abgewaschen und im Zimmer abgetrocknet und habe sie dann aber im Rucksack gut verstaut. Auch die restlichen Sachen habe ich gepackt, dann das Bett abgezogen und ordentlich zurecht gelegt und das Zimmer dann einmal komplett gereinigt. Zum Schluss habe ich die Administratorin geholt und mit ihr die Zimmerabnahme gemacht, wo es keinerlei Beanstandungen gab. Als sie den sauberen Zustand des Zimmers gesehen hat, ist sie gleich wieder herausgegangen und war sehr erstaunt. Nachdem ich alle meine Sachen herausgetragen habe, habe ich die Ostfrieslandflagge abgehängt, noch einmal einen Blick durch das Zimmer geworfen und dann die Türe verschlossen und den Schlüssel in die Hände der Administratorin gegeben. Ich habe mein Namensschild von der Tür genommen und anstelle dessen einen Gruß gehängt an alle diejenigen, die ich nicht mehr getroffen habe. Dann habe ich mich noch von Vitali und zuletzt von Oleg verabschiedet. Damit ist meine Zeit im orthodoxen Wohnheim an der Ilovajskaja Uliza 9 im Zimmer 328 unwiederbringlich vorüber. Etwas wehmütig habe ich mich dann auf den Weg zur Elektritschkastation gemacht - in der einen Hand den Elektrokamin, in der anderen Hand das Kopfkissen und auf dem Rücken den Rucksack. Im Zug habe ich Sachar noch kurz getroffen und mich dann auch von ihm verabschiedet an der Station Textilschschiki, wo er ausgestiegen ist. Ich bin traditionell weiter zum Kursker Bahnhof gefahren. Das waren dann die letzten 13km mit der klapprigen Elektritschka, bei der ich mir nicht verkneifen konnte sie zu fotografieren. Dann ging es ein letztes Mal in die Metro vom Kursker Bahnhof zur Station Paveljezkaja und dort bin ich dann erst in einen Blumenladen gegangen. Ich habe einen kleinen Giraffe für Masha verzieren lassen - diese Abwechslung hat der Floristin so gut gefallen, dass sie selbst richtig in ihrer Arbeit aufgeblüht ist. Sie hat hier und da probiert und nach 20 Minuten war sie dann fertig und hat das Ergebnis allen Kunden und ihren Mitarbeitern im Laden gezeigt. Mit dem in der Hand bin ich auf dem kurzen Weg zu Masha mehrmals angesprochen worden - das schien wirklich außergewöhnlich zu sein. Und den habe ich Masha dann direkt ans Bett gebracht. Viel Zeit hatte ich nun wiederum nicht, denn um Mittag wollte ich mich mit einem Studenten treffen und ihm meine Originalregistrierung übergeben. Der hatte aber zwischendurch schon angefragt, ob das nicht eher möglich wäre. Nach dem Treffen habe ich noch einige Leute in der Uni getroffen und mich von ihnen verabschiedet. Da mein Taschencomputer den Geist aufgegeben hat, habe ich den noch in Reparatur gebracht und habe anschließend gemeinsam mit Masha gefrühstückt. Viel konnte ich irgendwie nicht essen, weil der Magen Beschwerden machte - ich denke, dass das wegen der Abreise war. Nun hatte ich gegen 15 Uhr noch einen Termin mit Vater Alexej, bei dem ich meine Hausarbeit geschrieben habe. Vorher waren Masha und ich noch in der Mensa essen und ich konnte mich noch von allen verabschieden - ich hatte ja bis Ostern jeden Freitag dort abgewaschen und anschließend keine Zeit mehr dafür gefunden und nur noch sehr selten dort gegessen. Zu Punkt 15 Uhr fand dann das Treffen wegen der Hausarbeit statt. Vater Alexej holte noch einen Mann dazu, der vielleicht etwas älter wie ich war um mich mit ihm noch etwas über die Hausarbeit auszufragen. Masha war als Übersetzerin mit dabei, hatte aber nicht viel zu tun - das Meiste konnte ich von alleine beantworten. Die Hausarbeit hatte das Thema "Mt. 16,13-20 - Stolperstein der Kirchen" und einen exegetischen und einen kirchen-(politischen) Teil, über den wir uns in der Hauptsache unterhalten haben. Dabei hat sich herausgestellt, das kann man darüber hinaus auch als ein Resultat ansehen, dass die orthodoxe Kirche derzeit verwundert ist, dass in den neueren dogmatischen Büchern nur noch sehr wenige Seiten dem päpstlichen Primat gewidmet sind, was für die orthodoxe Kirche den Eindruck erweckt, dass sich die katholische Kirche nicht so richtig damit beschäftigen mag. Es wurde sogar leicht die Forderung nach einem Konzil laut. Diese eineinhalb Stunden waren für mich sehr, sehr fruchtbar und noch einmal sehr lehrreich. Letztlich habe ich für die Hausarbeit eine 1,7 erhalten (nach deutschem System), womit ich sehr zufrieden bin. Zum Schluss habe ich noch Vater Konstantin gesucht, dem ich auch den Zeitungsartikel aus dem Kirchenboten in die Hand gedrückt habe. Er wolle auch ein Exemplar an Vater Georgij weitergeben. Nun hätte ich mich eigentlich mit Janka treffen wollen, da ist es aber "zu Verzögerungen im Betriebsablauf" gekommen, so dass Masha und ich erst zu ihr nach Hause gegangen sind. Auch ihr ist aufgefallen, dass fast alle Studenten nachgefragt haben, wann ich im Herbst wiederkommen würde - diese Frage haben sie als Voraussetzung formuliert und überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich nicht mehr wiederkomme. Gegen viertel vor sieben fand dann das Treffen mit Janka statt, zu dem Dmitri zum Schluss noch dazugestoßen ist. Es war ein herzlicher Abschied von beiden. Den Abend habe ich im Kreise von Mashas Familie verbracht, wo wir noch einmal alle zusammen gesessen haben - auch Lisa war mit dabei. Zum Tischgebet sind mir dann ein wenig die Tränen gekommen, so dass ich nicht mehr richtig mitsingen konnte, vor allem als ich den festlich gedeckten Tisch gesehen habe. Wie oft haben wir hier gemeinsam in festlicher Runde gesessen und wunderschöne Abende und Stunden erlebt... Das damit jetzt sehr bald Schluss sein würde, ist mir in dem Moment so richtig bewusst geworden und wieder wusste ich in dem Moment, dass es ein sehr schwerer Abschied wird. Nach dem Treffen haben wir gemeinsam das orthodoxe Reisegebet gesungen und gesprochen und eine Minute in Stille zusammen gesessen. Anschließend hat der Vater uns alle mit dem Kreuz aus Jerusalem gesegnet und damit war dann die Zeit des Abschieds von den Eltern da. Ich habe auf der Straße gewartet, bis ich das Auto nicht mehr sehen konnte. Nach dem Abräumen des Tisches und einigen weiteren Kleinigkeiten haben wir uns dann ins Bett gelegt, da wir morgen gemeinsam ein letztes Mal in die Göttliche Liturgie gehen wollen. Vorher habe ich heimlich eine Karte aus dem Koffer geholt, um sie morgen zu Ende zu schreiben. Es ist mir noch unvorstellbar, dass ich morgen nach Hause fliegen werde. Und ich freue mich bislang nur mäßig auf die Rückreise. Ich will nicht weg.

 

 

Dienstag, 30.06.2009

Der letzte Tag ist angebrochen und noch immer ist mir die Abreise sehr fern. Ich habe die Karte für Masha geschrieben und sind dabei in paar Tränchen gekullert und als ich Masha geweckt habe, das Gleiche. Und als wir in der Kirche waren, bin ich noch einmal ganz zu Anfang in der Kirche in Tränen ausgebrochen, weil die Liturgie noch einmal so wunderschön war. Zu meiner Überraschung haben drei Diakone und mehr als zehn Priester zelebriert, weil heute die Diplomvergabe war. Doch die standen eigenartigerweise alle vor der Kirchentüre und nicht in der Kirche. Das fand ich dann doch eigenartig. So hatte ich noch die Gelegenheit, mich von allen meinen engeren Freunden aus dem Wohnheim zu verabschieden und auch von denen, die mir aus der Uni etwas näher bekannt waren. Das war eine sehr schöne Überraschung. Auch Vater Nicolai habe ich noch kurz gesprochen und mich von ihm verabschiedet. Nach der Liturgie kam ein unauffälliger orthodoxer Bischof in die Kirche, der sein Amt offenbar ähnlich wie Bischof Clemens aus Saratov ausübt. Er lief alleine durch die Kirche, segnete die Leute dort und stellte sich ganz auf eine Ebene mit Vater Vladimir, der zuerst sehr hektisch, dann aber sehr ruhig war. Der Bischof wartete auch draußen alleine geduldig im Hof, bis die Göttliche Liturgie zu Ende war. Ein so ganz anderes Bild von einem orthodoxen Bischof. Nach den letzten Verabschiedungen sind Masha und ich zu ihr gegangen, um die restlichen Sachen zu verpacken, etwas zu frühstücken (auch wenn ich kaum Appetit hatte) und die vorerst letzten gemeinsamen Stunden miteinander zu verbringen. Dabei sind dann allerdings kaum mehr Tränen geflossen, weil ich recht viele Beruhigungs-Globoli genommen habe, die ihre Wirkung nicht verfehlt habe. Die ganze Zeit über haben wir uns irgendwie beschäftigt, um nicht zu mental zu werden, was letztlich eine gute Idee war. Von Masha habe ich eine kleine Plüschmaus bekommen, wie mich von nun an so gut wie möglich begleiten soll und wird. Zwischendurch kam dann der Abschied von Valja, Mashas Bruder und um 13:30 Uhr sind wir dann zum Zug gegangen, nicht ohne vorher nachzufragen, wann der Taschencomputer fertig wird. Tanja hat uns noch begleitet bis zum Bahnsteig und als sich die Türen geschlossen haben, war ich mit Masha nur noch alleine. Ich hatte damit gerechnet, dass ich den ganzen Zug nass weinen werde, aber es ist alles trocken geblieben - auch später am Flughafen. In der Schlange vor der Gepäckausgabe stand noch ein älteres Ehepaar aus Russland, die ein paar Bilder mitnehmen wollten. Sie wurden damit vom Personal zum Zoll verwiesen, bei mir wurde dagegen gefragt, was sich unter der Folie befinden würde. Meine Antwort war: "Ein kleines Bild mit Glasrahmen." Das stimmte zwar nicht ganz, aber ich bin ohne Weiteres damit durchgekommen, wir mussten nur das kleine Bild, das in Wahrheit die große Ikone war, ins Sondergepäck zu einem anderen Ort bringen. Nun hatten wir beiden noch ein paar Minuten für uns und dann musste ich durch die Personenkontrolle und mich damit endgültig von Masha verabschieden. Es war leichter als ich gedacht habe und für mich war es ein glücklicher Abschied mit einer festen Gewissheit. Und nachdem ich durch die Passkontrolle gegangen bin, habe ich Masha fürs erste das letzte Mal gesehen. Das war der einzige sehr schwere Moment. Nach dem Abflug um 16:30 Uhr habe ich den kleinen Ort Jam noch einmal gesehen und auch in Richtung der Datscha von Mashas Eltern geschaut. Der Flug ist mir sehr lange vorgekommen und während dieser Zeit war ich sehr schwermütig. Nach der Landung in Düsseldorf ging es recht flott mit der der Passkontrolle und der Gepäckausgabe. Und der Mann beim Zoll hat nur kurz nachgefragt, was ich dabei habe. Nach einer ehrlichen Antwort hat er mich dann ohne weitere Fragen passieren lassen. Für eine kurze Begrüßung war fast keine Zeit mehr mit Papa, der schon auf mich wartete, da der Zug um 18:29 fahren sollte. Den haben wir auch mitbekommen. In Duisburg hatten wir auch nur ganz wenige Minuten Zeit, um den nächsten Zug zu erreichen und erst nach dem Einstieg konnten wir uns Hallo sagen. Beim Einstiegen fragte die Schaffnerin mich, was ich dabei hätte. Papa antwortete total erfreut und noch mehr stolz, dass ich gerade nach zehn Monaten Aufenthalt von Moskau gekommen wäre und dass da eine Ikone drin sei. Nach einer sehr kurzen Unterhaltung habe ich alles auf einen Punkt gebracht: Es waren die schönsten zehn Monate in meinem bisherigen Leben.

Die Rückreise verging dann recht schnell, zwischen dem Erzählen habe ich dann noch versucht, Masha zu simsen. Doch schon sehr bald war das Guthaben auf dem Handy aufgebraucht und ich musste auf dem deutschen Handy eine SMS tippen, was anfangs noch sehr ungewohnt und ich deshalb sehr langsam war. In Münster haben wir den Zug auch ohne Probleme bekommen, so dass wir um kurz vor zehn schon in Leer am Bahnhof waren, wo Matthias und Mama zu meiner Überraschung schon warteten. Mit Mama bin ich im Auto heimgefahren und konnte viel erzählen. Die Heimfahrt im Auto war an für sich nichts Besonderes für mich, es war als wenn ich eine Woche vorher hier das letzte Mal gefahren wäre und nicht mehr als zehn Monate. Nach der Ankunft habe ich erst kurz mit Masha telefoniert und ihr von der Reise erzählt und dann habe ich noch mit Matthias und meinen Eltern zusammengesessen. Als wir aus dem Auto gestiegen sind, da warteten schon die Nachbarn auf uns und haben mich begrüßt.

 

 

 

10 Übersetzt lautet der Name etwa "Das Große".

11 Stimmt nicht ganz: Es waren jede Menge Schmetterlinge und Libellen - Mücken gab es an anderen Stellen in großer Menge.

12 Der Libellen eigentlich.

 

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