9.) Die große Fastenzeit

 

 

 Aufsteige mein Gebet wie Weihrauch vor Dein Angesicht,

meiner Hände Erhebung sei ein Abendopfer.

Refrain (Chor): Aufsteige mein Gebet wie Weihrauch vor Dein Angesicht

meiner Hände Erhebung, sei ein Abendopfer.

 

Herr, ich ruf zu Dir, erhöre mich,

komm und merke auf meine Stimme,

wenn ich zu Dir rufe.

- Refrain (Chor) -

Setze Wächter vor meinen Mund, oh Herr,

und vor das Tor meiner Lippen setze eine Wache.

- Refrain (Chor)-

Neige mein Herz nicht zu bösen Dingen,

dass ich nicht frevle, ruchlose Taten vollbringe.

- Refrain (Chor) -

Aufsteige mein Gebet wie Weihrauch vor Dein Angesicht,

(Chor:) meiner Hände Erhebung sei ein Abendopfer.

 

   Rauchopfer der Liturgie der vorgeweihten Gaben

 

Montag, 23. Februar 2009 - Tag der Befreier des Vaterlandes

An den letzten Tagen hatte ich schon mehrfach versucht herauszufinden, ob an dem staatlichen Feiertag der Befreier des Vaterlandes überhaupt Vorlesungen an der orthodoxen Universität stattfinden. Sie fanden statt - allerdings fiel meine aus. So wie ich den Dozenten einschätze, wird er ruhigen Gewissens zu Hause geblieben sein. So haben wir vergeblich auf ihn gewartet. Etwa eineinhalb Stunden vorher hatte Olga mich noch gefragt, ob wir unser Tandem-Treffen nicht auf 14 Uhr verschieben könnten - wir hätten es gut machen können, hätte ich es gewusst. So musste ich auf sie bis 16:30 Uhr warten. Eine Zeitlang habe ich das Warten am Notebook verbracht, dessen Akku aber nach etwa einer Stunde den Geist aufgegeben hat, weil ich damit ja vorher schon im Internet war. Anschließend habe ich mich am nahegelegenen Bahnhof erkundigt, wann mein Professor morgen einen Zug zum Flughafen nehmen kann. Und so war ich dann pünktlich um 16:30 Uhr wieder zurück und habe mich mit Olga getroffen. Vorher habe ich kurz mit Ludmilla Simonovna über den Vortrag meines Professors am morgigen Tag gesprochen und zum Schluss hat sich noch mit mir geschimpft, dass sie mich ohne Mütze gesehen hat - dabei hatte ich sie nur auf den paar Metern von der Stalowaja zu den Unterrichtsräumen nicht auf. Heute ist es jedoch wieder ratsam eine Mütze aufzusetzen, weil es über Tag wieder kalt war - um -10°C. Und dabei sind wieder die kleinen Eiskristalle durch die Luft geflogen, die im Sonnenlicht so herrlich funkeln und ihre ganze Pracht erst auf der Kleidung zeigen, wenn man ihre Sternchenform erkennen kann. Es ist, als wenn kleine Teile des Himmels auf die Erde gekommen sind. Ich freue mich immer sehr über die kleinen Sternchen und kann mich an ihnen nicht satt sehen - immer in dem Bewusstsein, dass ich das aus meiner Heimat nicht kenne und vielleicht auch so schnell nicht mehr wieder erleben werde.

Zudem hat heute die Fastenzeit angefangen zu beginnen - nämlich noch nicht ganz: Ab heute ist die fleischlose Zeit, für eine Woche sind aber noch Käse, Milch, Eier und so weiter erlaubt. Und ab dem 02. März bis zum Osterfest ist dann die große fleischlose Fastenzeit. Vor der Fastenzeit ist in Deutschland ja traditionell die Karnevalszeit, die hier in Russland allerdings eher weniger begangen wird. Ich habe heute eine "Jeckin" in der Metro gesehen, die ihre Verkleidung an die Haltegriffe gehängt hatte und in Zivil fuhr, das Gesicht war aber weiß geschminkt.

Nun war ja heute der staatliche Feiertag der Befreier des Vaterlandes. Dementsprechend war die Stadt heute wieder wie leer gepustet und es war sehr ruhig - fast so, als wenn Moskau doch mal Schlaf nötig hat. Es ist an dem Tag üblich, dass man die Männer gratuliert. Einige haben wohl den Sinn des Festes wohl nicht ganz erfasst und auch mich gratuliert, was ich aber zumeist höflich abgelehnt habe, zumal ich weder in der Russischen Armee gedient habe noch dass ich einen anderen Identifikationspunkt damit hätte.

Den Abend habe ich dann eigentlich nur an meinem Tagebuch gebastelt und jede Menge Fotos der letzten Tage eingefügt und die Homepage geringfügig erweitert. In einer Pause habe ich meine Kontoauszüge kontrolliert und habe als Überraschung des Abends gesehen, dass liebe Bekannte mir eine sehr großzügige Zuwendung haben zukommen lassen, wo ich mich natürlich sehr darüber gefreut habe. Ich will dort morgen Abend, wenn ich mein Handy wieder aufgeladen habe, anrufen und mich persönlich bedanken.

 

Eiskristalle auf meiner Jacke.

 

 

Dienstag, 24. Februar 2009

Es scheint nach staatlichen Feiertagen hier öfter vorzukommen, dass der Triebfahrzeugführer seinen Zug nicht immer korrekt zum Halten bekommt und etwas über die Station hinausschießt. So am heutigen Morgen wieder: Wenigstens eine halbe Wagenlänge ist er zu weit gefahren. Und als er wieder abfahren wollte, fuhr er wieder ein Stück rückwärts, weil der den Fahrtrichtungsschalter vergessen hatte, umzulegen. Solche "Betriebssituationen" habe ich lediglich einmal bei meinen häufigen Eisenbahnfahrten in Deutschland erlebt - und hier schon mehrfach.

Zunächst habe ich heute im Paveljezker Bahnhof für meinen Professor das Zugticket zum Flughafen besorgt und ihn dann in der Metrostation Novokusnezkaja abgeholt. Rund um den Bahnhof und die Metro-Station habe ich versucht, mein Handy aufzuladen, aber entweder hatte der Laden geschlossen oder die Ladestation war nicht für Megafon-Nummern. Dementsprechend war das Ergebnis sehr bescheiden und erst nach der Vorlesung habe ich es aufgeladen.

In der Universität hat Professor Bremer einen Vortrag über die Universität und die Theologische Fakultät in Münster gehalten - anschließend konnte das Auditorium Fragen stellen. Dabei sind teilweise sehr interessante Fragen gestellt worden, sowohl von Studenten als auch von Dozenten und Professoren. Besonders habe ich mich darüber gefreut, dass das orthodoxe Pendant zu Professor Bremer, Vater Valentin, auch da war. Nach dem Treffen, das gute eineinhalb Stunden dauerte, sind wir dann dort zum Essen eingeladen worden, wo die "Väter", also die Priester der Universität, essen oder sich aufhalten. Mit dabei waren Ludmilla Simonovna, Vater Valentin, Juri Valerjewitsch, Vater Andrej (den ich bis dahin noch nicht kannte) und die Mitarbeiterin von Ludmilla Simonovna, deren Namen ich mir einfach nicht behalten kann. Bei Borschtsch und Kartoffelpüree mit überbackenem Fisch und Wein gab es ein gemütliches Beisammensein, bei dem dann und wann ein Trinkspruch gesagt wurde. Interessant fand ich die Atmosphäre in dem Haus: Es war zwar alles renoviert und sah gut aus, aber ebenso auch ein wenig unordentlich: Der Tisch war nicht sauber, es standen noch Essenreste herum und eigentlich musste erst aufgeräumt werden, bevor wir dort essen konnten. Mir war es ein wenig unangenehm, nicht helfen zu können oder zu dürfen. Sobald ich derartige Anstalten machte, wurde ich gebeten, mich zu setzen. So wurde mir der Wein von Vater Valentin eingeschenkt, das Essen durch Ludmilla Simonovna und Juri Valerjewitsch gereicht. Und für meinen Geschmack wurde ich viel zu viel während des gesamten Treffens gelobt. Besonders in Erinnerung ist mir der Satz von Vater Valentin an Prof. Bremer in Erinnerung geblieben, als er gesagt hat: "Wir werden Andreas im Sommer aber wieder zurückgeben." Für mich war dies ein guter Einblick heute, wie hier über mich gedacht wird - Ludmilla Simonovna drückte es so aus, dass hier wohl oft "von unserem Andrej" gesprochen wird. Der Satz zeigte mir doch, dass ich hier gut aufgenommen bin und mich ganz geborgen fühlen darf. Alles in allem war es ein sehr schönes Treffen, dass mich noch einmal in meiner Sache bestärkt hat. Anschließend habe ich Professor Bremer noch die Fakultätskirche und die Studentenkirche gezeigt - bei letzterer insbesondere die Wandgemälde, die von der entsprechenden Fakultät dort gemacht wurden. So habe ich heute auch erfahren, dass die Fakultätskirche St. Nicolai eine der wenigen Kirchen in Moskau gewesen ist, die während der Sowjetzeit geöffnet gewesen und damit etwas Besonderes ist. Ein Bericht auf der Seite der Universität befindet sich unter: http://pstgu.ru/news/university/2009/02/26/14027/.

Nach dem ich Professor Bremer zum Bahnhof gebracht habe, war ich noch in der Vorlesung "Einleitung in die liturgische Überlieferung", wo ich mich dieses Mal sehr gut einfinden und Fragen stellen konnte. Insbesondere konnte ich hin und wieder was aus der katholischen Kirche und dem Eucharistieverständnis in Bezug auf die zelebrierenden Priester erzählen. Mir ist gerade heute noch einmal sehr deutlich geworden, dass an dieser Fakultät sehr viel zwischen orthodoxer und katholische Kirche verglichen wird, so dass die Studenten hier einen viel tieferen Einblick in andere christliche Kirchen haben als es an der Münsteraner theologischen Fakultät der Fall ist. Hier ist auch das Interesse für die anderen Kirchen viel größer, da gerade in diesem Seminar oft gefragt wird, wie es in einer anderen christlichen Kirche gehandhabt wird.

Als ich wieder zu Hause war, habe ich mich einerseits für die finanzielle Zuwendung bedankt und dort, wo ich angerufen habe, denen eine große Freude gemacht. So konnte ich ein wenig von meiner Zeit hier erzählen und vor allem bestätigen, dass ich mich hier nach wie vor sehr, sehr wohl fühle. Anschließend bin ich duschen gegangen und wieder kam nur wenig Wasser aus der Leitung - es wurde noch weniger, als ein zweiter eine andere Dusche benutzt hat. Ich habe mich da so drüber geärgert, dass ich mich vehement bei der Administratorin beschwert habe, die sich gleich des Problems bemächtigen wollte. Zudem habe ich ihr gesagt, dass ich Probleme mit einer Steckdose in meinem Zimmer habe. Vor ein paar Tagen habe ich dort einen Stecker hineingesteckt und mir kam ein Funke entgegengeflogen. Auch das soll bald behoben werden.

Sehr überrascht bin ich immer wieder, wie gut viele durch dieses Tagebuch informiert sind. Einerseits in dem Telefongespräch heute kam das oft zum Tragen und auch meinem Professor brauchte ich eigentlich gar nichts mehr zu erzählen, weil er ebenfalls sehr gut informiert war. Ich möchte zu gerne einen Zähler auf meine Homepage bauen um wenigstens in ungefähr eine Ahnung zu bekommen, wie viele das Tagebuch lesen, doch leider lässt sich das mit dem Browser und meinem Programm nicht verwirklichen.

Mit diesem Abend geht ein für mich sehr interessanter und stärkender Tag zu Ende, den ich in meiner Zeit hier sicherlich nicht missen möchte und der für mich sehr wichtig ist.

 

Vater Valentin Vasetschko, Juri Valerjewitsch, Prof. Dr. Bremer und ich. (Foto: PGSTU)

 

Quelle: http://pstgu.ru/news/university/2009/02/26/14027/

 

 

Mittwoch, 25. Februar 2009 - Aschermittwoch

Am heutigen Morgen bin ich schon vor dem Klingeln des Weckers aufgestanden - etwa 20 früher als geplant war. Eigentlich ist ja anders herum, dass ich nach dem Klingeln des Weckers erst aufstehe. So konnte ich den Morgen gemütlich angehen lassen und mich auf den Tag vorbereiten bzw. noch "Restarbeiten" am Tagebuch erledigen und ein paar Mails schreiben. Nach dem Frühstück habe ich ein stabiles Paket ergattert, dass bei uns auf dem Flur stand und eigentlich in den Müll sollte. Es wird für mich noch brauchbar werden, wenn ich von Moskau wieder nach Ostfriesland bzw. Münster umziehe. Es ist so stabil, dass ich es wahrscheinlich noch nicht einmal einschweißen lassen muss, damit nichts verloren geht. Vor den Vorlesungen war ich noch in einer Postfiliale in der Nähe der Universität, wo ich immer freundlich bedient werde und auch mal ein paar Wünsche äußern kann, ohne dass gleich wieder mit mir geschimpft wird. Und eine Ikone zum Verschenken habe ich auch noch vor den Vorlesungen gekauft.

In der Chorstunde haben wir heute erfahren, dass wir am Donnerstag die Vetschernaja und am Freitag Morgen die Göttliche Liturgie singen werden. Meiner Meinung steht uns noch ein großes Stück Arbeit bevor, wenn wir halbwegs vernünftig singen sollen. Nach der Chorstunde war ich noch in einem Büroladen und einer anderen Postfiliale auf Einkaufstour und habe dann um 18 Uhr Lena getroffen, mit der ich gemeinsam in die Katholische Kirche gefahren bin. Heute beginnt ja in der Katholischen Kirche die Fastenzeit und es wurde auch das Aschekreuz ausgeteilt - allerdings hier in einer anderen Form als in Ostfriesland bzw. Münster: Hier wird die Asche nicht auf die Stirn gezeichnet, sondern vom Priester ins Haar gerieselt. Und ich habe heute noch eine interessante Entdeckung in der Katholischen Kirche gemacht: Ein Messdiener hat während der Kommunionausteilung schon den Kelch gereinigt - die Aufgabe erledigt, die ich eigentlich als die des Diakons oder Priesters kenne.

Als ich zurück in Pererwa war, habe ich dort im Rangierbahnhof eine interessante Fuhre gesehen: Ein Betonklotz wurde auf drei Güterwagen verteilt auf der Schiene transportiert. In Russland scheint vieles eine solche Größe zu haben, dass es bei Bedarf auf der Schiene transportiert werden kann. So habe ich hier schon Feuerwehrfahrzeuge, Kräne, Baufahrzeuge, Brückenteile, Maschinen und Maschinenteile und alles weitere Mögliche und Unmögliche auf Schienen gesehen. Und gerade das macht das Eisenbahn- und Transportwesen hier so interessant für mich als gelernten Speditionskaufmann: Die riesigen Entfernungen, die zwischen den Städten bewältigt werden müssen. Es ist quasi unmöglich und viel zu aufwendig, einen großen Kran auf einem Lastwagen von Moskau nach Irkutsk zu transportieren. So werden ihm die Räder abgenommen, gegebenenfalls auch noch der Kran an sich und dann wird alles auf zwei oder drei Güterwaggons verteilt abtransportiert. Aus dieser Sicht hat die Eisenbahn als Transportmittel für große und schwere Güter eine ganz große Bedeutung: Mit dem Schiff geht es kaum - schon gar nicht im Winter, mit dem Lastwagen ist es zu gefahrvoll und aufwendig, und mit dem Flugzeug zu teuer oder je nach Größe schier unmöglich. So bleibt letztlich nur die Eisenbahn als verlässliches und erschwingliches Verkehrsmittel.

 

Ein Betonklotz auf Schienen.

 

 

Donnerstag, 26. Februar 2009

An diesem Tag ist zunächst alles wie gewohnt verlaufen: Zunächst war ich im Internet und habe mit meiner Mutter telefoniert und ihr etwas zu den Bildern auf meiner Homepage erzählt, anschließend war die Vorlesung bei Vater Valentin und dann hatte ich bis zu meinem Treffen mit Elena noch etwa eineinhalb Stunden Zeit, die ich zum Versenden eines Geschenkes vom internationalen Postamt nutzen wollte. Das hat auch alles soweit gut geklappt - nur musste ich wieder länger als eine halbe Stunde warten, so dass ich früher aufbrechen musste und das Geschenk dann doch nicht losgeworden bin. Das nehme ich mir jetzt für Montag oder schon für Samstag vor. Ich bin mal gespannt, was dann dazwischen kommt. Nun habe ich es aber während der Wartezeit wenigstens geschafft, ein paar Ostergrußkarten und interessante Briefmarken zu kaufen.

Dann war ich mit Elena und einem Spanier verabredet, in die Tretikovskaja-Galerie (wird "Tretjakovskaja-Galerie" geschrieben, aber anders ausgesprochen) zu gehen. Dort angekommen, mussten wir Ausländer wieder einen erhöhten Preis bezahlen, so dass ich die Kassiererin erst etwas angegrummelt, mich dann aber kurz darauf bei ihr entschuldigt habe, was sie mit großer Freude und Herzlichkeit angenommen hat. Ich war irgendwie wohl noch gestresst und genervt vom internationalen Postamt und den vielen Menschen in der Metro. Ich glaube manchmal, dass ich mich da immer noch nicht richtig dran gewöhnt habe, auch wenn es mir zeitweise nichts ausmacht. In der Tretikovskaja-Galerie haben wir uns die Ikonen-Sammlung angeschaut, die wirklich sehr beeindruckend ist. Besonders viele Ikonen waren von dem Heiligen Nicolai (Nikolaus) zu finden. Ich fand aber auch andere Ikonen sehr interessant - vor allem ist mir die Ikone vom jüngsten Gericht in guter Erinnerung. Die auf Holz gemalten Vorstellungen davon fand ich sehr interessant. Um kurz vor halb acht wollte der Spanier sich von uns verabschieden und wir wurden mehr oder weniger dann auch höflich aus dem Museum beordert - eigentlich wollten Elena und ich uns noch andere Bilder anschauen.

 

 

Freitag, 27. Februar 2009

Den heutigen Tag würde ich aus meiner Sicht als einen fröhlichen und lustigen Tag ansehen, der mir viel Freude gebracht hat. Zunächst ist alles normal verlaufen: Vorlesungen und nach dem Küchendienst die Chorstunde. Beim Küchendienst habe ich heute einmal etwas anderes gemacht, nämlich den Abwasch der großen Küchengeräte. Da es an diesem Tag Fischfrikadellen gab, die auf Backblechen zubereitet wurden, hatte ich im Vergleich zu sonst eine recht schwere Arbeit, die mit jedem neuen Fischfrikadellenblech, das aus dem Backofen geholt wurde, nicht enden wollte. Zwischendurch habe ich mich über große Töpfe hergemacht, die ich sonst nur aus dem KJO-Zeltlager kenne. Um kurz vor drei war dann kaum noch Arbeit für mich da, so dass ich dann etwas eher gehen konnte. Da meine Jacke langsam immer mehr auseinanderfällt - das Hauptproblem sind die Reißverschlüsse (wie so oft bei meinen Kleidungsstücken) und ein Druckknopf, der nicht mehr richtig funktioniert und vielleicht das Ausreißen des großen Reißverschlusses bewirkt hat, habe ich mich in der Nähe nach einer Jacke umgesehen. Ich habe zwei Varianten gefunden in zwei verschiedenen Geschäften. Da ich aber jemanden um Hilfe fragen wollte, habe ich mich noch nicht entschieden. So bin ich dann zunächst zur Chorstunde gegangen und habe kurz vorher Masha angerufen, ob sie mir kurz vor unserem Treffen am Abend beim Jackenkauf behilflich sein kann. Zum Glück hat sie sich bereiterklärt, denn sonst laufe ich große Gefahr, dass die Jacke entweder zu groß, zu weit, zu klein oder in der Farbe einfach unpassend ist. Für so etwas habe ich leider überhaupt kein Händchen.

Die Chorstunde war für mich an diesem Tag sehr, sehr schwer, weil wir uns weiter auf den Donnerstag vorbereitet haben und nur Texte in kirchenslawischer Schrift ohne mir bekannte Noten gesungen haben. Dazu kam, dass ich nicht einen Text davon gekannt habe. Ein weiteres Problem war, dass es nur wenig Liedermappen gab und mein heutiger Nachbar immer mehr mit anderen Dingen beschäftigt ist und die Mappe nicht so hält, dass wir beide lesen können, sondern sie schwirrt dann im übertriebenen Sinne gesagt quer in der Weltgeschichte herum. Weil er so unkonzentriert ist, konnte mir auch nie richtig sagen, wo und was wir gerade singen.

Nach der Chorstunde habe ich erst eine Ikone gekauft und war dann eine gute halbe Stunde zu früh bei Masha, so dass noch genug Zeit für den Jackenkauf da war. So sind wir beide dann zusammen zum Jackenkauf losgezogen. Nachdem ich einige Jacken in dem Laden anprobiert hatte, indem ich zuerst war, haben wir noch dort geschaut, wo ich die andere Jacke gesehen hatte. Sie gefällt mir wegen ihrer Qualität, und ihren vielen Taschen sehr gut und Masha meinte, dass mir die Jacke auch sehr gut stehen würde. So habe ich die dann genommen. Sie hat ungefähr derzeit ungefähr 120 Euro (also 5.300p.) gekostet. Nun hoffe ich auch, dass die Jacke das hält, was sie verspricht: Ein gutes Aussehen, gut waschbar und warm und Wasser- und Wind abweisend ist.

Anschließend habe ich für Mashas Mutter noch ein paar Blumen gekauft und habe mich sehr über den hohen Preis gewundert. Ich wusste ja, dass Blumen recht teuer in Russland sind, aber mit über 20 Euro habe ich nicht gerechnet. Zumindest sah der Blumenstrauß am Ende sehr gut aus. Und da ich ja öfter bei Masha und ihren Familie zu Gast bin, finde ich diese "kleine" Aufmerksamkeit mehr als gerechtfertigt. Der Abend war dann auch wieder sehr schön. Vor allem habe ich viel über die orthodoxe Fastenzeit gelernt: Dass es nur zweimal in dieser Zeit möglich ist, Fisch zu essen und Wein zu trinken, dass ganz auf tierische Produkte verzichtet wird und dass strenges Fasten in der ersten und letzten Woche sehr bescheiden aussieht: An den ersten beiden Tagen nur etwas Wasser und Brot, an zwei Tagen der Woche etwas Gekochtes - jedoch fettfrei (wie zum Beispiel Kartoffel), dann an einem Tag wieder nur etwas Wasser. Wobei dies nun eine strenge monastische Variante ist. Während dieser Zeit gehört auch der Verzicht auf Theaterbesuche dazu. Ganz besonders im Mittelpunkt steht der Weg zu Gott: Gebet und häufige Kirchgänge und lange Liturgien und Gottesdienste, über die ich noch berichten und somit möglichst alle besuchen möchte. Die Woche vor der großen Fastenzeit - die fleischlose Woche - dagegen ist eine sehr fröhliche Woche. So werden viele Blinis (Pfannkuchen) gegessen - wie an diesem Abend auch - und es herrscht eine fröhliche Stimmung - vielleicht ist sie etwas mit der Karnevalszeit in Deutschland vergleichbar. Nur dass ich von hier bislang keine Verkleidungen und Prunksitzungen kenne.

Als ich um 23 Uhr im Wohnheim wieder ankam, war man dort auf dem Hof auch am feiern: Es dauerte gar nicht lange, da wurde ich zum Tanzen und Toben im Schnee aufgefordert - und dabei ziemlich häufig abgelöst. Und so haben wir dann noch bis kurz vor Mitternacht viel Spaß und Freude gehabt. Es war der erste Abend, den ich hier im Wohnheim erlebt habe, an dem Männer und Frauen gemeinsam so ausgelassen gefeiert und Spaß gehabt haben - ohne Alkohol natürlich. Nach diesem wunderschönen, vorfastenzeitlichen Ereignis hatte ich dann sogar Kontakt mit einigen Studenten von meiner Etage, zu denen ich sonst gar keinen Zugang außer einen Gruß finde, der dann irgendwie hingenuschelt erwidert wird. Mit Peter und Oleg haben ich dann noch in der Küche zusammen gesessen und Tee getrunken. Gegen halb eins habe ich dann noch einige Liedtexte, die ich nach der Chorstunde fotografiert habe und morgen ausdrucken will, so zurechtgeschnitten, dass ich sie problemlos ausdrucken kann und sie lesbar sind. Denn für Donnerstag muss ich sie noch fleißig lesen lernen. So bin ich dann erst gegen halb zwei ins Bett gekommen - aber total glücklich mit dem, was ich an diesem Tag erleben durfte.

 

 

Samstag, 28. Februar 2009

Und nun ist schon wieder der letzte Tag im Februar. Wo ist bloß die Zeit geblieben? Alles vergeht wie im Fluge und ich merke die Zeit kaum - ich weiß nur, dass die Zeit eine sehr schöne Zeit ist. Und manchmal wünsche ich mir, dass ich die Zeit bremsen könnte oder dass ich nicht gezwungen bin, so schnell zu genießen.

Heute ist eigentlich vieles anders gekommen, als ich geplant habe. Zunächst habe ich heute Morgen meinen Taschencomputer bei Masha abgeholt, den ich dort gestern Abend vergessen hatte. Dann hatte ich eigentlich geplant, nach der Vorlesung das Tagebuch auszudrucken und es dann direkt mit einem anderen Brief zu verschicken und natürlich vorher noch in der Stalowaja zu essen. Nun hatte ich meinem Bruder eine SMS geschrieben, dass ich später im Internet sein werde - wir wollten heute telefonieren. Nach der Vorlesung stellte sich heraus, dass es kein Mittagessen in der Stalowaja gibt, weil eine Fakultät ihren Fakultätstag hatte. So habe ich Nina gesucht, mit der ich etwas ausdrucken wollte. Sie war aber schon in einer Vorlesung. So habe ich Matthias angerufen und ihm gesagt, dass ich jetzt schon Zeit zum telefonieren hätte und so haben wir etwa eine Viertelstunde später gemeinsam über das Internet telefoniert. Mein geänderter Plan war, Nina um halb zwei zu treffen, ich fand sie aber nicht vor. Sie war angeblich einkaufen gegangen. Letztlich habe ich sie in der Mensa gefunden, die nun doch geöffnet hatte. Dann habe ich auf sie gewartet, weil sie mir gesagt hatte, dass sie gleich kommen würde. Ich habe mich dann aber doch zu ihr gesetzt und ich habe dann zu Mittag gegessen. Gegen Viertel vor drei haben wir dann ein paar Liedtexte ausgedruckt, die ich noch für den Chor lernen will - dabei ist leider die Tonerkartusche des Druckers leer geworden, so dass das Drucken zwecklos geworden ist. Nun war es mittlerweile kurz nach drei, ich habe mich bei Nina verabschiedet und bedankt und bin dann in den Laden gegangen, wo ich die Jacke gekauft habe und habe die Verkäuferin dort gefragt, wo denn mein Taschentuch - ein Geschenk des Hauses - wäre. Sie hatte es in eine der vielen Jackentaschen gesteckt und ich es noch nicht gefunden. So bin ich heute gar nicht mehr zur Post gekommen.

Dann bin ich mit Mashas Familie in den Mäusezirkus gefahren. In der Metrostation "Zwjetnoj Boulevard" haben wir noch eine Bekannte Mashas mit ihrem Enkel getroffen. Sie ist eine Deutschlehrerin, mit der ich bis nach der Vorstellung viel auf Deutsch unterhalten habe. Der Mäusezirkus ist für Kinder gedacht, aber für Erwachsene durchaus auch interessant. Insbesondere finde ich die Einfachheit der Bühne interessant, mit der man aber einen sehr hohen Wirkungsgrad erzielen kann. Es ist mehr oder minder eine Gartenbahn dort aufgebaut, die im Kreis fährt mit Mäusen als Passagiere. Und rundherum passieren alle möglichen Dinge: Figuren erscheinen und bewegen sich und irgendwo auf der Bühne ist immer etwas in Bewegung oder gab es etwas zu entdecken. Nach dem Theater waren Masha und ich noch im Militärmuseum und wir haben uns die Ausstellung im Freigelände angeschaut - Masha wollte mir dort eine Dampflokomotive mit Kriegsverkleidung zeigen - ein in der Tat durchaus interessantes Exponat. Ich denke, dass ich das ganze Museum mal besuchen werde, da es doch interessant zu sein scheint.

Nach dem Besuch hatten wir etwas Hunger und ich kannte ein Café kurz vor der Metrostation. Dort haben wir uns eine Obsttorte und Tee gekauft - Masha dann noch eine Kartoffel mit Füllung. Alles haben wir redlich geteilt und sogar alles aufgegessen. Das war unser Abschied von der fleischlosen Zeit - der Übergang in die große Fastenzeit ohne tierische Produkte. Wir wollten eigentlich noch in den Gottesdienst gehen, waren aber nachher viel zu spät dran. Bei ihr zu Hause angekommen, habe ich mich noch ein wenig in der Küche nützlich machen dürfen und nach dem Abendessen bin ich nach Hause ins Wohnheim gefahren. Wir haben uns heute über die Farben der liturgischen Gewänder in der russisch-orthodoxen Kirche unterhalten: Gold steht also für normale liturgische Tage - dies ist in der katholischen Kirche die Farbe grün. Grün steht in der orthodoxen Kirche für etwas, dass mit dem Heiligen Geist in Verbindung ist, blau ist ein Marienfest, violett wie in der katholischen Kirche die Fastenfarbe, in der großen Fastenzeit wird aber schwarz getragen. Zu Ostern ist rot dran, was in der katholischen Kirche ja die Farbe der Märtyrer ist. Und letztlich gibt es noch weiß, das ist für Hochfeste wie Weihnachten, Priesterweihe und letztlich auch für Beerdigungen - es ist, wie an anderer Stelle schon beschrieben, die Farbe der Freude.

Nachtrag: Als ich auf dem Hof stand und auf Nina gewartet habe, habe ich die Segnung eines Autos durch Vater Niclolai. gesehen. Dabei geht es nicht so zaghaft zu, wie ich es aus meiner Gemeinde in Oldersum kenne: Die Türen und die Motorhaube des Autos würde geöffnet, es wurden ein paar Gebete gesprochen und dann hat Vater Nicolai das Auto mit einem großen Weihwasserpinsel gesegnet. Dabei hat er durch jede Türe einen vernünftigen Schlag Wasser gespritzt. Und zum Schluss wurde der Autobesitzer auch noch in dieser Art und Weise gesegnet und der Pinsel über ihm ausgeschüttelt.

 

 

Sonntag, 01. März 2009

Heute bin ich genau rechtzeitig zur Göttlichen Liturgie in die Fakultätskirche gekommen und habe eine wie immer sehr schöne Liturgie erlebt. Dort habe ich Janka auch wieder getroffen, die jetzt für einige Zeit in Moskau studieren wird. Anschließend haben wir zusammen mit einigen Freunden in der Stolowaja gegessen und viel erzählt. Auf dem Weg zur Kirche heute Morgen habe ich vor dem Wohnheim eine Schneeraummaschine gesehen - auch wenn kaum Schnee auf der Straße lag: Zunächst fuhr eine Art Raupe vorweg, die alles an die Seite geschoben hat, und dann kam eine Art Förderband, dass den zusammen geschobenen Schnee (eigentlich eine grau-schwarze Pampe) in einen rückwärts dahinter rollenden Lastwagen befördert hat.

Gegen Abend war der Versöhnungsgottesdienst, der am Anfang der großen Fastenzeit steht, die nun mit dem morgigen Tag anfängt. Eigentlich wollte ich von einer Kirche in die andere spurten, das hat dann aber wegen eines kurzfristigen Treffens nicht mehr geklappt, so dass ich nur zur Fakultätskirche gekommen bin. Das hat mich ein wenig geärgert, weil es mir wichtig war, in beide Kirchen zu kommen. Nach dem Gottesdienst stellten sich die Priester und Diakone - es waren eine ganze Menge - in einer Reihe auf und man bat sich gegenseitig um Vergebung: "Ich bitte um Verzeihung." - "Gott hat verziehen, so verzeihe ich auch." Dazu gehörte dann noch der Segen mit dem Kreuz, mit dem Kreuz- und Handkuss. Die Diakone dagegen hatten ein Evangeliar in der Hand.

Anschließend war ich wieder bei Masha zu Hause eingeladen, wo ich mich wieder sehr drüber gefreut habe. Dort fühle ich mich immer rundum wohl und gut aufgehoben. Vor meiner Zeit in Russland habe ich mir manchmal ausgemalt, dass so etwas Ähnliches eintreten möge, da aber im Leben nicht mit gerechnet. Dass das wahr geworden ist, ist für mich ganz großes Glück und große Freude.

An diesem Abend ist in der Fakultätskirche noch etwas ganz besonderes passiert: Eine Ikone des Hl. Nikolaus hat Myron gegeben: Dann befindet sich auf einmal ein Tropfen an der Scheibe, der einen starken, aber recht angenehmen Geruch hat. Ich selber habe das nur noch gerochen und den Tropfen selbst nicht mehr gesehen, weil ihn viele Nasen vor mir schon platt gedrückt haben. In der Sowjetzeit haben insbesondere alte oder berühmte Ikonen hin und wieder Myron gegeben und auch heute ist dies manchmal der Fall. Diese Ikonen sind in den Kirchen dann etwas ganz Besonderes - und auch, wenn sie Myron geben. Dann werden sie von den Gläubigen sehr tief verehrt. 

 

Schneeräumen auf Russisch.

 

 

Montag, 02. März 2009

Heute Morgen habe ich zuerst einmal ausgeschlafen und bin erst um halb zehn aufgestanden. Ich hatte das Gefühl, dass das mal notwendig war. Anschließend bin ich in die Stadt gefahren um ins Internet zu gehen, in der Mensa zu essen, zum Postamt zu fahren und um mich dann letztendlich mit Masha zu treffen. Beim Postamt hatte ich sehr viel Glück, denn ich brauchte dort keine fünf Minuten warten und schon war ich an der Reihe. Dieses Mal konnte ich die Fahrt zur Post in etwa einer Stunde erledigen - von der Universität aus gesehen. Um 18 Uhr sind wir gemeinsam in den Gottesdienst gegangen, der wiederum sehr interessant und vor allem sehr schön war. Ich habe jetzt eine ziemlich genaue Vorstellung von dem, was mich am Donnerstag Abend erwartet, wenn mein Chor singen wird. Bis jetzt habe ich ja noch einige Sorgen, dass das vernünftig klappen wird. Aber mal schauen. Anschließend war ich wieder bei Masha zu Hause, wo wir wieder zusammen zu Abend gegessen haben. Anschließend bin ich wieder glücklich ins Wohnheim gefahren - wie so oft, wenn ich abends von dieser Familie ins Wohnheim zurückkomme.

 

 

Dienstag, 03. März 2009

Dieser Morgen begann zunächst damit, dass ich meine letzten Käsevorräte aufgegessen habe und damit für mich die Fastenzeit mit dem morgigen Tag richtig beginnt und die ich ja bis zum Osterfest durchhalten möchte. Anschließend war ich kurz mit meinem Taschencomputer im Internet und habe dann, bevor ich zum Gottesdienst gegangen bin, noch ein paar liturgische Bücher gekauft. Anschließend wurde ich wieder von Mashas Eltern zum Tee eingeladen - vorher war ich mit ihr aber noch Ikonen kaufen, die ich dann nach dem Mittagessen gleich als Geschenk verschickt habe.

Am Abend waren wir wieder in dem Abendgottesdienst des Heiligen Andrej Kritskij6 - dem Kanon - der wieder besonders schön war. Besonders die Gesänge haben es mir ja angetan, sie sind einfach total schön und beruhigend. Ich stelle mich dann gerne in die Kirche, schließe die Augen und höre einfach nur zu und bekreuzige mich bei jedem "Herr, erbarme Dich meiner". Und dazu die schummrig von Kerzen erleuchtete Kirche - all das macht dort eine wunderbare Atmosphäre.

 

 

Mittwoch, 04. März 2009

Die Gottesdienste der orthodoxen Fastenzeit sind einfach wunderschön: Heute war ich ähnlich wie gestern in den Gottesdiensten - zunächst am Morgen in der Fakultätskirche. Dort war neben anderen Gottesdiensten zum Schluss die Liturgie der vorgeweihten Gaben, also die Gregoriusliturgie. Sie zeichnet sich auch durch eine besondere Schönheit aus, vor allem wenn drei Geistliche vor der Tagesikone einen Gesang singen. Aber auch der Chor, der heute nur aus wenigen Personen bestand, sang sehr zart und sehr schön. Wenn die Fastenzeit so weitergeht, dann wird es eine wirkliche Vorbereitung auf das Osterfest - oder die Osterfeste. Am Abend war ich in einer großen Krankenhauskirche zum Abendgottesdienst, der nach dem Heiligen Andrej Kritskij benannt ist. Es war die Bruderschaft von Vater Vladimir, die heute Abend zelebriert hat. Die Kirche war voll und es herrschte die gleiche schöne Atmosphäre wie am Vorabend. Am Ende der Liturgie war ich ziemlich traurig, weil ich sie in dieser Form vielleicht so schnell nicht wieder hören werde. Morgen ist diese Liturgieform zwar noch einmal, aber dann singe ich selbst im Chor mit, so dass es dann etwas ganz anderes ist: Dann kann ich mich nicht so in den Gottesdienst hineinfühlen. Morgen Abend ärgere ich mich vielleicht über meine Mitsänger, die während dem Gottesdienst oft mit dem Handy spielen oder miteinander reden. Wobei die Chorprobe heute völlig miserabel ausgefallen ist. Vater Alexej ist zwar nicht böse geworden, aber auf Anhieb haben wir gar nichts hinbekommen. Ich bin momentan der festen Überzeugung, dass mein Chor sich morgen Abend fürchterlich blamieren wird. Und zwischendurch war ich - wie jeden Tag in dieser Woche - bei Masha zu Gast. Dort fühle ich mich mittlerweile sehr wohl und fühle mich dort gut aufgehoben. Ich bin jeden Tag sehr glücklich, wenn ich mich abends auf den Nachhauseweg mache.

 

 

Donnerstag, 05. März 2009

So wie ich es mir am Vortag vorgenommen hatte, bin ich an diesem Morgen in Elenas Gemeinde gefahren und habe dort den Morgengottesdienst mitgesungen, der sich wiederum aus verschiedenen Gottesdiensten zusammensetzte und und mit der Vetschernaja endete - auch wenn es Morgen war. Nach dem Gottesdienst hat mich Vater Pawel zum Kartoffeln essen eingeladen. Er hat unter der Kirche im Keller seine eigene Ecke - sogar mit einer eigenen kleinen Küche. Gekochte Kartoffeln hatte er noch und so war das Essen schnell fertig. Während dem Essen ist mir dann irgendwann eingefallen, dass in der ersten Woche ja eigentlich auch kein Öl gegessen wird, und so habe ich seine Toastbrote mit Öl dann höflich abgelehnt. Wir haben uns in seiner Wohnecke, die mit Büchern und allen möglichen anderen Dingen vollgestopft ist, noch über dies und jenes unterhalten. Zum Schluss gab er mir ein Buch über die liturgischen Gegenstände und ein paar Dekokerzen - dann bin ich in das Einkaufszentrum gefahren, wo ich immer ins Internet gehe. Im Internet habe ich mir etwas Zeit gelassen und konnte so das Neueste aus der Heimat und der Welt erfahren. Anschließend war ich in der katholischen Fakultät essen und habe dann bei Masha bis zur Chorprobe, die für halb fünf angesetzt war, ihr bei dem Übersetzen eines Textes geholfen.

Die Chorprobe ist halbwegs normal ausgefallen, hätte aber besser sein können. Anschließend haben wir um 18 Uhr im Kanon des Heiligen Andrej Kritskij das gesungen, was wir vorher geprobt haben. Was wir "abgeliefert" haben, kann man als halbwegs normal bezeichnen, zumindest waren für diesen Abend meine Sorgen nicht berechtigt. Mit uns zusammen haben einige Priester und Diakone gesungen, so dass zeitweise die Väter Nicolai und Alexej Emeljanov vor mir standen. Nach dem Gottesdienst habe ich das Angebot bekommen, bei Masha zu übernachten, weil mein Chor ja am nächsten Morgen schon wieder singen sollte. So habe ich mir noch schnell eine Zahnbürste gekauft. Nach dem Abendessen haben wir noch etwas gequatscht und den Abend ruhig ausklingen lassen.

 

 

Freitag, 06. März 2009

Der heutige Tag fing schon um sechs Uhr an, aber dennoch wesentlich später, als wenn ich im Wohnheim geschlafen hätte, weil ich mir ja die wenigstens 40-minütige Fahrt zur Fakultätskirche sparen konnte. Nach einer großen Tasse Tee und ein paar Marmeladenbrote bin ich dann zur Kirche gegangen, wo ich auf die Minute genau angekommen bin. Die Gottesdienst hatte schon angefangen, nur waren die wenigsten schon da. So sangen ein paar Priester, Diakone und einige Studenten aus höheren Kursen. Zu Anfang haben wir uns einfach nur blamiert - nicht einmal ein einfaches "Herr, erbarme Dich" hat auch nur ansatzweise geklappt. Es klang oft wie ein alter Plattenspieler, der anfangs leiert. Irgendwann kam Vater Nicolai und hat jeden einzelnen von uns gesegnet - vielleicht ist es daraufhin etwas besser geworden. Um kurz vor zehn Uhr kam Vater Michael und dann wurde der Chor aufgeteilt. Daraufhin, so mein Eindruck, wurde es wesentlich besser - es war aber noch lange nicht gut. Auch wenn mir vielfach gesagt worden ist, dass es gut war, so habe ich es als eine absolute Blamage empfunden und war heilfroh, als alles um kurz vor eins vorbei war. Zum Schluss der Liturgie der vorgeweihten Gaben, die in etwa so etwas ist wie ein Gottesdienst mit Kommunionausteilung in der katholischen Kirche, wurde eine gesegnete Süßspeise aus Weizen und viel Zucker ausgeteilt. Sie geht auf das Fest des Heiligen Theodor zurück. Er ist während der Christenverfolgung einem Bischof erschienen und hat ihm Rat gegeben. Weil gerade Fastenzeit war, durften keine tierischen Produkte gegessen werden. Es gab jedoch einen staatlichen Befehl, alle Lebensmittel mit dem Blut von Opfertieren zu besprengen. Der Hl. Theodor hat den seinen Gläubigen gesagt, dass nicht zu essen und dafür etwas zuzubereiten. Daraus ist dann eine Süßspeise geworden.

Daraufhin bin ich wieder bei Masha zu Hause gewesen, wir haben zusammen gegessen und anschließend eine ruhige Pause eingelegt. Am Nachmittag sind wir nach Zarizino in den Park gefahren, wo ich abends einmal kurz mit Sonja und Ludwig war, und sind dort spazieren gegangen. Die Parkanlagen dort sind wirklich sehr schön - vor allem habe ich noch einmal den Schnee genossen, der jetzt so nach und nach langsam schmilzt und weniger wird - denn tagsüber herrscht momentan Tauwetter. Dort kann man wunderschön und sogar recht ausgedehnt spazieren gehen - es ist ein Ort in Moskau, wo es an diesem Tag recht ruhig und beschaulich zuging. Das Schloss und die Parkanlagen sind erst vor ein paar Jahren wieder hergestellt worden, so dass alles noch sehr neu und schön aussieht.

Nach dem Abendesssen bin ich dann ins Wohnheim gefahren, wo ich ziemlich schnell ins Bett gefallen bin und mir vorgenommen habe, am nächsten Tag auszuschlafen und habe dementsprechend den Wecker nicht gestellt.

Herr, Gebieter meines Lebens, den Geist des Müßiggangs, der Kleinmut, der Herrschsucht und der Geschwätzigkeit gib mir nicht. Den Geist der Keuschheit, Demut, Geduld und Liebe aber verleihe mir, Deinem Diener. Ja, Herr und König, lass mich meine eigenen Sünden erkennen und nicht meinen Bruder verurteilen, denn gepriesen bist Du in Ewigkeit. Amen. (Bußgebet des Heiligen Ephraim)

 

Während der Liturgie der vorgeweihten Gaben.

 

Tor mit Blick zur Kirche.

 

Das Schloss Zarizino.

 

Brücke.

 

 

Samstag, 07. März 2009 - Fest des Heiligen Theodor

An diesem Morgen habe ich zunächst ausgeschlafen - bin aber dennoch schon um kurz nach halb neun aufgestanden und habe dann erst einmal eine ganze Menge Klamotten gewaschen. Den Vormittag habe ich damit verbracht, ein paar Bücher herauszusuchen und sie zu archivieren. Sie werde ich am Dienstag Ottmar Steffan mitgeben, den ich dann am Paveljezker Bahnhof treffen werde und der noch Gewicht übrig hat. Dann habe ich mein Zimmer aufgeräumt und das erledigt, was in den letzten Tage liegen geblieben ist. Da ich an diesem Morgen aber recht trödelig war, habe ich nicht viel zustande gebracht - ich hatte eigentlich noch vorgehabt, wenigstens einen Text für meine Hausarbeit zu übersetzen. Das wird hoffentlich am Montag was werden. Zwischendurch habe ich beobachtet, wie ein paar Arbeiter eine Art Bauzaun auf dem Hof, der mittlerweile vom Schnee so gut wie frei geräumt ist, aufgestellt haben. Kurz nachdem sie weg waren, hörte man es auf laut scheppern und klötern - der Bauzaun war auf seiner ganzen Länge umgefallen. Ich vermute, dass das durch den Wind kam - auch wenn heute nicht so viel Wind war.

Am Mittag bin ich wieder nach Masha gefahren - und habe zwischendurch festgestellt, dass meine neu gekaufte Jacke an der Tasche wieder eingerissen war. Gestern war ich schon bei einer Frau, die das repariert hat und nun musste ich noch einmal wieder hin. Nun hoffe ich, dass die Jacke ihre gute Qualität nicht vortäuscht. Ich weiß bislang nur noch nicht, wo ich mir die Jacke eingerissen habe.

Am Abend sind wir dann gemeinsam in die Vetschernaja gegangen - auch wenn ich eigentlich erst in die Heilige Messe wollte. Das werde ich auf einen anderen Tag verschieben. Es war einfach mal wieder zu schön bei ihr zu Hause - zumal ich mit ihrem jüngsten Bruder Kolja sehr gut klar komme und wir gemeinsam Spaß haben. So haben wir uns heute über die Sitzbank und die Hocker gejagt, die rund um den Küchentisch standen und dabei viel gelacht. 

Jetzt, am Abend, hat es wieder geschneit und die Temperaturen tendieren in Richtung -5°C und es gibt Vorhersagen, dass es wohl wieder recht kalt werden soll - vielleicht sogar -11°C. Der Winter scheint sich also wieder zurückzumelden. Mich freut es - zumal ich den Schnee noch lange nicht leid bin und mich über jede Schneeflocke sehr freue.

 

 

Sonntag, 08. März 2009 - Fest der Orthodoxen Christenheit und Frauentag

An diesem Tag wurden zwei Feste begangen - zum einen der staatliche Frauentag und das kirchliche Fest zu Ehren der orthodoxen Christenheit. Ersteres hat in der orthodoxen Kirche kaum eine Bedeutung, weil es ein staatliches Fest ist und die Wurzeln im Kommunismus zu finden sind. Ich habe heute in der "nicht-orthodoxen Welt" eine Menge Frauen gesehen, die Blumen in der Hand getragen haben und an jeder Ecke standen Blumenverkäufer mit Tulpen und Rosen. In der orthodoxen Kirche dagegen wurde heute die Göttliche Liturgie nach Basilius dem Großen gefeiert und im Anschluss ein Gottesdienst zum Lob auf das orthodoxe Christentum gefeiert. Diese beinhaltete Gebete für die lebenden und verstorbenen Patriarchen der verschiedenen orthodoxen Kirchen, für die Bischöfe, das Kirchenvolk und es wurde auch ein kurzer Anathemagesang gesungen. Zu dieser Liturgie gehörte auch eine Lesung und das Evangelium und vor allem das Glaubensbekenntnis. Dies alles geht auf das siebte ökumenische Konzil zurück. Es schien, als hätte sich Vater Michael besonders auf den Gottesdienst gefreut, denn er lächelte vor und nach seinem Gesang still vor sich hin. So konnte er wieder seine ganze Stimmgewalt unter Beweis stellen, was ihm sehr eindrucksvoll gelungen ist.

Nach der Liturgie bin ich mit Masha einkaufen gegangen, weil ich mich freiwillig zum Kochen bei ihr zu Hause gemeldet habe. Es hat Nudeln mit einer Tomatensoße geben - dazu habe ich als kleine Überraschung einen Obstsalat als Nachtisch und einen Gemüsesalat gemacht. Das Essen ist sehr gelobt worden, auch wenn ich selbst nicht so richtig zufrieden war. Der Ketchup schmeckte irgendwie ziemlich chemisch. Nach dem Essen haben wir dann den Film "Der Himmel über Berlin" geschaut und sind dann von Mashas Mutter zum Kuchen essen eingeladen worden. Und so bin ich wie die letzten Tage auch erst um 23 Uhr im Wohnheim angekommen...

 

 

Montag, 09. März 2009

An diesem Tag war Moskau noch völlig ausgestorben, denn da der gestrige Feiertag auf einen Sonntag gefallen ist, wurde der Montag als arbeitsfreier Tag einfach einen Tag nach hinten verschoben. Für mich war es angenehm, weil kaum Stress in der Metro und auf den Straßen herrschte. So konnte ich ganz ruhig und entspannt in einem Hotel nach Preisen und Konditionen fragen und anschließend ins Internet und einkaufen gehen. Einziger Schwachpunkt an der Ruhe war das Wetter: Heute hat es zuerst geschneit und dann hat es den ganzen Tag über getaut, so dass die Straßen voll Wasser und Matsch waren, so dass man fast ein Schiff gebraucht hätte. Zum Glück bin ich nicht ausgerutscht und auch nicht von Autos nass gespritzt worden.

In der Universität angekommen, konnte ich mir kaum vorstellen, dass die Ethikvorlesung stattfinden würde, denn erstens war heute ein staatlicher Feiertag und zudem habe ich in der Stalowaja keinen Studenten gesehen, der mit in die Vorlesung gegangen wäre. Als ich dann die Türe zum Lesesaal geöffnet habe, saßen dort schon zwei Studenten und auch der Dozent. Im Laufe der nächsten Minuten kamen dann noch zwei weitere Studenten, so dass die Vorlesung stattgefunden hat. Anschließend habe ich mir CD's gekauft mit dem Kanon des Heiligen Andrej Kritskij, den ich ja vier Mal in der letzten Woche gehört habe und die mir so gut gefallen hat. Dann habe ich Daniel, einen ostfriesischen Freund, angerufen und ihm zum Geburtstag gratuliert. Eigentlich hatte ich den Geburtstag vergessen, weil ich nicht mehr so häufig auf eine Internetseite schaue, die praktischerweise Geburtstage anzeigt, konnte mir aber heute den julianischen Kalender zunutze machen, nach dem er heute Geburtstag gehabt hätte.

Auf dem Rückweg von Masha ins Wohnheim habe ich einige Kommilitonen verschiedener Fakultäten getroffen und wir haben uns in der Elektritschka prächtig unterhalten und viel gelacht. Am Abend habe ich dann noch mit meinen Eltern telefoniert und wir haben ihre Reise im Mai zu mir nach Moskau geplant.

 

 

Dienstag, 10. März 2009

Da ich die letzte Nacht nicht sonderlich fest und gut geschlafen habe, war das Klingeln des Weckers am Morgen um 5:45 Uhr eine echte Qual - und das Aufstehen noch viel mehr. Ich habe aber noch in Ruhe frühstücken und mich auf den Tag vorbereiten können. Um Punkt halb acht fuhr dann der Zug aus Saratov in Begleitung von Marschmusik aus dem Lautsprecher ein, in dem Ottmar Steffan saß, den ich dann vom Paveljezker Bahnhof bis zum Flughafen Sheremetevo II begleitet habe. Er hatte nur wenig Gepäck dabei, so dass ich ihm etwa 10kg Bücher und moderne Ikonen mitgeben konnte, die ich hier nicht mehr benötige. Das war mir eine große Hilfe und Kostenersparnis, so dass ich da sehr glücklich drüber war. Und zudem ist es immer sehr spannend, sich mit ihm zu unterhalten, das er einerseits immer Neuigkeiten aus der Heimat oder dem Bistum hat und ebenfalls Neuigkeiten aus dem Süden Russlands mitbringt, die für mich sehr interessant sind. Und wie immer vergeht die Fahrtzeit mit ihm wie im Fluge. Nachdem wir uns im Flughafen Sheremetevo II verabschiedet haben, habe ich noch im Flughafenbahnhof aus dem Fenster geblickt und mich gewundert, dass in der neuen Bahnsteighalle Eis und Schnee auf dem Bahnsteig lag. Ein Blick nach oben ließ mich fast erschrecken: Die Plastik- oder Glasdachplatten der Halle haben den Schnee nicht ausgehalten und sind entweder ganz aus dem Dach in den Bahnhof gefallen oder hängen lose dort im Dach herum. Und dabei ist der Bahnhof dort noch ganz neu und fällt schon auseinander. Das war mir wiederum ein kurzes Telefonat mit Ottmar wert, dem ich das dann noch schnell erzählt habe...

In der Universität habe ich von den Vorlesungen kaum etwas mitbekommen, weil ich sehr müde war und mich nicht gut konzentrieren konnte. Die Nacht und das frühe Aufstehen zeigten ihre Wirkung. Nach den Vorlesungen habe ich mich im Bahnhof nach Preisen für eine Bahnfahrt nach Saratov und mit dem Express nach St. Petersburg erkundigt und habe dann meine Mutter angerufen und deren Reise weitergeplant. Ich war noch nicht lange im Wohnheim, da rief sie wieder an und wir haben ausgemacht, dass ich in dem Hotel, in dem Sonja und Ludwig auch schon waren, Betten buche. Das habe ich dann direkt darauf auch gemacht, indem ich zum Hotel gefahren bin. Mit Vater Marcus habe ich abgeklärt, dass ich mit meiner Familie nach St. Petersburg kommen und im Priesterseminar übernachten kann. Zwischendurch habe ich noch mit Nathalie telefoniert, die heute Geburtstag hat und die mich mit Mark Anfang Mai hier besuchen wird. Gleichzeitig zu den ganzen Reisevorbereitungen hat mir dann Juri Valerjewitsch noch die Einladungen für die Visa gegeben. So stand dieser Nachmittag und Abend völlig in den Vorbereitungen für meine Gäste.

 

 

Mittwoch, 11. März 2009

Der Wecker hat mal wieder recht zeitig um 7:45 Uhr geklingelt und kurz darauf bin ich aus den Federn gestiegen. Vor dem Frühstück habe ich meine Winterjacke aus dem Trockenraum geholt - oben herum war sie schon herrlich trocken, unten dafür noch klatschnass. Ich habe sie dann bei mir ins geöffnete Fenster gehängt, als ich mein Zimmer gelüftet habe. Sie hat dann den ganzen Tag am etwas geöffneten Fenster gehangen und war abends so gut wie trocken.

Ich wollte dann eigentlich um kurz nach halb elf mit dem Zug in die Stadt fahren, doch der hatte fast 15 Minuten Verspätung, so dass ich schon Angst hatte, ich würde es nicht mehr zur Post schaffen. Dort bin ich trotzdem noch halbwegs pünktlich angekommen und konnte so noch Einladungen verschicken, damit meine Freunde und Eltern die Visen besorgen können. Zu dem Postamt, zu dem ich oft gehe, muss ich meistens nicht sonderlich lange warten und werde auch freundlich bedient. Wenn es Probleme gibt, sind die nach wie vor immer freundlich zur Stelle.

Anschließend bin ich in die Vorlesungen gegangen und zum Schluss war noch wie üblich die Chorstunde. So wie es aussieht, müssen wir noch einmal den Kanon des Heiligen Andrej Kritskij singen, zumindest haben wir noch einmal einige Lieder dafür geübt. Schön fand ich auch, dass wir wieder ein Lied gesungen haben, dass mich wohl Zeit meines Lebens an Vater Alexej Emeljanov erinnern wird - wir nennen es immer nur kurz "Bratije", also "Brüder". Nach der Chorstunde habe ich mich mit einem Kommilitonen getroffen, der mir gerne ein größeres Geschäft zeigen wollte, wo man Ikonen und alle möglichen liturgischen Gegenstände kaufen kann. Es ist ein wirklich sehr großes Geschäft und es lohnt sich tatsächlich dorthin zu fahren, wenn man Ikonen kaufen möchte. Einerseits sind sie dort günstiger und die Auswahl ist einfach riesig. Doch leider habe ich nicht die Ikone gefunden, die ich suche. Das scheint mir wieder ein größeres Problem zu werden und ich bin mal gespannt, ob ich eine Lösung dafür finde. Wenigstens bin ich in dem Geschäft etwas fündig geworden - ich habe wenigstens für zwei Freunde etwas auftreiben können. Danach bin ich zur katholischen Kirche gefahren und habe dort ein weiteres Geschenk gekauft.

Bis auf eine Etagenbesprechung gab es sonst heute nichts weiteres Besonderes - ich halte die Fastenzeit weiter ohne größere Probleme ein, überlege mir oft, was ich zu Essen machen könnte (heute ist mir das Pizzabrot eingefallen, dass ich mit "Fasten-Majonaise" machen könnte. Ich muss nur noch erforschen, wo ich die kaufen könnte. In Moskau taut der Schnee immer weiter, so dass es nach wie vor genügend Wasser und Matsch auf den Straßen gibt und der Schnee immer weniger wird - mittlerweile kann man es gut sehen.

Und auch in Sachen meiner Wohnung gibt es Fortschritte - eigentlich schon seit gestern und leider keine positiven. Da mein jetziger Zwischenmieter viel früher als geplant auszieht, werde ich eine verminderte Monatsmiete zahlen und diese ab etwa Mitte Juli wieder bei der Müllabfuhr in Münster erarbeiten. Das bedeutet leider auch, dass die geplante Klostertour nach Walaam und ein angedachtes Praktikum bei Bischof Clemens in Saratov ausfallen werden. So mischt sich in die letzten Tage doch viel Wehmut, dass ich schon etwas eher in die Heimat aufbrechen muss. Eigentlich möchte ich das gar nicht...

Und dann ist da noch die reparierte Treppe, die zur Brücke über den Güterbahnhof zur Elektritschkahaltestelle Pererwa führt: Sie ist eigentlich noch gefährlicher als ohnehin schon geworden, weil es jetzt noch größere Eisenkanten an jeder Stufe gibt, die sicherlich zwei Zentimeter oder sogar mehr hoch sind. Menschen mit kleinen Füßen haben das Problem, dass sie daran stolpern können, bei meinen Füßen muss ich aufpassen, dass ich nicht irgendwo mit den Absätzen hängen bleibe. Und dann ist da einerseits noch eine Lasche ins Beton gegossen, die nicht wie die anderen umgebogen ist. Das ist eine sehr gefährliche Stolperfalle, da die Lasche um die etwa zehn Zentimeter hoch ist und sich genau in der Laufbahn befindet, wo das Treppengeländer ist. Oben passt die Treppe nicht richtig an die Brücke und dieser 30cm-Spalt ist notdürftig mit einer Metallplatte abgedeckt, die noch nicht einmal befestigt ist. Wenn sich jetzt noch Regenwasser in den Stufen sammelt, dann hat die russische Eisenbahngesellschaft es tatsächlich geschafft, rückwärts zu renovieren: Vorher war der Zustand zwar schon arg bedenklich, aber jetzt scheint es noch katastrophaler auszusehen.

 

 

Donnerstag, 12. März 2009

Bevor ich heute in die Stadt gefahren bin, habe ich zunächst einen Text zum Heiligen Apostel und Evangelisten Matthäus übersetzt und bin damit sogar fertig geworden. In der Stadt war ich zunächst erst im Internet, wo ich mit meinen Eltern ein paar wichtige Sachen für die Russlandreise geklärt und E-Mails abgefragt habe. Da war auch eine etwas ältere Mail dabei mit dem Inhalt, dass es vielleicht einen Zwischenmieter für meine Wohnung gibt. Diese Mail hätte ich aber noch bis abends beantworten müssen. Leider komme ich ja nicht ganz so oft ins Internet, so dass ich drei Tage zu spät war. Am Abend habe ich den bisherigen Mieter meiner Wohnung angerufen und ihm gesagt, dass er sich in solchen Dingen sofort per Mail oder SMS melden soll. Er will jetzt versuchen, den bereits abgesagten Mieter noch für die Wohnung zu gewinnen. Ich hoffe, dass das klappt, denn dann würde Walaam für mich doch noch möglich werden. In dieser Beziehung sind das nun doch recht turbulente Tage.

Nach der Vorlesung habe ich mich mit Masha getroffen und wir sind zunächst einkaufen gegangen - die Zutaten für eine "Fastenpizza", die ich mit Masha dann zusammen für ihre Familie gemacht habe. Ihre Mutter hatte auch Essen gekocht, davon haben Masha, ihr Vater und ich aber am frühen Abend soviel von gegessen, dass wir gezwungen waren, doch neu zu kochen. Neben der Pizza haben wir Nudeln gekocht, die wir anschließend mit Tomatenmark und Zwiebeln angebraten haben. Alles in allem ist es sehr lecker geworden. Die "Fasten-Majonaise" für die Pizza habe ich zum Glück schnell gefunden - sogar im Angebot.

 

 

Freitag, 13. März 2009

Dieser Tag war ein gewöhnlicher Tag, jedoch mit einigen ungewöhnlichen Gegebenheiten. Als ich im Kursker Bahnhof aus dem Zug ausgestiegen bin, habe ich einen kleinen Güterzug gesehen, auf deren Flachwaggons jede Menge Schnee zum Abtransport lag. Das habe ich selbst in Russland nun zum ersten Mal gesehen. Für mich ist nun schon fast wieder spannend, wohin der Schnee transportiert werden soll oder von wo er kommt. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit Schnee beladene Güterwaggons gesehen habe.

Nach der Vorlesung zum Alten Testament und dem Seminar zum Neuen Testament habe ich wieder meinen Dienst in der Stalowaja angetreten. Mit den anderen Studenten hatte ich ziemlich viel Spaß, vor allem wenn wir uns gegenseitig etwas nass gespritzt oder kleine Schiffe aus Tellern und Besteck gebaut haben. Insofern war es schon ein ungewöhnlich lustiges Abwaschen heute. Anschließend war wie üblich Chorstunde mit Vater Alexej. Irgendwie kommt er beim warm singen immer auf mich zu und deutet mir an, dass ich ein "O" singen soll, allerdings mit geschlossenem Mund. Da er auch noch die Augen etwas verdreht, sieht das sehr lustig aus und ich muss dann immer grinsen. Dann kann ich für ein paar Sekunden gar nicht singen, geschweige denn ein "O". Zum Schluss der Stunde meinte er zu mir, dass wir uns um 17 Uhr am Dienstag treffen würden, um den Kanon des Andrej Kritskij zu singen und fing dann das passende "Gospodu pomiluj" (Herr, erbarme Dich) zu singen. Da wir letztes Mal so schlecht gesungen haben, habe ich ihm angedeutet, dass er mit dem Gesang genau richtig liegt.

Anschließend war ich noch in dem orthodoxen Laden in der Nähe der Universität und habe dann Masha zum spazieren gehen abgeholt. Wir sind heute in dem Park in der Nähe der Metro-Station "Kolomenskaja" spazieren gegangen. Dort ist eine Klosteranlage, die auf einem Hügel direkt an dem Fluss Moskau liegt. Von dort hat man eine herrliche Aussicht auf Teile der Stadt und sogar auf die Klosterkirche in der Nähe des Wohnheims genießen. Anschließend war ich wieder bis 22 Uhr bei ihrer Familie zu Gast. Mit ihrem Bruder Kolja habe wieder ein bisschen Spaß gehabt: Vor einiger Zeit war er immer sehr stolz darauf, dass er schon so viele Klimmzüge kann. Nun wollte ich das auch gerne mal sehen - nur gibt es im Haus dazu keine Möglichkeit. So bin ich auf die Idee gekommen, dass wenn ich mich am Türrahmen festhalte, dass er dann an meinem Arm Klimmzüge machen könnte. Die Kraft im Arm hat zweifelsohne ausgereicht, nur bin ich mit der Hand am Türrahmen abgerutscht. Beim zweiten Versuch hätten wir beinahe übereinander im Flur auf dem Haufen gelegen.

Mittlerweile kann man merken, dass es Frühling in Moskau werden will. Der Schnee schmilzt langsam aber sicher vor sich hin und in der Innenstadt sind mittlerweile die meisten Fallen und problematischen Stellen aufgetaut, so dass man mittlerweile fast ohne von Pfütze zu Pfütze springen seinen Weg finden kann. Die Temperaturen liegen tagsüber derzeit bei etwa 5°C, aber in der Nacht friert es zumeist. Und ich meine, dass sich insbesondere in den letzten Tagen die Luft verändert hat, sie ist frühlingshafter geworden - es ist, als würde mir ein anderer Duft um die Nase wehen. Ich habe nur noch wenig Hoffnung, dass der Winter noch einmal zurückkehrt. Es ist eigentlich schade, denn bislang bin ich den Schnee noch nicht leid und ich mag ihn einfach noch zu gerne ansehen.  

 

Schneetransport.

 

 

Samstag, 14. März 2009

Für diesen Morgen hatte ich geplant, noch vor der Vorlesung Zugtickets für meine Saratovreise zu kaufen. Das hat am Kursker Bahnhof nicht so richtig klappen wollen, also habe ich es am Paveljezker Bahnhof probiert, wo mir eine geduldige und freundliche Fahrkartenverkäuferin weitergeholfen und die Tickets verkauft hat. Die Reise nach Saratov ist mir in den Sinn gekommen, weil - wie ich es vielleicht schon einmal geschrieben habe - gerne das Osterfest in einem normalen Rahmen verbringen möchte und nicht wieder mit Feuerwerk und allem anderen nur denkbaren Kitsch - also nicht so, wie ich das Weihnachtsfest in Moskau erlebt habe. Zudem habe ich so die Möglichkeit, auch mal eine andere Domgemeinde kennenzulernen und zu erleben. So werde ich am 9. April am frühen Abend losfahren und dann am Montag früh hier wieder ankommen - und somit wieder in die orthodoxe Fastenzeit rutschen.

Nach der Dogmatikvorlesung war ich dann erst in der Stalowaja und bin dann zu wieder zu Masha gegangen. Gleich darauf sind wir mit dem Auto losgefahren, um zunächst für Kolja Schuhe zu kaufen. In dieser Zeit wollte ich mir eine Kirche ansehen, die aber leider geschlossen war. So haben wir uns zeitgleich wieder getroffen und sind dann zum Friedhof gefahren. In der Nähe des Friedhofs befindet sich ein anderer Friedhof - nämlich der der armenischen Kirche. Der Zufall wollte es, dass ich dort, quasi während Masha kurz einkaufen war, ein Brautpaar in die Kirche habe gehen sehen. Kurz nachdem die Trauung angefangen war, habe ich mich einfach etwas weiter hinten dazugestellt und habe die Trauung aufmerksam beobachtet. Zunächst wurde vorher ein Gebet gesprochen und anschließend hat der Priester - ich gehe davon aus, dass es einer war, denn genau war er für mich nicht zu erkennen - etwas in einem Sprechgesang gesungen, dass ich als Fragen verstanden habe, auf dass das Brautpaar dann geantwortet hat. Es folgte wieder ein Gesang - in diesem Fall der eines Altardieners und dann hat das Brautpaar Stirn an Stirn gestanden und ihnen wurden Kronen aufgesetzt. Der Priester hat dann einem Mann über den Kopf des Paares ein Kreuz gereicht, dass der während eines Gebetes über deren Köpfe gehalten hat. Daraufhin wurden beiden wieder Kronen abgenommen und sie stellten sich normal hin. Dann wurde zunächst dem links stehenden Mann ein Becher mit Wein gereicht, aus dem er dann, ihn in eigenen Händen haltend, getrunken hat - anschließend hat der Mann den Becher der Frau weitergereicht. Anschließend gab es eine kurze Predigt oder Ansprache und dann wurde das Brautpaar aufgefordert, sich zu küssen, was sehr schüchtern oder zaghaft und dann ganz schnell auf die Wange geschah. Es machte aus meiner Sicht den Eindruck, als wäre dies eine völlig intime Sache. Anschließend stellte sich das Brautpaar um die Glückwünsche entgegenzunehmen vor den großen Vorhang, der in dieser Kirche wohl anstelle der Königstüren dort hängt. Als sie aus der Kirche heraustraten, wurden wie in Deutschland oder der orthodoxen Kirche auch Blumen geworfen. Etwas überraschend war die Hochzeit für mich, da doch momentan Fastenzeit ist und in der orthodoxen Kirche in der Fastenzeit nicht geheiratet werden kann. Bei der nächsten Gelegenheit will ich noch einmal nachlesen, was genau das für eine Kirche ist, ich bin mir im Moment nämlich nicht sicher, ob ich sie mit einer anderen Kirche verwechsle. Interessant war es in jedem Fall - auch das Kirchengebäude an sich. So hat die Kirche anstelle der Königstüren einen großen Vorhang - an diesem Tag in schwarz mit einem goldenen Kreuz gehalten. Rechts und links daneben sind Türen, die ich als Diakontüren interpretiere. Und neben der nördlichen oder linken Diakontüre befindet sich eine kleine Glocke - ähnlich wie in der katholischen Kirche an der Türe zur Sakristei. Auch hängen weniger Ikonen in der Kirche, als in einer orthodoxen.

Anschließend sind wir noch einkaufen gefahren und als wir wieder daheim waren, haben wir uns einen guten Abend gemacht, als wir gegessen hatten. Wie üblich bin ich dann um 22 Uhr ins Wohnheim gefahren und habe jetzt gleich noch Küchendienst. Gerade eben sah die Küche aber noch ganz akzeptabel aus.

 

Eine der sieben Schwestern Stalins.

 

In der armenischen Kirche - Blick auf den Altarraum.

 

 

Sonntag, 15. März 2009

Am Morgen bin ich rechtzeitig zur katholischen Kirche zur Heiligen Messe gefahren und dort pünktlich auf die Minute angekommen. Ich habe gerade noch einen Platz bekommen, die Kirche war schon gut gefüllt. Kaum, dass ich saß, fing die Messe auch schon an. Danach bin ich zur Fakultätskirche gefahren, wo gerade die Leute zur Kommunion gingen. Nach der Feier bin ich mit Masha einkaufen gegangen, um die Zutaten für die beiden Salate zu besorgen, die ich für die Geburtstagsfeier ihres Vaters machen sollte. Anschließend haben wir noch Honig für mich eingekauft - in einem Laden, der hauptsächlich die verschiedensten Honigsorten verkauft. Ich wusste gar nicht, dass es einen solchen Laden in der Nähe der Fakultät gibt. Den Tag habe ich dann weitestgehend in Mashas Familie verbracht - gegen Abend habe ich die Salate zubereitet und anschließend mit meinen Eltern telefoniert und ihnen das Neueste berichtet und selbst aus der Heimat erfahren. Während der Geburtstagsfeier mit den Verwandten und Freunden wurde mir dann das Angebot gemacht, dort zu übernachten, was ich gerne angenommen habe. So brauchte ich von der schönen Feier nicht schon um 22 Uhr nach Hause fahren. Stephan hat mich im Wohnheim abgemeldet und so ist alles in Ordnung gelaufen. Nach dem Essen haben Mashas Schwester und ein Freund der Familie bis fast zum Ende der Feier jede Menge russische Volkslieder gespielt, in denen für mich die berühmte tiefe russische Seele so wunderschön zeigte. Anschließend, nach der Feier, habe ich noch etwas beim aufräumen geholfen, bis ich dann ins Bett gescheucht wurde.

 

 

Montag, 16. März 2009

Der Tag fing einerseits heute Morgen schon um acht Uhr an, denn zu dem Zeitpunkt musste ich auf Toilette. Kurz nachdem ich die Türe geöffnet hatte, kam Mashas Kater auch schon angerannt und wollte mir mir schmusen. Nun musste ich aber auch aufpassen, dass er im Flur blieb. Und so habe ich ihn erst gestreichelt und bin dann schnell in die Toilette gehuscht. Und auf dem Rückweg habe ich das gleiche mit ihm gemacht. Gegen halb elf bin ich dann aufgestanden und nach dem Frühstück haben wir zusammen gelernt. Um 14 Uhr bin ich dann zur Ethikvorlesung gelaufen und anschließend haben wir nach einer Tasse Tee und dem Vorbereiten des Abendessens wieder gemeinsam gelernt. Dabei hat es durchaus Vorteile, da man sich gegenseitig beim Übersetzen helfen und unterstützen kann. Und gegen 22 Uhr habe ich mich wieder auf den Weg ins Wohnheim gemacht. Dort angekommen habe ich noch ein wenig mit dem ein oder anderen gequatscht und bin dann ziemlich schnell ins Bett gegangen.

Am Abend hat mir Alexander, ein Mitbewohner und Kommilitone, das bisherige Tagebuch in der Druckversion ausgedruckt. Als ich das Resultat gesehen habe, muss ich ganz ehrlich gestehen, dass ich tief beeindruckt davon war - ich hielt 206 Seiten Text in der Hand. Es ist doch etwas völlig anderes, wenn man es nur digital im Computer sieht und es dann das erste Mal gedruckt in den Händen hält.

 

 

Dienstag, 17. März 2009

Das Hauptmerkmal des Tages kam an dessen Ende - es waren nämlich die Aufzeichnungen des Kanons des Heiligen Andrej Kritskij für eine CD. Dafür hat sich der Männerchor, in dem ich ja mitsinge, zu 19 Uhr in der Kirche versammelt. Nach vielem Ausprobieren, wie wir akustisch am besten stehen, konnten dann endlich die Aufnahmen beginnen. Leider waren viele Chormitglieder - wie es eigentlich immer der Fall ist - völlig undiszipliniert, so dass sich alles unnötig in die Länge gezogen hat. So wurde zwischendurch immer geredet, wenn Vater Alexej Anweisungen gab, wurden die kaum beachtet und auch während dem Singen wurde teilweise noch herumgealbert. So gerne ich in dem auch singe, doch das stört immer dann sehr, wenn es wichtig wird. Und so konnten wir die Aufnahmen auch um 23 Uhr noch nicht beenden, sie sollen am Donnerstagabend fortgesetzt werden. Aber ich freue mich sehr, dass wir eine solche CD machen, so habe ich vielleicht irgendwann einmal ein schönes Andenken an den Chor und vor allem an den Kanon, den ich so sehr mag. Als "Solisten" waren Vater Vladimir, der Rektor der Universität, und Vater Michael (der kleine, der dennoch eine schöne Stimme hat) mit dabei. Anschließend konnte ich bei Masha übernachten, so dass ich nicht noch ins Wohnheim fahren musste.

Der Tag sonst ist eigentlich für die letzten Wochen recht normal verlaufen: Ich habe Vorlesungen besucht und habe bei und mit Masha zusammen gelernt.

 

 

Mittwoch, 18. März 2009

Zunächst war ich am heutigen Morgen mit Masha in der Liturgie der Vorgeweihten Gaben, die heute Vater Vladimir gefeiert hat: Es war der 30. Jahrestag seiner Diakonsweihe. Anschließend habe ich das erste Mal seit der Zeit, in der ich hier bin, kurz mit ihm sprechen können und ihm für meine Zeit, die ich hier verbringen darf danken können. Es ist für mich allerdings sehr, sehr schwierig ihn zu verstehen, da er für mich sehr undeutlich spricht. Ich habe aber mehr verstanden, als ich selbst gedacht erwartet habe. Da anschließend noch Zeit bis zu den Vorlesungen war, bin ich noch in Mashas Familie essen gewesen und dann in die Vorlesungen gegangen. Anschließend hatte ich gesagt, dass ich gerne versuchen möchte, ein Buch zu kaufen in einem Laden, dessen Adresse ich nicht genau kenne, wohl aber den Namen weiß und von dem ich in etwa eine Karte im Kopf hatte. Alexander wollte unbedingt mit mir mitkommen, so dass ich dann schließlich eingewilligt habe. Es dauerte aber nicht lange, da haben wir um den Weg diskutiert und einige Leute nachgefragt, die dann auch keine Ahnung hatten. Da das meiner Meinung aber ein orthodoxer Buchladen sein sollte, haben wir in einer nahegelegenen Kirche nachgefragt und nach einem längeren Gespräch sogar eine passende Antwort erhalten und den Laden dann auch recht schnell gefunden. Er lag tatsächlich in der Nähe, wo ich ihn vermutet hatte. Leider war dies nur eine Auslieferungsstelle für ein Internetkaufhaus, so dass wir hier bis auf eine Telefonnummer nicht mehr weitergekommen sind. Da der Chor heute ausfiel wegen der Proben am Dienstag und der morgigen, war ich dann recht schnell im Wohnheim zurück und habe dann erst einmal eine Stunde geschlafen, bin dann einkaufen gegangen, dann duschen und habe dann zu Abend gegessen. Kurz bevor ich fertig war, kam Vitali dann auch schon um kurz nach neun und wir haben uns zusammen gesetzt und gelernt. Am Anfang lief es noch ganz gut, aber dann stellte sich bei uns Müdigkeit ein, so dass sich alles sehr schleppend dahin zog. Dennoch haben wir eine "Unlogik" der deutschen Sprache gefunden, über die ich vorher noch gar nicht nachgedacht habe: Die Russen sagen, wenn sie sich sonnen, dass sie "unter der Sonne liegen"; wir in Deutschland sagen jedoch, dass wir "in der Sonne liegen". Ohne größere linguistische Fähigkeiten zu besitzen würde ich behaupten, dass die russische Sprache in diesem Fall sich genauer ausdrückt.

Heute haben Masha und ich wieder festgestellt, dass es Frühling wird. Wenn man in der Sonne läuft, ist es richtig warm und angenehm. Der Schnee ist an den meisten Stellen mittlerweile getaut, so dass in der Stadt nicht mehr viele Pfützen zu finden sind. Und dennoch habe ich gestern gleich zwei Mal nasse Füße bekommen: Ich bin im Dunkeln einkaufen gegangen und habe zwei sehr große und tiefe Pfützen übersehen, so dass ich gleich mehrere Zentimeter tief im Wasser stand und dort schnell wieder herausgehüpft bin. Ich war in der festen Annahme, dass dort begehbarer Grund ist. Dem war aber wohl nicht so. Und auch auf dem Rückweg hätte es mich fast noch einmal erwischt.  

 

 

Donnerstag, 19. März 2009

Wie donnerstags üblich, war ich zunächst im Internet, allerdings nur etwa eine Stunde, um Nachrichten aus der Heimat und der Welt zu lesen - oder besser gesagt, zu überfliegen und um Mails abzufragen. Da ich am Dienstag noch im Netz war, waren nur wenige Mails im Postkasten, so dass kaum was zu beantworten war. So war ich auch pünktlich in der Stalowaja und musste nicht in der gefürchteten Schlange stehen, die sich um kurz vor halb zwei immer bildet und die hin und wieder dafür sorgt, dass ich das Essen herunterschlingen muss.

Nach der Vorlesung bei Vater Valentin über die Geschichte der protestantischen Kirchen und der katholischen Kirche in Deutschland habe ich mich dann zunächst mit Nina zum Deutsch sprechen getroffen, Olga kam anschließend dazu - nur leider blieb mir dann nicht mehr sonderlich viel Zeit, weil ich noch eine Art Lehrbuch kopieren wollte, dass mir Vitali am Abend zuvor gegeben hat. Dort findet sich sehr viel kirchliches Vokabular und es sind einige Gebete dort übersetzt - ein für mich sehr interessantes Werk. Glücklicherweise musste ich nicht lange warten, so dass ich mich um kurz vor fünf mit Masha treffen konnte. Als wir uns trafen, wollte sie mit mir einkaufen gehen und dann kochen, hatte aber vergessen, dass ich heute Abend noch im Chor singen wollte - also die CD weiter aufzeichnen. So haben wir nach ein paar Metern umgedreht und sind dann zu ihr nach Hause gegangen.

Um 19 Uhr war ich dann pünktlich in der Kirche und ich hatte den Eindruck, dass wir heute viel konzentrierter und zügiger bei der Sache waren, dennoch hätte es viel günstiger laufen können. Zum Schluss hin bin ich etwas grantig geworden, weil es auf zehn Uhr zuging und ich gerne nach Hause wollte und irgendwie nichts mehr vernünftig lief. Um viertel nach zehn hat Vater Alexej uns dann entlassen und ich wollte eigentlich schnell aus der Kirche stürmen, um zur Metro zu gehen. Leider waren die Türen verschlossen - es wurde aber recht schnell aufgeschlossen. Angesichts der Knappheit der Zeit kam mir dies aber wie eine Ewigkeit vor. Mit hängen und würgen und etwas Ellenbogenmentalität haben wir dann gerade eben die Elektritschka erreicht. Ich hatte vorher in der Metro schon Geld eingesammelt, um am Fahrkartenschalter schneller zu sein. Die ganze Rennerei ist mir sehr schwer gefallen, weil ich viel Gewicht im Rucksack hatte - es werden wohl um die zehn Kilogramm gewesen sein.

Im Wohnheim dachte ich, dass ich schnell ins Bett komme, dies ist aber fehlgeschlagen, weil ich mich habe weichreden lassen und für Genia den Küchendienst gemacht, was zudem noch länger gedauert hat, weil der Herd sehr, sehr dreckig war. Nun - wenn ich das nächste Mal an der Reihe bin, wird Genia für mich putzen müssen.

 

 

Freitag, 20. März 2009

Freitags findet die Vorlesung zum Alten Testament immer über der Stalowaja in einem kleinen Raum statt, so dass ich erst eine Treppe hoch muss. Dieser Zugang wurde mir heute von der Putzfrau verweigert, die mich nicht hochlassen wollte und mir den Zugang verweigerte mit der Begründung, dass dort abgeschlossen wäre. Normalerweise ist um diese Zeit immer schon einer da, aber das war heute dann wohl nicht der Fall. So bin ich zum schwarzen Brett gelaufen um zu schauen, ob die Veranstaltung stattfindet. Dort habe ich dann einen Kommilitonen getroffen und wir sind zusammen zurückgegangen. Die Putzfrau hatte sich mittlerweile in den großen Konferenzsaal zum putzen verzogen, aber ihre Schlüssel auf einem kleinen Schränkchen stehen lassen. Damit haben wir versucht die Türe zu öffnen, um nicht den Schlüssel aus der Aula holen zu müssen. Durch das Geklimper des Schlüsselbundes haben wir die Frau aber wieder angelockt, die uns dann wieder heftig schimpfend die Schlüssel abgenommen hat. Mein Kommilitone wie ich auch haben ihr versucht zu erklären, dass wir in unseren Raum herein gehen könnten und das dies normal wäre. Ohne weiter zu diskutieren ist er dann losgegangen, um den Schlüssel zu holen. Als er zurück war und der Raum aufgeschlossen war, schimpfte sie weiter und drohte damit, dass sie zum Rektor gehen würde - dennoch war kurz darauf die Türe auf und wir im Raum - und letztlich unser Dozent auch da. Im Konferenzsaal hörten wir sie dann mit jemandem anderes schimpfen. Es gibt bei uns nur sehr, sehr wenige "postkommunistische" Frauen, die so heftig und unnachgiebig schimpfen.

Nach den beiden Vorlesungen habe ich dann wieder wie üblich in der Küche geholfen und mal hier und mal da herumgewuselt. Und in der Zwischenzeit gab es immer mal wieder eine Tasse Tee und vor und nach der Arbeit große Teller mit Essen. Da ich dann noch eineinhalb Stunden auf Masha warten musste, habe ich den Tagebucheintrag vom gestrigen Tag nachgeholt und Teile des Kanons des Heiligen Andrej Kritskij zu Ende übersetzt. Anschließend war ich noch auf dem Postamt und habe zwei Briefe aufgegeben. Vor der Metrostation, bei der ich mich mit Masha treffen wollte, musste ich nicht mehr lange warten und dann sind wir einkaufen gegangen, um Essen kochen zu können. Auch hier gibt es mittlerweile eine kleine Tradition: Wir kaufen uns für den Rückweg immer eine oder zwei Bananen, die wir dann auf der Rolltreppe anfangen zu essen. Heute durfte ich wieder etwas Leckeres zu Essen zaubern und ich habe eine Kartoffel-Gemüsepfanne gemacht, die allerdings für russische Verhältnisse recht gut gewürzt war.

Auf dem Rückweg am Abend herrschte eine leicht aggressive Stimmung in der Luft: Im Kursker Bahnhof schlugen angetrunkene Männer mit Flaschen an Pfeiler, die das Dach tragen - sie haben auch Müll in die Gleise geworfen. Im Zug dann hat sich wiederum ein betrunkener Mann neben einen anderen gesetzt und nach kurzer Zeit ging ein Handgemenge los. Das ist eigentlich recht selten, dass betrunkene Leute hier handgreiflich werden - zumindest sehe ich es recht selten. Viel mehr liegen sie sich in den Armen und versuchen sich gegenseitig zu stützen.

An der Station Pererwa fanden auf der Brücke zu den Bahnsteigen heute Abend um 23 Uhr Bauarbeiten mit Presslufthammer und Schweißgerät statt, was für reichlich Lärm dort gesorgt hat. Das ist aber noch nicht alles, denn die Arbeiter haben noch mehr Löcher als ohnehin schon in der Brücke sind gemacht und an ihr herumgeschweißt. Ich bin nun mal sehr gespannt, was das werden soll und welchen Sinn das hat. Die Reparatur der Treppe hat die Gefahr an für sich ja nicht behoben, sondern nur angenehmer und übersichtlicher gemacht. Davon hatte ich an anderer Stelle schon berichtet. Etwas übertrieben gesagt sollte es mich nicht wundern, wenn die Brücke bewusst instabil gemacht wird, um deren Einsturz zu beschleunigen... Aber die Brücke ist und bleibt eine spannende Sache und ich bin mal gespannt, wie sie nach den Reparaturarbeiten aussieht - sofern ich das Ende hier überhaupt erleben darf, da ich ja Ende Juni oder Juli hier abreisen werde.

 

 

Samstag, 21. März 2009

Noch vor der Vorlesung, die um halb elf begann, habe ich Brot eingekauft und bin dann zur Universität gegangen. Das Seminar, das vor unserer Vorlesung im Konferenzsaal stattfindet, war noch nicht zu Ende und oben vor der Türe stand schon Vater Nicolai. Als er mich unten an der Treppe sah, rief er mir zu, dass ich bei der Austeilung der Soborovanije, also den Sterbesakramenten, dabei sein darf. Das ist ein spezieller Gottesdienst in der großen Fastenzeit, in dem die anwesenden Gemeindemitglieder gesalbt werden. Da es ein Sakrament ist, kann ich als Katholik nicht teilnehmen, wohl aber zuschauen - nämlich vom Klerus aus, also dem Platz, wo der Chor singt. Da sieht dann auch nicht die ganze Gemeinde, dass ich nicht teilnehmen werde, da ich mich hinter einem Pfeiler verstecken kann.

Nach der Vorlesung bin ich schnell zu Masha gelaufen und dann sind wir mit ihren Eltern zum Friedhof gefahren. Hier habe ich zuerst einen Blick in die Russisch-orthodoxe Kirche auf dem Friedhof geworfen und bin dann in die Armenisch-apostolische Kirche gegangen, die auf der anderen Straßenseite liegt und habe hier wieder eine Hochzeit miterleben dürfen. So gibt es jetzt mehr oder minder eine kleine Fortsetzung von dem, was ich am vergangenen Wochenende erlebt habe. Zunächst wusste ich nicht richtig, welche Ämter die Zelebranten besetzen. Denjenigen, den ich für den Priester gehalten habe, ist tatsächlich einer und der Messdiener oder Altarnik ist dagegen ein Diakon. Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass die Brautleute einzeln nach dem Trinken des Weins vom Priester mit dessen Handkreuz gesegnet wurden - und auch der männliche Trauzeuge. Ob die Trauzeugin auch gesegnet worden ist, daran kann ich mich nicht mehr richtig erinnern. Der Kuss nach der Trauung wurde wieder sehr flüchtig auf die Wangen gegeben. Während der Trauzeremonie hielt ein junger Mann, der etwas versetzt hinter dem Bräutigam stand, eine Kerze, die ähnlich wie eine katholische Taufkerze aussah. Zum Schluss standen die beiden vor der "Altarbühne" und die Gäste gratulierten und küssten anschließend das Kreuz, das der Trauzeuge über deren Köpfe bei der Trauung gehalten hat. Kurz bevor ich gehen wollte, hatte ich noch die Gelegenheit, mit mit einem Priester zu unterhalten und er hat mir einige interessante Dinge erzählt. Zunächst einmal untersteht diese Kirche dem Patriarchat von Jerusalem. Zudem scheint die Form der Liturgie eine andere zu sein, denn in der Kirche steht eine kleine Orgel - eher eine Harmonium. Der liturgische Kalender ist der Gregorianische und während der großen Fastenzeit ist der Altarraum mit einem schwarzen Vorhang verdeckt und Kommunizieren offenbar auch nicht möglich. Ich will in jedem Fall einmal die Zeit finden und in dieser Kirche die Liturgie besuchen, um sie wenigstens einmal gesehen zu haben.

Nach dem Treffen habe ich bei Masha zu Hause ein wenig übersetzt und ein paar E-Mail abgefragt und mich etwas ausgeruht, weil ich irgendwie sehr müde war. Das mag am Wetter liegen, denn heute war es nasskalt und es viel ständig etwas Schnee. Die anderen Tage war das Wetter so, dass am Morgen die Sonne geschienen hat und dabei schon recht kräftig war. Und am Nachmittag hat sich das Wetter dann immer geändert und es viel Schnee - das war mehrere Tage so der Fall. Und nachts friert es bislang immer, so dass es abends immer glatt wird und am nächsten Vormittag an vielen Stellen noch schön rutschig ist.

Heute haben Masha und ich wieder für das Hauptgericht gesorgt - es gab wieder Pizzabrot, allerdings mit Ananasstückchen. Nach dem Abendessen sind wir dann in die Vetschernaja gegangen, die heute einige besondere Elemente hatte - das Herausragende war in diesem Fall die Kreuzverehrung, die etwas an die Kreuzerhöhung im Sretenskij-Kloster erinnerte am Anfang meiner Studienzeit hier in Moskau (s. 27. September 2008). So wurde auch das dazu passende Troparion gesungen. Nach der Vetschernaja habe ich dann die Chorleiterin schon einmal vorgewarnt, dass ich am Donnerstag bei der Soborowanije mitsingen - oder zumindest so tun - werde.

Die Arbeiten an der Brücke haben ein Ergebnis gezeigt: Es wurden Löcher freigehämmert, wo sich Schrauben befinden, mit denen die Betonplatten auf dem Brückengestell befestigt sind. Ich vermute, dass die Betonplatten ausgetauscht werden soll und bin sehr gespannt, wie das organisiert werden soll, da die Brücke ja eigentlich der Hauptzugang von der Bushaltestelle ist. 

Rette, Gott, Dein Volk und segne Dein Erbe. Gewähre den orthodoxen (rechtgläubigen) Christen Sieg über ihre Widersacher, und behüte Deine Gemeinde durch Dein Kreuz. (Troparion, 1. Ton)

 

 

Sonntag, 22. März 2009

Gestern Abend hatte ich mir einen Zug herausgesucht, mit dem ich um zehn Uhr in der Universitätskirche sein wollte, um die Liturgie vom Anfang an zu erleben, da die große Ektenie immer sehr schön ist, wenn Vater Michael sie singt. Ich war auch pünktlich und wie geplant dort, nur hatte die Liturgie schon weitaus früher angefangen, als ich geplant hatte. Offiziell fängt sie eigentlich um halb zehn an, doch Vater Vladimir hört meistens noch etwa 30 bis 40 Minuten vorher die Beichte, so dass ich zum zehn Uhr durchaus pünktlich angekommen wäre. Dementsprechend bin ich zum kleinen Einzug gekommen und habe mich dann sehr gewundert, dass Vater Vladimir zelebrierte - ich dachte erst, die wären so früh, weil er nicht da ist. Dann habe ich mich noch einmal gewundert - nämlich nach der Eucharistie der Priester: Normalerweise hört Vater Vladimir vor der Kommunion noch einmal die gleiche Zeit die Beichte, doch dies war heute auch nicht der Fall, so dass heute alles zügiger ging. Später habe ich erfahren, dass er sich ein neues System ausgedacht hat: Alle, die länger beichten wollen, sollen von nun an zu einem der anderen Priester gehen. Eine Idee, die wie ich finde durchaus Sinn macht, da sehr viele Leute bei ihm beichten und er als Beichtvater sehr beliebt ist.

Nach der Liturgie war ich wieder bei Masha und wir sind am Nachmittag zu einer Fotoausstellung in einer Art Kunsthalle gewesen, wo ein Gemeindemitglied der Fakultätskirche Fotos eine Inselgruppe ausgestellt hat, die in der Tat durchaus sehr gelungen sind. Das Christliche sticht klar hervor auf den Bildern und er hat sehr interessante Details fotografiert: Interessante Bäume, Teile von Brücken, Häusern, Kirchen, Klöstern, usw. Und alle Bilder sind einem grau-braun-weiß gehalten, so dass sie sehr stimmungsvoll erscheinen. Masha hatte eine Einladung bekommen, so dass wir umsonst diese Ausstellung und andere besuchen konnten.

Wie immer am Sonntag habe ich mit meinen Eltern telefoniert und wieder einmal das Neueste aus der Heimat erfahren und ich konnte selbst ein wenig von mir erzählen. Ich freue mich immer sehr, wenn ich über den Fortschritt deren Reiseplanungen Bescheid bekomme, denn mit jeder Neuigkeit bin ich mir mehr gewiss, dass sie am Planen sind und kommen werden. Ich freue mich schon sehr auf das Wiedersehen in Moskau.

 

 

Montag, 23. März 2009

Heute habe ich versucht, früh aus dem Bett zu kommen, was mir auch einigermaßen gelungen ist. So konnte ich den Morgen nutzen, um ein paar Mails zu schreiben und weitere Texte für meine Hausarbeit zu übersetzen. Ich bin dann etwas später als üblich zur Universität gefahren, weil ich nach der Vorlesung noch viel Zeit überbrücken musste. Zunächst habe ich meine Metrokarte für den Monat April bezahlt, so dass ich mich in den nächsten Tagen da nicht mehr drum kümmern muss. Anschließend habe ich in der Stalowaja gegessen und ich war sehr froh, dass es heute noch einige Gebäckstücke zu kaufen gab, weil ich damit dann den Hunger zwischen Vorlesung und freier Zeit überbrücken konnte. Mit leerem Magen singt es sich nämlich nicht ganz so gut. Nun fand die Vorlesung wieder einmal nicht statt -es wusste keiner Bescheid. So habe ich dann erst an dem Tagebuch geschrieben und dann weiter an meinen Texten übersetzt habe. Zwischendurch bin ich dann nur in die Stalowaja gegangen. Gegen fünf Uhr bin ich dann zu meinem Internetplatz gegangen, von wo aus ich dann mit meinen Eltern übers Internet telefoniert habe und ihnen das Neueste erzählen konnte.

Bei den Aufnahmen ist mir dann ein kleines Missgeschick passiert: In den kleinen Pausen, in denen Vater Alexej, Vater Michael und derjenige, der unsere Gesänge aufnimmt, mit einander gesprochen haben, habe ich ein von meinem Platz aus ein wenig die Kirche fotografiert. Als wir wieder anfangen sollten zu singen, ist mir die Kamera aus den Händen gerutscht und diese dann lautstark auf dem Boden bis vor die Füße von Vater Alexej. Anschließend wurde die Stabilität der Kamera als deutsche Wertarbeit bewundert. Die Auswirkung für mich war aber, dass ich nicht mehr über mangelnde Disziplin schimpfen kann. Dennoch wäre ich sehr glücklich gewesen, wenn es heutet schneller gegangen wäre - ich hatte mich auf neun Uhr eingestellt und letztlich ist dann doch viertel vor zehn daraus geworden. Zum Schluss wurden nur noch Aufnahmen gemacht, wo einer Psalmen las und ich wollte dann eigentlich aus der Kirche gehen, weil ich mit Masha zumindest noch etwas absprechen wollte. Und dann war die Kirche abgeschlossen und ich konnte nicht heraus. An der Kirchentüre hämmern und klopfen ging auch nicht, weil man das in den Aufnahmen gehört hätte. So musste ich wohl oder übel warten und dann das Gelächter meine Kommilitonen über mich ergehen lassen. Zumindest dürften die Aufnahmen für die CD jetzt abgeschlossen sein und ich vermute, dass da eine schöne CD draus wird. Nun hoffe ich, dass sie bald fertig wird. Noch mehr hoffe ich aber, dass ich mich mehr in Ruhe üben kann, wenn solche Sachen anstehen - auch wenn ich anschließend noch eine Verabredung habe. Ich muss es einfach aufgeben, Hoffnungen zu haben, dass etwas so klappt, wie ich es am liebsten hätte... Vor der Chorstunde habe ich die Aufnahmen bekommen, wo mein Chor den Kanon in der Kirche gesungen hat. Und wenn das hört, dann merkt man bald, dass ich mit meinen Befürchtungen recht hatte - wir haben nicht sonderlich gut gesungen.

Seit ein paar Tagen streunt an der Elektritschka-Station beim Wohnheim ein neuer Hund herum, der offenbar auf der Suche nach einem neuen Herrchen oder Frauchen ist. Es ist einer der vielen Hunde, die mehr oder minder wild in Moskau leben. Er schnüffelt gerne mal leicht den Schwanz wedelnd an den Beinen der Passagiere und schaut sie mit seinen großen traurigen Augen an. Ich konnte da irgendwie gar nicht anders, als ihm kurz den Kopf und Nacken zu kraulen. Daraufhin schaute er mich noch lieber an. Nun - in Moskau gibt es jede Menge Hunde, die sich teilweise in Rudeln zusammengetan haben und in einer Art Revier leben. Sie sind irgendwann ausgesetzt und vermehren sich jetzt ziemlich unkontrolliert. Sie werden insbesondere von den älteren Moskauern mit Futter, also Essensresten, versorgt und kommen so gut über die Runden. Viele von ihnen leben in Metrostationen, Hauseingängen oder zumindest dort, wo es trocken und windgeschützt ist. Einige von ihnen haben sogar ein großes Stück Pappe, wo sie dann drauf liegen. Sie sind in der Regel friedlich, auch wenn viele Menschen um sie herum laufen. Nur nachts können sie auch mal bellen oder knurren, wenn man ihrem Revier zu nahe kommt. Einige von ihnen müssen mit einer Behinderung leben und humpeln so durch die Gegend. Gerne schauen sie auch den Menschen zu, wenn in ihrer Nähe gearbeitet wird. So habe ich vor ein paar Tagen Gleisarbeiter in der Nähe des Kursker Bahnhof gesehen, die von zwei Hunden auf Schritt und Tritt verfolgt wurden. Auch vom Küchenfenster des Wohnheims aus beobachte ich gerne sechs-sieben Hunde: Vier von ihnen bewachen gemeinsam ein großes Grundstück, wo eine Kühllagerhalle steht. Insbesondere in der Zeit, in der Schnee lag und der mit einem Gabelstabler geräumt wurde, waren die Vier aktiv - sie rannten dann bellend neben dem Gefährt her, wälzten sich im Schnee und schienen ihren Spaß zu haben. Und am Wochenende, wenn auf dem Platz weniger los ist, dann freuen sie sich immer, wenn jemand vorbeikommt, der sie kurz streichelt oder ihnen etwas zu fressen mitbringt. Und selten sind sie auch auf der Straße anzutreffen, dann machen sie eine kleine Runde um das Grundstück. Gegenüber findet sich ein Unternehmen, das Marschroutetaxis durch Moskau schickt und auch diese Firma wird von zwei Hunden bewacht. Auch sie sind eigentlich immer gemeinsam unterwegs und wo der eine ist, ist der andere garantiert nicht weit. Auch sie freuen sich immer, wenn ein Mitarbeiter kommt und sich kurz mit ihnen beschäftigt. Und läuft ein Fremder zu nahe am Tor vorbei, dann werden sie auch mal laut. Sehr lustig wird es, wenn die beiden ihren Nachbarn, einen großen Schäferhund besuchen gehen, der direkt in der Nachbarschaft ein Grundstück bewacht. Zuerst geht meistens einer von beiden zum Zaun an der Straße wenn der Schäferhund auch da ist, dann kläffen sich beide unter dem Zaun durch an - das Hinterteil ist also erhoben und der Kopf ganz auf dem Grund. Und dann kommt der andere Hund von dem Taxiunternehmen und dann kläffen die beiden um die Wette den Schäferhund nieder, der natürlich nicht aufgeben will. Und so sieht man eigentlich an jeder Ecke hier in Moskau Hunde, die geduldet werden. Mir wurde erzählt, dass es ein Kastrationsprogramm für die Hunde hier gibt, damit sie sich nicht so weitervermehren. Der Erfolg scheint bislang aber bescheiden zu sein.

 

Kreuz über einer Ikone.

 

Kronleuchter.

 

Ikonostase und Königstüren.

 

Auf Tuchfühlung.

 

 

Dienstag, 24. März 2009

Auf dem Weg zu Masha und zur Universität habe ich im Kursker Bahnhof in die beiden orthodoxen Läden hineingeschaut, um dort nach einer speziellen Ikone zu suchen, die ich aber wie erwartet nicht gefunden habe. Dafür habe ich aber ein ganz kleines Gebetbuch gefunden, wo die wichtigsten Gebete zu finden sind. Nun werde ich das Tischgebet bei Masha zu Hause komplett mitsingen können und auch in der Kirche das Vater Unser und das Glaubensbekenntnis, da ich jetzt einen handlichen und leichten Text habe, der schnell greifbar ist und nicht erst lange aus dem Rucksack hervorgekramt werden muss. Die Frage ist nun nur, wie lange das Buch seine Seiten zusammenzuhalten vermag, da es keinen stabilen Eindruck macht.

In der Vorlesung "Einführung in die liturgische Überlieferung" konnte ich mich selbst wieder sehr gut einbringen und Fragen stellen, da es heute wie auch die letzten Male um sehr interessante Themen ging. So zum Beispiel um gemeinsame Gebete: Sie sind außerhalb des Kirchengebäudes oder der Liturgie bzw. eines Gottesdienst gemeinsam möglich, so zum Beispiel ein gemeinsames Tischgebet oder die Gebete vor und nach den Vorlesungen. Aber beispielsweise in der orthodoxen Panichida für einen katholischen Verstorbenen zu beten ist nicht möglich. Ebenso hat ein nichtorthodoxer Geistlicher in liturgischer Kleidung in einer orthodoxen Kirche "nichts zu suchen". Überraschend fand ich die Frage eines Kommilitonen zur Einheit der Kirchen - sie klang sogar ein wenig enttäuscht. In diese Frage stimmten dann gleich weitere Studenten ein. Diese Vorlesung hört ein erster Kurs (also Anfänger) und nun wäre es für mich sehr interessant zu sehen, wie oder ob sich die Meinung im Laufe des Studiums verändert durch das, was sie im Laufe des Studiums erlernen. Es ist das erste Mal in meiner gesamten Moskauer Zeit hier gewesen, dass so etwas wie ein Wunsch in dieser Frage herauszuhören war. Die Gründe des Dozenten, die gegen eine Einheit sprechen, waren mir dagegen alle hinreichend bekannt: das Filioque, und das Papstverständnis waren nur einige. Und im Laufe des Studiums hier in Moskau ist mir sehr klar geworden, dass eine Einheit wohl in meiner Generation nicht zu erreichen sein wird, da sich in der langen Zeit der Trennung die Kirchen zu weit auseinander gelebt und dennoch wiederum viel gemeinsam haben. Dies zeigt sich mir immer wieder, wenn ich mit meinen Kommilitonen über das Thema Einheit spreche. Eine Communio ist für die allermeisten in Anbetracht der eben genannten Gründe unvorstellbar. Und dennoch sind die Fortschritte höchst erstaunlich, wenn man noch die 1950er Jahre bzw. die Zeit vor dem zweiten Vatikanischen Konzil im Blick hält: Bis dahin wurden Kontakte zu orthodoxen Christen von katholischer Seite verboten und eigentlich ist es erst mit der Öffnung der katholischen Kirche zu anderen Kirchen möglich geworden, dass beispielsweise ich als katholischer Student an einer orthodoxen Universität Theologie studieren kann. 

Nach den Vorlesungen bin ich nach dem Erledigen einiger Einkäufe nach Hause gefahren und habe dort etwas an meinem Text übersetzt, einige Mails geschrieben und auch etwas geschlafen. Auf dem Nachhauseweg sind mir einige sehr interessante Gedanken durch den Kopf gegangen, was die orthodoxe Kirche und ihren Sitz in der Gesellschaft angeht. Vielfach wird die religiöse Lage in Russland als katastrophal beschrieben - in der Hinsicht, dass es zu wenige (praktizierende) Gläubige gibt. Dennoch glaube ich, dass sich die Kirche mittlerweile einen festen Platz in der Gesellschaft erwirkt hat. Beim einkaufen heute habe ich fleischlose Pelmeni gesucht - und letztlich auch gefunden. Als ich an der Kasse stand, habe ich auf der Packung einen Aufkleber gesehen mit der Aufschrift "Fastenprodukt" und vor ein paar Wochen habe ich "Fastenmajonaise" gekauft. Und zu Beginn der Fastenzeit waren auf einmal eine Menge Sojaprodukte im Angebot. Bezüglich der Fastenzeit scheinen sich die Geschäfte darauf eingerichtet zu haben, vermehrt Produkte zu verkaufen und anzubieten, die orthodoxe Christen während der Fastenzeit essen können. Ohne eine entsprechende Anzahl von Käufern würde sich nach meinem kaufmännischen Verständnis eine solche Werbung und Produktpalette nicht rentieren. Dies mag als ein erster Anhaltspunkt gelten. Ein zweiter dagegen sind die vielen kleinen Läden mit kirchlichen Sachen in Moskau, die sich an beinahe jeder Ecke und Kante finden: In Straßenunterführungen, Metroein- und Ausgängen, in kleinen Buden an der Straße, in großen Bahnhöfen, manchmal auf dem Markt, usw. Sie sind die "weltliche" Ergänzung zu den Verkaufsecken, die in allen Kirchen zu finden sind. Und dann sind da natürlich noch die großen Läden wie Sofrino oder die Geschäfte in der Nähe von Universitäten, in Klöstern oder großen Kirchen, wo man teilweise sogar Gehstöcke für Bischöfe oder Kronleuchter für Kirchen kaufen kann. Das Sortiment dieser kleinen Läden reicht von Ikonen, Ketten mit einem Kreuz, Kerzen, Weihrauch, (Gebet-)Büchern und alles, was ein orthodoxer Christ oder Interessierter so gebrauchen kann oder haben muss. Auch hier gilt das kaufmännische Prinzip der Rentabilität, die ja anscheinend durch genügend Käufer gegeben ist. Und insbesondere in den letzten Wochen ist mir vermehrt aufgefallen, dass an ganz vielen Ecken Ikonen oder christliche Symbole zu finden sind: An ganz vielen Kassen in kleinen Geschäften oder Supermärkten stehen versteckt irgendwo eine oder mehrere Ikonen - so im Blumenladen, in dem Kabuff einer Toilettendame, in der Metrokasse, in Autos hinter der Windschutzscheibe, manchmal ist sogar eine ganze Ansammlung von Ikonen dort zu finden, wo ich sie am wenigsten vermute. Besonders beliebt sind besonders Marien- und Christusikonen und die des Hl. Nikolaus von Myrra. Und selbst wenn ich zur Post gehe, wo immer Postkarten verkauft werden: Es sind auch immer christliche Postkarten mit Heiligen oder mit Motiven zu bestimmten Festen wie Ostern, Weihnachten usw. zu finden. Ein weiteres Zeichen sind sicherlich auch die Kirchenbesucher: Bislang weiß ich eigentlich keine Gottesdienste oder Liturgien, die schlecht besucht werden, sofern sie nicht gerade inmitten der Woche liegen. Die Vetschernaja am Samstagabend und die Göttliche Liturgie am kommenden Morgen ist in bislang allen Kirchen, die ich gesehen habe, sehr gut besucht: Viele Kirchen sind voll. Zu den besonderen Festen wie Ostern, Weihnachten oder Taufe des Herrn kommen auch viele in die Kirche, die sonst nicht regelmäßig kommen. Ich habe sehr oft den Eindruck, dass zumindest in Moskau die Kirchen durchaus mehr gefüllt sind als in deutschen Städten. Es wären die Zustände und Folgen kaum auszudenken, wenn nur die Hälfte der Moskauer Bevölkerung regelmäßig zur Kirche gehen würde: Die Kirchen würden aus allen Nähten platzen oder wären hoffnungslos überfüllt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Kirche(n) gar nicht so schnell reagieren könnten: Es würde an Priestern fehlen, um beispielsweise die Beichte zu hören und letztlich auch an Kirchengebäuden. Wenn sich die Kirchen weiter füllen werden, dann könnte nicht nur die orthodoxe Kirche vor interessanten Problemen stehen. Es ist bestimmt interessant zu sehen, wie die Situation in anderen Städten Russlands aussieht - vor allem in Städten, die weiter von Moskau als religiösem Zentrum entfernt sind.

Nun stehe ich vor dem Problem und versuche von der orthodoxen Kirche letztlich auf das Wetter zu sprechen zu kommen, da mir dieser Sprung nur schwer gelänge, soll dies, insofern nicht schon geschehen, ohne geschehen. Es ist nach wie vor kalt draußen und die Temperaturen bewegen sich tagsüber immer knapp über Null Grad und nachts immer knapp im Minusbereich. Als ich vorhin kurz genauer aus dem Fenster geschaut habe, habe ich mit einer gewissen Überraschung festgestellt, dass es wieder geschneit hat und alles wieder wie mit Puderzucker überdeckt ist. Tagsüber ist es immer sehr frühlingshaft und abends kehrt dann oft der Winter wieder zurück. Sollte morgen wieder die Sonne scheinen, dann wird der Schnee an den Stellen, wo die Sonne hinkommt, sehr schnell wieder verschwunden sein. Mittlerweile ist es auch ratsam, in der Metro die Jacke aufzumachen, aber sobald man wieder draußen ist, muss man sie im kalten Wind wieder zu machen. Es ist eine Zeit, in der man sich schnell eine Erkältung holen kann. Ich bin sehr gespannt, wann der Frühling richtig Einzug hält. Der Baum vor der Küche steckt zumindest schon in den Startlöchern - an den Ästen bilden sich seit einiger Zeit immer größer werdende "Knubbel", aus denen schon sehr bald Blätter bzw. Blüten hervorgehen könnten.

 

Fastenprodukte aus einem normalen "weltlichen" Supermarkt.

 

 

Mittwoch, 25. März 2009

Zunächst war ich um kurz vor zehn Uhr in der Liturgie der vorgeweihten Gaben in der Fakultätskirche und habe leider nur noch einen Teil der Liturgie mitbekommen, weil Chor und Liturgen schneller waren als ich vermutet hatte. So bin ich kurz vorm Vater Unser dort aufgetaucht. Anschließend war ich noch bei der Panichida, die im Anschluss gefeiert wurde und bin dann bis zwölf Uhr mit Masha zu ihr nach Hause gegangen, um die Zeit bis zu meiner Vorlesung in Pastoraltheologie zu überbrücken. Dort angekommen habe ich für Masha schnell ein paar Pizzabrotschreiben gemacht und musste kurz nach dem sie fertig waren auch schon wieder aufbrechen. Bis dahin war geplant, dass wir uns am heutigen Tag nicht mehr sehen würden, doch es kam mal wieder alles anders. Zunächst dachte ich auch, dass heute die Chorstunde ausfällt - Matfej (Matthäus zu Deutsch) sagte mir beim Essen, dass sie doch stattfindet, und zwar in der Dreifaltigkeitskirche, wo Fotos gemacht werden sollten. Dies war dann letztendlich auch der Fall und die Chorstunde war wirklich schön, zumal wir dieses Mal mit einer wunderschönen Akustik proben konnten und diese den Proben eine tolle Atmosphäre verliehen hat. Anschließend fragte mich Roman, ob ich nicht mit in den Gottesdienst in die Taufkapelle St. Vladimir gehen und dort mitsingen wolle. Nach kurzem Überlegen habe ich zugesagt. Nun dachte ich erst, dass wir eine Vetschernaja singen würden, doch sehr bald stellte sich heraus, dass ich wiederum in der Liturgie der vorgeweihten Gaben stand. Ich war dann sehr verwundert, wie viele Kommilitonen dann doch kommuniziert haben - zumal ja vorher das eucharistische Fasten gilt. Nach der Liturgie habe ich mich dann wieder bei und mit Masha getroffen und ein Essen gezaubert, dass sich fortan Ragout mit Reis nennt. Ich habe einfach aus Zutaten, die ich im Kühlschrank gefunden habe, etwas zu Essen gemacht.

Heute habe ich ein paar interessante Fotos gemacht: Am heutigen Morgen ist Schnee gefallen - oder besser Schneematsch, so dass ich wieder aufpassen musste, dass mich keine nasse Pampe vom Hausdach trifft. Eine Gefahr hätte es heute nicht bedeutet, nur wäre ich klatschnass gewesen. Kurz bevor ich in der Universität angekommen bin, habe ich einen Mann gesehen, der das Hausdach vom Schnee befreit, so dass den Passanten auf dem Gehweg nichts Böses droht. Es ist für mich eines der typischen Winterbilder geworden, die ich hier in Moskau so oft gesehen habe. In der Fakultätskirche habe ich dann endlich einmal vernünftig die Ikonostase fotografiert - eine Sache, die ich schon länger einmal vorhatte und die ich bei Sonnenschein eventuell noch einmal wiederholen will. Aber zumindest sind die Fotos recht gut geworden - bislang hatte ich mit meiner Kamera in der Kirche ja immer recht wenig Glück. Und auf dem Nachhauseweg wäre ich fast zu spät ins Wohnheim gekommen, weil ich noch die Klosterkirche zwischen den Elektritschkastationen Depo und Pererwa fotografiert habe - im Dunkeln.

 

Dachreinigung.

 

Die Ikonostase in St. Nicolai.

 

Das Kloster beim Stadtteil Pererwa.

 

 

Donnerstag, 26. März 2009

An diesem Morgen bin ich so zeitig aufgestanden, dass ich um neun Uhr Bücher aus einer Abholstelle eines Internetkaufhauses abholen konnte. Der Zug ist um zwanzig nach acht gefahren und ich war tatsächlich schon ein paar Minuten nach Öffnung des Geschäftes um neun Uhr dort und habe sofort die Bücher erhalten. Da ich noch ins Internet wollte, habe ich mir bei Mc Donalds ein Wasser gekauft und habe dort E-Mails abgefragt. Eigentlich hatte ich vor, dort länger zu sitzen, aber Masha hatte mir eine Mail geschrieben in der stand, dass das Sakrament der "letzten Ölung" schon um zehn Uhr stattfinden sollte. So habe ich innerhalb von 13 Minuten Mails abgefragt, eine beantwortet und die Internetseite erneuert. Und dann war ich schneller bei der Fakultätskirche als ich erwartet habe - nämlich schon um zehn vor zehn. Es waren zwar schon sehr viele Leute in der Kirche und später habe ich gesehen, dass im Aushang auf der Straße tatsächlich zehn Uhr stand, der Gottesdienst begann aber um halb elf. Letztendlich gab es zwei Aushänge: einen auf der Straße und einen in der Kirche selbst - beide wiesen unterschiedliche Zeiten aus - und auch der Wachmann "Djadja Slawa (Onkel Slawa)" wusste es nicht sicher. Ich habe mich eines Tricks bedient, da ich eigentlich nicht an der Soborowanije - also der letzten Ölung - teilnehmen kann, da es ein Sakrament der orthodoxen Kirche ist. Da während der Soborowanije die Priester durch die Kirche gehen und jedem das Sakrament spenden, habe ich ganz hinten im Chor gestanden und nur einige Lieder mitgesungen. Die Regentin war zunächst gar nicht begeistert, als ich ihr aber gesagt habe, dass ich den Segen von Vater Nicolai habe, sind ihr die Argumente ausgegangen. Während des Gottesdienstes war ich sehr verwundert, dass es eine Vielfalt von liturgischen Farben gab: Vater und Erzpriester Vladimir trug die volle schwarze liturgische Kleidung, die anderen Priester lediglich ein goldenes Epratichilon (eine goldene Stola) und der Erzdiakon Vater Michael ein schwarz-silbernes Gewand und dazu ein violett-goldenes Orarion (Stola des Diakons). Während des Gottesdienstes waren die ganze Zeit die Zarentüren geöffnet und die acht Priester standen in der Kirche. Nur während der Beweihräucherung der Ikonen in der Kirche, wurde vor dem der Altar beweihräuchert. Die eigentliche Soborowanije fand dann zum Schluss statt und dauerte recht lange und zudem hatte ich mich vorher schon gewundert, warum dort so viel Öl in großen Glaskannen stand. Zunächst wurde eine Lesung gelesen, dann das Evangelium und darauf noch einige Gebete von einem der Priester, dann gingen die Priester mit Pinsel und einem kleinen Metallbecher ausgerüstet durch die Kirche. Jeder Anwesende wurde dann im Gesicht, am Hals und auf den Handaußen- und Innenflächen mit dem Öl betupft. Insbesondere Vater Alexej und Vater Valentin konnte man ansehen, dass es ihnen Freude bereitete, die Leute ausgiebig und mit sehr viel Öl zu betupfen. Dies - bei der Lesung angefangen - fand dann sieben Mal statt. Das Gebet wurde immer von einem anderen Priester in voller liturgischer Gewandung gelesen und zur Ölspendung hat er es dann wieder abgelegt. Ganz zum Schluss haben sich Vater Michael und ein Priester auf den Boden gekniet, ihnen wurde von allen Priester das Evangelium über den Kopf gehalten und ein Gebet gesprochen. Dies war der Abschluss des Gottesdienstes. Anschließend gingen die Priester noch einmal durch die Gemeinde und jeder hat das Evangelium und das Handkreuz geküsst. Nach der Predigt war es dann möglich, von dem geweihten Öl etwas mit nach Hause zu nehmen. Bei der Soborowanje wurden alle Namen von denen gelesen - bei jedem Durchgang - die die letzte Ölung gespendet bekamen. Die Priester sind auch durch den Chor gegangen - ich habe mich derweil immer nach ganz hinten verzogen und bei denen, die mich kannten, abgelehnt.

Nach der Vorlesung bei Vater Vladimir Vaschenko habe ich zunächst Kusma getroffen - ein Absolvent des Moskauer Konservatoriums, der plant, für ein Jahr nach Deutschland zu gehen und gerne mit mir Deutsch sprechen möchte. Das haben wir jetzt für Donnerstags eingerichtet. Heute waren Janka und Andrej mit dabei und es war eine ganz angenehme Runde. Anschließend bin ich wieder nach Masha gegangen und habe mich dort erst einmal ausgeruht, weil ich doch sehr müde war, und danach weiter an meinen Texten übersetzt Als ich zurück zum Wohnheim gehen wollte, musste ich auf der Brücke umdrehen - sie war gesperrt worden. Als ich im Wohnheim war, hat es nicht mehr sehr lange gedauert, bis ich im Bett gelegen habe.

 

 

Freitag, 27. März 2009

Als ich in der Universität ankam, habe ich mich darauf eingestellt, dass die schimpfende Putzfrau mich dort wieder daran hindert, in den Unterrichtsraum zu gehen. Doch es war weit und breit nichts von ihr zu sehen - erst während dem Unterricht hörte man sie im Konferenzsaal arbeiten. Nach der Vorlesung bei Vater Alexej habe ich dann wieder in der Küche beim Abwasch geholfen - wie fast jeden Freitag. Anschließend war wieder Chorstunde - der dann die Liturgie der vorgeweihten Gaben folgte, die wir dann wiederum in der Taufkapelle gesungen haben.

Den Abend habe ich wieder bei Masha verbracht - und werde auch bei der Familie übernachten, da wir am morgigen Tag gemeinsam nach Vladimir und Murom fahren wollen.

 

 

Samstag, 28. März 2009

An diesem Morgen bin ich um 7:20 Uhr von Mashas Vater geweckt worden und nach dem Frühstück sind wir erst zum Friedhof in der Nähe der katholischen Kirche gefahren. Leider war an diesem Morgen nicht mehr die Zeit für ein richtiges Frühstück, es hat aber dennoch gereicht - und die obligatorische Tasse Tee war auch dabei. Zunächst haben wir an der Chaussee des Enthusiasmus - die Straße hat früher einmal den Namen der Stadt Vladimir getragen - an einer Tankstelle kurze Rast gemacht und etwas gefrühstückt. Mehr als eine Tasse Tee wollte ich aber nicht trinken. Auf dem Weg nach Vladimir haben wir zunächst im Außenbereich der Stadt im Stau bzw. Stop-and-go gesteckt und nachdem man langsam die richtige Natur entdecken konnte, ging es wesentlich zügiger und die Straße war immer weniger befahren. Auf dem Weg habe ich insbesondere im Stadtgebiet viele Autos gesehen, die am Straßenrand standen und wo deren "Maschinist" seinen Kopf unter die Motorhaube steckte und irgendetwas am reparieren war. Ebenfalls noch im Stadtgebiet habe ich einen Lastwagen gesehen, dessen Firma mir sehr wohl bekannt ist aus meiner Lehre zum Speditionskaufmann - es war ein Lastwagen der Firma Geodis Logistics, die unter anderem in der Nähe von Münster, in Lüdinghausen nämlich, eine Niederlassung hat. Auch sonst gab es jede Menge Lastwagen zu sehen, die früher einmal für eine deutsche Spedition gefahren sind. Noch mehr habe ich aber gestaunt, als ich eine Viehtransporterkolonne aus fünf oder sechs Lastwagen aus Deutschland gesehen habe - mit deutschen Kennzeichen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann kamen sie aus Thüringen. Und kurz darauf haben wir ein anderes Auto mit deutschem Kennzeichen überholt. Wäre die Schnellstraße bzw. Autobahn qualitativ nicht ganz so gebaut wie ein besserer deutscher Feldweg, dann hätte ich mich fast wie zu Hause gefühlt. Unsere Fahrt ging dann durch kleine Dörfer und mit einem Mal tauchte wie aus dem Nichts ein Bahnübergang auf, den man nur mit Schritttempo befahren konnte. Zwei der Dörfer zwischen Moskau und Vladimir stachen besonders heraus: In einem hatte fast jedes Haus am Straßenrand Regale aufgebaut, in denen große Stofftiere in Plastiktüten zum Verkauf standen. Das sieht schon sehr ulkig aus, wenn am Straßenrand sonst vielleicht hier und da mal jemand steht und Äpfel oder etwas selbst Eingemachtes verkauft und wenn dann in einem Dorf jedes Haus versucht, das Gleiche an den Mann zu bringen. Offenbar allerdings mit geringem Erfolg, denn ich habe an keinem Haus einen Kunden noch einen Verkäufer stehen sehen. Wir sind davon ausgegangen, dass es in diesem Ort eine Firma gibt, die solche Kuscheltiere produziert. Etwas weiter sind in der Nähe der Stadt Guß Krustalnij vorbeigefahren, das übersetzt Kristallgans heißt. Dort standen an einigen Ecken Leute, die Kronleuchter und andere Dinge aus Kristall verkauften, allerdings nicht in der Anzahl wie in dem Kuscheltierdorf. Auch sonst war die Fahrt sehr interessant, weil es viel zu entdecken gab: Zum einen die ganzen bunten Holzhäuser mit ihren schönen typisch russischen Fenstern, die Brunnen an der Straße, wo Masha sogar einmal einen Wasser schöpfen gesehen hat. Ob ich jetzt selbst aus einem solchen Brunnen, der direkt an der vielbefahrenen Straße steht, Wasser trinken möchte, da bin ich mir nicht sicher. Die Dörfer sahen für deutsche Verhältnisse alle ein wenig rumpelig, aber dennoch ihrem Zweck dienend, aus. So hatten alle ihre eigenen Charme. Faszinierend fand ich auch die Buchenwälder, deren große weiße Stämme in Schnee und Sonne auf eine sehr interessante Weise leuchteten und ein ganz besonderes Bild abgeben, so wie ich es noch nie gesehen habe. Zwischendurch sind wir an Städten vorbeigefahren, deren Namen ich vom Kursker Bahnhof her schon gehört habe: Shelesnodoroshnaja (Eisenbahner), Elektrogorck und Petuschki.

Gegen Mittag waren wir dann in Vladimir und die erste wichtige Sehenswürdigkeit, die wir gesehen haben, war das Goldene Tor der Stadt, dass aus dem 12. Jahrhundert stammt. Die Stadt Vladimir wurde 1108 vom Fürsten Vladimir am Fluss Kljasma gegründet und war in der zweiten Hälfte des gleichen Jahrhunderts die Hauptstadt des Vladimir-Susdal-Fürstentums. Aus dieser Zeit stammen auch einige Kirchen, die bis heute erhalten geblieben sind. 1238 fiel die Stadt an die Tataren und im Jahr 1328 wurde die Hauptstadt nach Moskau verlegt. Es ist also eine der ältesten Städte Russlands und sehr eng mit der russischen Geschichte verbunden. Bei dem Goldenen Tor, das wir uns zuerst ein wenig angesehen haben, ist auch ein Wall, den wir dann "erklommen" haben und dort ein paar Jugendliche getroffen haben, die Fotos machen wollten und von denen wir Fotos gemacht haben. So haben wir dann eine kleine Schneeballschlacht gemacht. Bei dem Wall und dem Tor steht auch eine orthodoxe Kirche und gleich in der Nähe eine katholische Kirche. Beide habe ich aber nicht von innen gesehen, weil die Zeit dafür nicht da war. Anschließend sind wir zu einer anderen Kirche gelaufen, der Spasskaja-Nikolskaja Kirche, ein Baudenkmal des 18. Jahrhunderts. An deren Dachrinnen hingen Eiszapfen, von denen ich mir einen schönen abgebrochen und dann gegessen habe. Von dort hatte man  auch einen schönen Ausblick auf die Maria-Entschlafungs-Kathedrale im alten Kreml. Auf dem Weg dorthin haben wir noch in der Georgij-Kirche hineingeschaut, die auf dem Weg lag. Es ist eine sehr alte Kirche, sie wurde im Jahre 1129 erbaut. Innen befinden sich sehr interessante Fresken, von denen ich einige auf Anfrage fotografieren durfte. Dort befand sich auch ein Kreuz und der darauf gemalte Jesus trug um die Hüften ein schwarzes Tuch - eine alte dörfliche Tradition, wie Masha mir erzählte. Und dann sind wir zur großen Maria-Entschlafungs-Kathedrale gegangen, die von innen wunderschön und durchaus prächtig ist und ein wenig an bayrische Kirchen erinnert. Dort befinden sich auch einige Gemäldes des bekannten russischen Künstlers Andrej Rublov. Allerdings war mir diese Kirche zu touristisch geprägt und wurde ihrer Form als Gotteshaus kaum gerecht, auch wenn die Kirche als solche genutzt wurde. Anschließend sind wir in ein Restaurant essen gegangen und Masha und ich haben dann noch die Dmitri-Kathedrale besucht - die auch eines der Gründerbauwerke der Stadt ist. Von innen ist sie aber lediglich ein spärlich ausgerüstetes Museum und von Schönheit kann man im Innern kaum sprechen. Lediglich ein übriggebliebene Fresken lassen etwas von der verlorengegangenen Schönheit erahnen. Im Laufe unseres Vladimiraufenthalts hatte ich immer das Gefühl, dass wir zu langsam sind, weil wir Mashas Eltern immer weit hinterherliefen. Das lag zum großen Teil daran, dass wir uns viel Zeit zum schauen und fotografieren genommen haben.

Nach unserem Aufenthalt sind wir gegen 16:30 Uhr in das 125km entfernte Murom gefahren und ich habe mich wie schon den ganzen Tag an dem tollen Wetter, dem weißen Schnee und der Landschaft erfreut. Wieder führte die Fahrt durch viele Dörfer und es war eine ruhige Fahrt, da kaum Lastwagen und andere Autos auf der Straße unterwegs waren. Wir sind dann gleich in ein Frauenkloster gefahren, wo wir genau pünktlich zum Ölkreuz gekommen sind. Vorher habe ich noch ein wenig die Klosteranlage fotografiert, da die Abendsonne die Gebäude in ein tolles Licht hüllte. Am Ende des Gottesdienstes wurden dann die Gebeine der Heiligen Fevronija und Pjotr zur Verehrung geöffnet, das heißt, dass eine Glasscheibe an die Seite geschoben wurde. Das sind zwei sehr berühmte Heilige. Er war Fürst und wollte eine dörfliche Frau heiraten und hat dies dann auch getan. Die Bujaren waren davon nicht angetan, weil sie der Ansicht waren, dass Fevronija nicht an den Hof passt und aus diesem Grund wurde Fürst Pjotr mehr oder weniger vom Hof verstoßen. Im Alter sind beide ins Kloster gegangen und als der Fürst im Sterben lag, hat er Fevronija zu sich rufen lassen und sie sind innerhalb einer Minute gemeinsam verstorben. Sie sind das Patronat der Familie in der russisch-orthodoxen Kirche. Dabei haben wir auch Ikonen weihen lassen, die kurz auf die Glasscheibe des Schreins gelegt wurden. Nach der Vetschernaja sind wir dann noch etwas Essen gegangen, haben dann gemeinsam das Evangelium gelesen und sind dann sehr bald in unseren Betten verschwunden.

In den Restaurants Fastenessen zu bekommen, ist gar nicht so einfach, weil sich die Restaurants nicht darauf eingestellt haben. So mussten wir uns zumeist auf Beilagen zurückgreifen und dennoch war es nicht ganz möglich, das Fasten einzuhalten. Es ist kirchlich aber auch so geregelt, dass für Kranke, Studenten und auch für Reisende andere Fastenerleichterungen herrschen und so war die Pilzcremesuppe auch kein Problem.

 

Eine russisch-orthodoxe Kirche, direkt am Goldenen Tor.

 

Das goldene Tor in Vladimir.

 

Eiszapfen von der Kirche sind lecker!

 

Blick auf die Brücke über den Fluss und in eine Straße.

 

Ein Haus in Vladimir.

 

Spasskaja-Nikolskaja Kirche.

 

Blick auf die Georgij-Kirche, die Maria-Entschlafungs-Kathedrale und das alte Vladimir.

 

Die Maria-Entschlafungs-Kathedrale in Vladimir.

 

Die Georgij-Kirche.

 

Das Kreuz mit dem Lendentuch.

 

Deckengemälde in der Georgij-Kirche.

 

Das historische Museum (erinnert an das in Moskau).

 

Tor.

 

Die Hauptstraße in Vladimir.

 

Alte Gebäude der Stadt.

 

Die Maria-Entschlafungs-Kathedrale.

 

Blick auf das neue Vladimir.

 

Die Dmitrievskij-Kathedrale.

 

Unterwegs nach Murom.

 

Im Dreifaltigkeitskloster: Ensemble.

 

Glockenturm des Troitskij-Klosters.

 

Holzkirche Frauenkloster.

 

Die Ikone der Hll. Pjotr und Fevronija.

 

 

Sonntag, 29. März 2009

An diesem Morgen sind wir um kurz vor sieben aufgestanden, haben uns schnell frisch gemacht und sind nach einem Morgengebet sofort (und ohne Frühstück) ins Frauenkloster zur Göttlichen Liturgie gefahren. Nach der Göttlichen Liturgie sind wir noch zur Akafist und zur Moleben (ein Gottesdienst) geblieben bis zur Öffnung des Schreins der Heiligen Fevronija und Pjotr. Zum Essen sind wir ebenfalls im Kloster geblieben, da uns eine junge Nonne eingeladen hat. So haben wir an einem separaten Tisch gemeinsam mit ihnen zu Mittag gegessen. Es gab eine leckere Suppe und einen Kartoffel-Möhren-Eintopf. Es sehr lecker geschmeckt - und auch der Ketchup, den es dabei gab, wird mir in sehr guter Erinnerung bleiben. Während dem Essen haben die Frauen hundertmal das Trishagion gesungen - fünfzig Mal für den Staat und fünfzig Mal für die Regierung. Später hat Masha mir erzählt, dass die Nonne mit uns nach Moskau fahren würde, da sie dort studiert. Nach dem Essen sind wir ins benachbarte Männerkloster gefahren, wo die Gebeine von drei Fürsten aufbewahrt sind. Dort haben wir auch Teile einer Taufe gesehen, die ich mir mit Verstand angeschaut habe. Leider war sie schon sehr schnell vorbei. Zunächst wollte eine Angestellte der Kirche uns dort nicht hinlassen, hat dann aber nachgegeben und wir konnten zuschauen. Anschließend sind wir zur Nicola-Nabereshnij-Kirche gefahren, wo wiederum eine Heilige liegt. Dort kamen wir gerade pünktlich zu einer weiteren Kindertaufe, die einen besonderen Charakter hatte, so dass es sich lohnt, darüber zu berichten. Zunächst war die Mutter noch sehr, sehr jung, sie hatte eine Freundin mitgebracht und dann die beiden Taufpaten. Da alle mit der Kirche "nichts am Hut haben" hat der Priester, Vater Michael, alles sehr jugendlich und sehr gut zugänglich für die kleine Gruppe gemacht und auch dann und wann mal ein Wort gesagt, dass eigentlich nicht so richtig in die passen mag. In der Russisch-orthodoxen Kirche gehört zum Widersagen des Satans dazu, dass man dreimal auf den Teufel spuckt, beziehungsweise es vielmehr andeutet. Das hat Vater Michael den Taufpaten gezeigt und daraufhin haben die beiden losgespuckt, allerdings in die falsche Richtung, worauf Vater Michael dann leicht entrüstet, aber nicht böse sagte, dass sie in Richtung Westen zu spucken hätten. Als das Sprechen des Glaubensbekenntnisses anstand, wusste er sehr früh, dass die beiden es nicht kannten und hat es dann für die beiden vorgelesen. Und als er das Evangelium lesen wollte, wurde laut von den Angestellten und anderen Gästen gesprochen und dann rief er laut und stimmgewaltig quer durch die Kirche "Evangelium tschitajem (wir lesen das Evangelium)", worauf es schlagartig mucksmäuschenstill in der Kirche wurde, was er zufrieden mit einem "Vot! (So!)" quittierte. Den Taufgottesdienst hatte er auf das Allernotwendigste zusammengekürzt und anschließend mit lockeren Worten aber dennoch ernst die Taufpaten über ihre Aufgaben informiert. Da mir diese kleine Gruppe irgendwie sehr am Herzen lag, habe ich denen für ein paar Rubel ein kleines Taufgeschenk gemacht: eine Christusikone und ein kleines Gebetbuch - was Masha als "kleine Nachhilfe" bezeichnete.

Nach der Taufe sind wir dann in das Spasskij-Kloster gefahren, dass wir uns in Ruhe angeschaut haben. Mashas Eltern sind dann zum Schlafen zurück ins Hotel gefahren, so dass wir Zeit hatten, alles in Ruhe zu genießen: Es war frühlingshaft warm, es lag noch herrlicher weißer Schnee, blauer Himmel, die Sonne schien und eine wunderschöne Aussicht auf den Fluss Oka und das Land dahinter! Und die Klosteranlage passte einfach herrlich dort herein, so dass ich schon wieder an Moskau denkend kaum von dort weg wollte. Im Kloster waren auch zwei Pferde, die wir ein wenig gestreichelt haben - was ein Pferd mit einem leichten Biss in Mashas Arm quittiert hat. Anschließend waren wir noch in dem Laden für christliches Equipment und in dem Klosterladen, der zur Fastenzeit völlig unpassende Produkte verkauft. Dort haben wir einerseits Kuchen gekauft und ich etwas Brot für zu Hause - hier war es um die Hälfte günstiger. Auf dem Weg zurück zum Hotel habe ich Masha stückweise getragen, weil einfach zu viel Wasser und Schneematsch auf dem Gehweg lag und ihre Schuhe schon feucht geworden sind. Hier war wegen dem Tauwetter noch wesentlich mehr Wasser auf den Straßen als in Moskau, so dass ich selbst ich mit meinen hohen Schuhen sorgfältig schauen musste, wo ich entlanggehe. Zurück im Hotel haben wir uns noch kurz ausgeruht und dann sind wir gemeinsam nach Moskau aufgebrochen, haben aber erst die Nonne aus dem Frauenkloster abgeholt. Am Ortsausgang von Murom stand ein Kriegsdenkmal in Form einer Dampflokomotive mit Kriegsverkleidung, die ich auf den Sprung noch fotografiert habe. Den Rückweg von 293km haben wir innerhalb von dreieinhalb Stunden zurück gelegt.

Zurück in Moskau haben wir noch gemeinsam zu Abend gegessen, ich habe dann mit meiner Mutter telefoniert und alles Neue erzählt und erzählt bekommen und bin dann wie gewohnt in der Elektritschka ins Wohnheim gefahren. Auf dem Heimweg habe ich Oleg getroffen, mit dem ich mich noch gut unterhalten habe. Im Wohnheim bin ich dann gleich ins Bett gefallen, ich habe vorher nur noch die Tasche ausgepackt.

Nun hat es während dem Telefonat mit meiner Mutter eine Hiobsbotschaft gegeben: Es war geplant, das Gepäck über die gleiche Firma zurück nach Deutschland transportieren zu lassen, wie auch auf dem Hinweg. Dies funktioniert nun leider nicht, weil die Spedition lediglich von Deutschland nach Russland transportiert. Nun muss ich ernsthaft schauen, wie ich am kostengünstigsten meinen Kram nach Hause transportiert bekomme und gegebenenfalls umplanen.

Nachtrag zur Taufe: Die Taufen waren sehr interessant zu beobachten und brachten natürlich einige Erinnerungen an Irkutsk und an die Vorlesung des Münsteraner Liturgie-Professors mit sich - dies waren ja immerhin die Auslöser für mein Studium in Moskau und das Interesse an der Russisch-orthodoxen Kirche. Nun hatte ich das erste Mal die Gelegenheit, nicht nur eine Taufe vom Anfang bis zum Ende zu sehen. Nach der Version von Vater Michael begann die Taufe mit der Wasserweihe - zunächst hat er seinen Finger hereingehalten und die Temperatur des Wassers mit "kalt" bezeichnet. Kurz darauf kam eine der Frauen der Gemeinde mit einem Zinkeimer mit heißem und dampfendem Wasser, dass sie dann in das Taufbecken gegossen hat. Daraufhin folgte die Ölweihe. Ähnlich wie in der katholische Kirche auch folgte das Absagen an den Satan, dazu gehört auch, dass die Taufpaten symbolisch mit dem Rücken zur Ikonostase und damit in Richtung Westen spucken - und dies, wie eben beschrieben, auf den Teufel. Anschließend sprechen die Taufpaten das Glaubensbekenntnis anstelle des Kindes. Dann folgte die Ölsalbung und währenddessen haucht der Priester drei Mal auf das Kind. Dann wird das Kind vom Priester in das Taufbecken gehoben und hereingesetzt und dreimal mit Wasser überschüttet, dabei spricht der Priester "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes." Im Anschluss bekommt das Kind ein Kreuz umgehängt, das an einem Bändchen hängt. Dann folgt die Myronsalbung - dies ist sehr kostbar und heilig, daher wird es in der Regel nach dem Evangelium wieder abgewaschen - es darf nicht an die Kleidung kommen (der Patriarch und nur der Patriarch kann es, bereitet am Gründonnerstag Myron vor). Vater Michael hat es sofort wieder abgewaschen - vielleicht, weil es in der Kirche nicht gerade sonderlich warm war. Vor dem Evangelium (Mat 28,16-20) wird das Kind dreimal um das Taufbecken getragen, der Priester geht das Kreuz haltend voraus und aus dem Römerbrief (Röm 6,3-11) gelesen. Dann werden vier Haarsträhnen in Kreuzform vom Kopf des Kindes geschnitten als Symbol des eigenen Taufwillens und letztlich wird das Kind, sofern es ein Junge ist, vom Priester in den Altarraum getragen und ein Mädchen wird vor die Ikonen bei den Zarentüren gehalten und der Priester zeichnet mit dem Kind in den Händen ein Kreuz vor den Ikonen. Dann wird das Kind der Mutter übergeben und die Taufzeremonie ist zu Ende.

 

Das Maria-Empfängnis-Kloster (für Männer). 

 

Die Nicola auf dem Ufer-Kirche.

 

Die Hauptkirche des Klosters.

 

Der Glockenturm des Klosters.

 

Im Erretter-Kloster.

 

Eine kleine Quellkapelle.

 

Gehweg und Schneeschmelze.

 

Mehr als nur eine Seitenstraße, mehr als nur eine Hauptstraße. In jedem Fall kein trockengelegter Kanal.

 

Haus in Murom.

 

      

Montag, 30. März 2009

Nachdem ich gestern nur noch ein paar Stichpunkte ins Tagebuch geschrieben habe, ist daraus am heutigen Morgen für die letzten beiden Tage ein Text geworden. Ich dachte eigentlich, dass ich das in zwei Stunden schaffen könnte, habe mich aber geirrt - ich habe lediglich einen Großteil des Textes geschafft. Als ich im Internet war, habe ich noch schnell ein paar Bilder eingefügt - aber längst noch nicht alle. Den Rest habe ich dann bei Masha gemacht, bei der ich nach der Vorlesung wieder einmal zu Gast war. Dort habe ich zunächst die ganzen Bilder bearbeitet, verkleinert und dann in die Seite eingefügt. Das hat noch einmal fast eine Stunde gedauert, zumal mir Mashas kleiner Kater Pjatnisch dabei fleißig geholfen hat. Zudem haben wir gemeinsam an unseren Studienprojekten gearbeitet. So war heute an für sich ein ruhiger Tag - der nach dem Ausflug auch ganz angebracht war.

 

Fleißiger Helfer: Kater Pjatnisch.

 

 

Dienstag, 31. März 2009

Nun ist heute schon der letzte Tag des Monats März und es verbleiben mir nur noch wenige Monate in Russland, Moskau und der Orthodoxie. Es sind immer die Momente, die mich wie aus einem wunderschönen Traum erwachen lassen und in die Realität zurückholen scheinen zu wollen. Ich hoffe, dass die letzten Monate genauso schön und gut werden, wie die ersten Sieben,  die für mich zu einer unvergesslichen Zeit geworden sind.

Der Tag ist heute völlig normal verlaufen - so wie jeder Tag in der Fastenzeit: Zunächst habe ich am Morgen Wäsche gewaschen und bin dann zu den Vorlesungen in die Universität gefahren. Hier habe ich wieder verhältnismäßig viel verstanden - mir scheint das Thema Liturgik wohl irgendwie zu liegen, zumindest ist der "liturgische Dienstag" der Tag, an dem das Verständnis am höchsten ist - dicht gefolgt von den Vorlesungen bei Vater Valentin. Nach den Vorlesungen wollte ich eigentlich ein paar Briefmarken kaufen, doch die Schlange am Schalter war einfach zu lang, so dass ich direkt zu Masha gegangen bin. Sie war noch nicht zu Hause, hat mich aber gebeten, etwas zu kochen. Ich habe erst den Kühlschrank durchforstet und bin dann mit den Ergebnissen im Kopf einkaufen gefahren - dorthin, wo ich immer einkaufe. Und so habe ich dann Salat gemacht und als Hauptgericht Nudeln mit einer Tomatensoße, die dann von allen gelobt worden ist. Den Abend haben wir beide dann mit dem Übersetzen eines alten Textes verbracht und wir haben eine Postkarte an eine gemeinsame Bekannte geschrieben. Wie immer bin ich dann um kurz nach zehn zur U-Bahn gehechtet und war dann um Punkt elf im Wohnheim zurück und habe dann um kurz nach Mitternacht im Bett gelegen.

 

 

Mittwoch, 01. April 2009

 

1.) Helfer und Retter bist mir in der Not.

Diesen meinen Gott erhöhe und preise ich,

meinen heiligen Gott, ihn erhöhe ich,

meinen Vater, weil er ruhmreich ist.

Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner.

 

2.) Sehet, sehet, dass ich Gott bin,

Manna ließ ich regnen

und ließ Wasser aus Steinen hervorspringen

vor langer Zeit in der Wüste für mein Volk

mit rechter Hand und mit großer Stärke.

Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner.

 

3.) Festige mein Herz, Herr,

auf dem unerschütterlichen Stein Deiner Weisungen,

denn Du allein bist Herr und Heiliger.

Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner.

 

4.) Der Prophet hörte von Deinem Kommen, oh Herr,

und war in Angst,

da Du geboren warst von einer Jungfrau

und zeigtest Dich den Männern  und er sagte:

„Ich habe den Bericht von Dir gehört und bin in Angst.“

Ehre sei Deiner Kraft, oh Herr.

Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner.

 

5.) Tief in der Nacht,

um Dich früh zu sehen,

erleuchte mich und ich bete, Menschenliebender,

führe mich ein in Deine Weisungen und lehre mich, Retter,

Deinen Willen zu tun.

Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner.

 

6.) Ich rufe mit meinem ganzen Herzen zu Gott

und er hörte mich aus der tiefsten Hölle

und ließ aufgehen mein Leben aus dem Verderben.

Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner.

 

Kondak: Meine Seele, meine Seele, erhebe Dich.

Warum schläfst Du?

Das Ende zeichnet sich bald ab

und Du wirst Dich verirren.

Wache auf, und dann sei wachsam,

das Christus unser Gott möge Dich bewahren,

denn er ist überall und erfüllt alles.

 

7.) Wir haben gesündigt, zuwidergehandelt,

Falsches getan vor Dir,

wir haben nicht gesehen oder getan,

wie Du uns angewiesen hast,

aber gib uns nicht auf, oh Gott unserer Väter.

Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner.

 

8.) In himmlischen Heeren rühmen und zittern Cherubime und Serafime,

alles Atmende und Gemachte singt ihm,

segnet und erhöht ihn in Ewigkeit.

 

9.) Unaussprechlich ist die samenlose Geburt des Kindes,

makellos die Schwangerschaft von der Jungfrauen Mutter,

für die Geburt von Gott Erneuerung der Naturen.

So erhöhen wir Dich, in rechtgläubiger Weise

als die Mutter und Braut von Gott.

Erbarme Dich meiner, Gott, erbarme Dich meiner.

 

Hochwürdige Mutter Maria, bete zu Gott für uns.

Heiliger Vater Andrej, bete zu Gott für uns.

Gesang des Chores beim Kanon des Hl. Andrej Kritskij

 

 

Mit dem letzten Tag im Monat beginnt ein neuer Monat - der erste April in diesem Fall. Während es in Deutschland üblich ist, die Menschen in den April zu schicken, scheint man dies hier nicht zu kennen. Zumindest hat es bei mir keiner probiert - oder es hat nicht geklappt. Dennoch hat die Universität heute einige Studenten nach Deutschland geschickt, damit sie dort für ein paar Monate an der Berliner Humboldt-Universität studieren und Deutsch lernen können. Dabei sind Daniel und Alexeij, letzteren habe ich heute noch kurz vor dem Abflug in der Stalowaja getroffen und konnte ihm von viel Erfolg für sein Studienvorhaben wünschen, dass ihn sehr wahrscheinlich auch nach Münster führen wird.

Den Morgen habe ich damit verbracht, mein Zimmer im Wohnheim zu reinigen: Staub feucht wischen, Staubsaugen, aufräumen und letztlich habe ich auch Wäsche gewaschen. Nun sieht es wieder sehr wohnlich bei mir aus - auch wenn in gewohnter Weise noch einige Wäsche im Fenster hängt. Gegen elf Uhr bin ich dann in die Universität gefahren und habe dort Vitali getroffen, dem ich meinen Meyendorf-Text auf einem USB-Stick zum übersetzen gegeben habe. Er hat das Programm auf dem Computer, das bei mir nicht funktionieren will und mit dem man prima Texte vom Russischen ins Deutsche und noch besser umgekehrt übersetzen kann. Und so hat er mir nach der Vorlesung den Stick mit der Übersetzung zurückgegeben. So habe ich etwas Arbeit gespart. Auch wenn es leichter ist, auf diese Weise zu übersetzen, so werde ich die meisten Texte weiter per Hand übersetzen.

Nach der Chorstunde und den Vorlesungen war ich in der Kirche, wo der Kanon des Heiligen Andrej Kritskij gesungen wurde. In diesem Fall war er wesentlich länger als sonst, das zum einen alle Texte gelesen wurden, die es in der ersten Fastenwoche verteilt auf vier Tage gab und zudem wurde aus dem Leben der Heiligen Maria von Ägypten vorgelesen, was ich zunächst als Predigt gedeutet habe. Zwischendurch wurden auch noch Ektenien gesungen. Da ich zum einen Hunger hatte und nicht darauf gefasst war, dass es solange dauert, war ich erst ein wenig grummelig gelaunt, das hat sich dann aber schnell wieder geändert. Und so war der Kanon wie sonst auch wieder wunderschön!

Als ich gerade eben bei der Heimkehr ins Wohnheim auf das Thermometer geschaut habe, zeigte es +7°C an - es regnete und es wehte ein verhältnismäßig starker Wind. Ich hatte für kurze Zeit das Gefühl, in meiner Heimat zu sein. Bei den warmen Temperaturen hat das natürlich zur Folge, dass die Bäume langsam anfangen zu sprießen. Der Knospen am Baum beim Küchenfenster werden immer größer und es dürfte nicht mehr sehr lange dauern, bis er anfängt zu blühen. Aber sonst gibt es noch kaum Anzeichen für Frühling - bislang wächst noch kein Gras und es schaut auch keine Frühlingsblume aus der Erde. Aber der Frühling klopft merklich an die Türe.

 

 

Donnerstag, 02. April 2009 - Fest der Heiligen Maria von Ägypten

Zunächst habe ich am Morgen auf Vitali gewartet, der eigentlich mit mir Lernen Deutsch lernen wollte, er ist aber nicht gekommen. So konnte ich einige Mails schreiben und weiter an meinen Texten für die Hausarbeit übersetzen. Gegen viertel vor elf bin ich dann in die Stadt ins Internet gefahren und habe dort eine Zeit lang mit meiner Mutter telefoniert und ihr das Neueste erzählt und erzählt bekommen. Anschließend bin ich die Uni gefahren, habe dort wie üblich gegessen und bin dann in die Vorlesung zu Vater Valentin gegangen. Zuvor habe ich Janka noch abgeholt, die heute mit mir zusammen in der Vorlesung saß. Es war mal ganz interessant zu sehen, wie sie in den Vorlesungen arbeitet. Und: Wir konnten uns gegenseitig unterstützen, so dass die Vorlesung sehr fruchtbar für mich war. Nach der Vorlesung habe ich mich wieder mit Kusma getroffen und mit ihm bis kurz nach halb fünf in der Stalowaja gesessen und so einiges über klassische Musik erfahren und den Bezug, den er zu ihr hat. So lerne ich Musik nun aus einer ganz anderen Sichtweise kennen und mir macht es sehr viel Spaß, mehr darüber zu erfahren.

Anschließend habe ich mich wieder mit Masha getroffen und nach einer kleinen Teepause sind wir zum internationalen Postamt nach Nagatinskaja gefahren, wo wir sehr schnell dran waren. Dort muss man immer eine Nummer ziehen und manchmal muss man sehr lange warten. Leider wurden wir heute zu einem Schalter beordert, wo eine Dame saß, mit der ich nicht sonderlich gut klar komme. Sie denkt sich immer neue Sachen aus, um mich zu ärgern. So wollte ich heute kleine Geschenke verschicken, die sie teilweise geöffnet und dann erst auf Zuruf wieder verschlossen hat. Und dann wollte ich in einem der Umschläge Briefumschläge mit abgestempelten Briefmarken aus Deutschland mit verschicken, doch sie hat sich geweigert diese mit zu versenden - ohne weitere Begründung. Sie sagte nur, dass sie Briefmarken nicht verschicken. Auch Masha konnte da nichts ausrichten. Eine Reaktion die ich mir nach einigem Überlegen nur so erklären kann, dass sie die Briefmarken für wertvoll hält... Anschließend habe ich noch einige interessante Briefmarken gekauft - einerseits für die Sammlung - andererseits zum Verschicken. Die Russische Post scheint da einen riesigen Fundus von philatelistischen Marken zu entwickeln, die man eigentlich nur kaufen und sammeln, aber kaum portogerecht verkleben kann. Heute ist auch ein Brief angekommen, den ich innerhalb von Moskau verschickt habe. Ihn habe ich am 23. März eingeworfen - so war er geschlagene zehn Tage unterwegs.

Heute wurde in der Russisch-orthodoxen Kirche das Fest der Heiligen Maria von Ägypten begangen. Gestern Abend war ja die Vetschernaja und der Kanon des Heiligen Andrej Kritskij und heute war ich nicht extra in der Kirche. Sie wird in der katholischen und Russisch-orthodoxen Kirche als Heilige verehrt und lebte als Eremitin in der Wüste. Vorher war sie eine Prostituierte und beschloss, eine Wallfahrt nach Jerusalem zu unternehmen und in der Grabeskirche - deren Zugang sie von unsichtbarer Hand erst nach dreimaligem Beten und Bitten erhielt - vollführte sich ein Lebenswandel - den zu Eremitin. Sie zog sich in die Wüste zurück und nach fast 50 Jahren fand sie ein Mönch am Osterfest, von dem sie zum nächsten Osterfest die Kommunion erbat. Dieser kehrte zurück und sie empfing sie - dabei schritt sie über den über die Ufer getretenen Jordan. Im nächsten Jahr war sie bereits ein Jahr lang verstorben, jedoch hatte sie dem Mönchen einen Hinweis in den Sand geschrieben, ihn zu beerdigen. Ein Löwe grub das Grab, in das der Mönch Zosimus sie bettete. Sie ist die Patronin der Büßenden und daher passt sie sehr gut in die orthodoxe Fastenzeit, die ihren Schwerpunkt in den Sünden und der Bereinigung dieser hat.

 

 

Freitag, 04. April 2008

Wie sonst auch bin ich an diesem Morgen gegen acht Uhr vom Wohnheim zur den Vorlesungen aufgebrochen. Vom Kursker Bahnhof fahre ich zumeist mit der Ringlinie bis in die Nähe der Universität. Vor allem morgens liegen dort oft Obdachlose und schlafen dort seelenruhig. So auch heute – es waren ein Mann und eine Frau. Die Frau war laut am schnarchen, während der Mann seinen Kopf auf den der Frau gelegt hatte. Beide waren schon etwas älter. An der nächsten Station stieg ein Mann ein, sah die beiden, schüttelte mit dem Kopf und sagte mit einer sehr hohen und etwas gebrechlich klingenden Stimme: “Hehe – normal...” Dabei wird dieses “normal” hier in Moskau immer dann gebraucht, um zu sagen, dass alles in Ordnung ist – aber auch, um Verwunderung auszudrücken. Und so musste ich den ganzen Tag darüber lächeln.

Nach den Vorlesungen habe ich wieder beim Abwasch geholfen und ich hätte mich fast mit Valentina gestritten, mit der ich sonst meistens gut klar komme. Sie wollte mir zeigen, wie man Besteck abwäscht und dabei Wasser spart. Das ist ja an für sich nicht weiter tragisch – jedoch wollte sie mir die ganze Zeit dabei über die Schulter schauen und hatte an ihrem Arbeitsplatz selbst mehr als genügend zu tun – um nicht zu sagen, dass ich noch nie soviel Arbeit dort gesehen habe. Zudem habe ich schon oft genug in ihrem Dabeisein Besteck gespült.

Anschlieβend war Chorprobe und dann haben wir in der Dreifaltigkeitskirche die Akafist zum morgigen Marienfest gesungen, was uns sogar gut gelungen ist – vielleicht, weil mehr Disziplin im Chor geherrscht hat. Und im Anschluss daran haben wir für die Göttliche Liturgie nach Johannes Chrysostomus für den nächsten Morgen geprobt, was uns auch sehr gut gelungen ist. Glücklicherweise konnte ich bei Masha übernachten, so dass ich nicht ganz so früh aufstehen muss.

 

 

Samstag, 05. April 2009

Heute Morgen bin ich allein aufgestanden, weil ich ja gegen sieben Uhr in der Kirche sein musste. Ich habe mir bei Mashas Eltern Frühstück gemacht, unter den wachsamen Augen von Mashas Kater. Der ist dann zu mir auf die Bank gesprungen und es schien, dass er mich am frühstücken hindern wollte: Immer wenn ich mein Sojawurstbrot zum Mundführen wollte, versuchte er langsam und vorsichtig mit der Pfote an mein Brot zu kommen. Letztlich hat er aber nichts abbekommen – auch wenn er mich auf Schritt und Tritt verfolgt hat.

Ich selbst war genau um sieben Uhr in der Kirche und es dauerte nicht mehr sonderlich lange, bis dass die Göttliche Liturgie anfing. Und auch heute haben wir wieder recht gut gesungen, auch wenn mich die Quatscherei während der Predigt und der Lesung wieder gestört hat. Nach der Liturgie bin ich mit Masha zurück nach Hause gegangen, wir haben gefrühstückt und uns dann noch ein wenig ausgeruht. Ich habe in dieser Zeit nicht nur auf dem Ohr gelegen, sondern ein paar Mails beantwortet und etwas übersetzt.

Am frühen Nachmittag sind wir beide dann nach Neu Jerusalem aufgebrochen und wir sind dort ein wenig spazieren gegangen. Es lag noch etwas Schnee, der allerdings recht hart war, so dass es ziemlich anstrengend war, spazieren zu gehen. Dort habe ich eine weitere Kirche entdeckt, die direkt an dem Fluss Istra liegt. Und direkt bei der Kirche gibt es zwei Stege mit Treppen ins Wasser. Vielleicht wurde sie schon benutzt zum Fest Taufe des Herrn, bei dem man traditionell ja dreimal ins kalte Wasser steigt, es könnte aber auch eine Taufstelle in dem Fluss sein. Dabei stand ein Kreuz mit der Ikone "Taufe des Herrn". Auf dem Rückweg sind wir noch in einem Café essen gegangen - dieses Mal konnten wir wieder nur die Beilagen essen, da alles andere mit Fleisch gewesen wäre. Gegen 20 Uhr sind wir dann wieder in Richtung Moskau aufgebrochen. So hatten wir heute wieder die Möglichkeit, Landluft zu schnuppern. Ich hoffe, dass ich es im Sommer noch einmal schaffe nach Neu Jerusalem zu fahren, um an der Taufstelle oder bei der Taufstelle im Fluss baden zu können. Das Wasser scheint sehr sauber zu sein, zumal wir dort hunderte von kleinen Fischen gesehen haben. Und auch sonst war das Wasser sehr klar.

 

Kleine Kirche beim Kloster in Neu-Jerusalem.

 

Taufstelle in der Istra, die von Patriarch Nikon auch gerne Jordan genannt wurde.

 

Das Kreuz der Taufstelle.

 

 

Sonntag, 05. April 2009 - Palmensonntag (kath.)

Am heutigen Morgen habe ich mich mit Masha und Janka in der katholischen Kirche getroffen, um gemeinsam den Palmensonntag zu begehen. Zunächst war die Kirche heute sehr voll, so dass wir nur einen Stehplatz hatten - es war aber bei weitem nicht so voll wie am Weihnachtsfest. Vor der Kirche konnte man kleine Blumensträuße kaufen, die die Palmenzweige symbolisierten. Einige hatten auch echte Palmenzweige in der Hand - andere dagegen Plastikblumen. Wir waren kaum in der Kirche, da mussten wir zur Segnung der Palmenzweige auch schon wieder heraus und wir haben einen schönen Platz direkt auf der Treppe bekommen, so dass wir alles genau sehen konnten. Anschließend gab es eine Prozession um die Kirche - allerdings nicht wie in der orthodoxen Kirche links herum, sondern rechts. Was Masha sehr erstaunt hat während der Heiligen Messe, war die Passion, die von zwei Messdienern und einem Priester gelesen wurde, aber auch, dass Messdiener das Volk mit Weihrauch inzensieren können. Und an den Predigtstil habe ich mich schon längst dran gewöhnt. Letztlich waren wir der Auffassung, dass die katholische Kirche in Moskau einen Leitsatz des Zweiten Vatikanischen Konzils - "die Zeichen der Zeit verstehen" - in einer besonderen Weise interpretiert hat und sich so an die Bedürfnisse der Menschen in Moskau anpasst. Dies zeigt einerseits das Nachspielen der Leidensgeschichte Jesu, was im Anschluss an die Heilige Messe folgte: Es kam uns eine Art Theatergruppe entgegen in perfekt gemachten Kostümen und Verkleidungen. Der orthodoxen Kirche ist es völlig fremd, dass ein Mensch Jesus nachspielen kann, ebenso Maria und Josef. Diese werden allerhöchstens von Puppen dargestellt. Andererseits denke ich an den Heiligen Abend zurück, wo direkt nach dem Legen des Jesu-Kindes ein Feuerwerk gezündet wurde.

Den Nachmittag habe ich bei Masha verbracht, dort im Haushalt etwas geholfen, gekocht und wir sind zum Paveljetsker Bahnhof gegangen und haben die Fahrkarten für die Reise nach St. Petersburg gekauft. Anschließend habe ich meine Jacke wieder einmal in Reparatur bringen müssen. Am Abend nach dem Essen haben Masha und ich noch ein wenig an meinen Texten übersetzt, so dass ich jetzt so gut wie fertig übersetzt habe und sehr bald mit der Hausarbeit beginnen kann. Dies wird dadurch begünstigt, dass ich die notwendige Literatur von meinen Eltern geschickt bekommen habe. 

Und nun hat sich gerade noch herausgestellt, dass ich heute wohl doch noch die Küche abwaschen muss. Eigentlich müsste Genadij den Dienst ja für mich übernehmen, weil ich für ihn abgewaschen habe, aber irgendwie ist er wie vom Erdboden verschluckt. So wird es wohl doch noch später werden...

 

Arbeitseinsatz mit interessantem Fuhrpark am Sonntag.

 

Die auf die Segnung wartenden Kirchenbesucher.

 

Abwasch unter den wachsamen Augen von Wassja.

 

 

Montag, 06. April 2009

Auf der Fahrt zur Universität und zu meinem Internetplatz habe ich heute im Kursker Bahnhof einen wahrscheinlich völlig überarbeiteten Polizisten gesehen. Der Zug endete im Kursker Bahnhof und wie es üblich ist, springen viele von der Bahnsteigkante herunter und gehen über die Gleise zu einem Bahnsteig, wo es keine Kontrolldurchlässe gibt. Auf dem anderen Bahnsteig stand heute ein Polizist und versuchte alle Leute zu fassen, die nicht den rechtmäßigen Weg nahmen. Als vier Leute bei ihm standen, winkte er auch die anderen zu sich, doch es hat keiner mehr auf ihn geachtet und alle sind weiter gelaufen. Ich hatte zudem den Eindruck, dass sich einer der Vier ebenfalls verkrümelt hat. Es ist schon sehr selten, dass man nur einen einzelnen Polizisten trifft. Als ich dann im Internet war, habe ich eine Stunde mit meinen Eltern telefoniert und das Neueste aus Oldersum und Ostfriesland erfahren - und jede Menge Grüße erhalten.

In der Universität fand heute wahrscheinlich die letzte Ethik-Vorlesung statt, da nach Ostern für diesen Kurs schon die Prüfungsphase beginnt. Und nächste Woche finden keine Vorlesungen statt, weil die letzte Fastenwoche eine sehr intensive liturgische Woche und Vorbereitung auf das Osterfest ist und dann unterrichtsfrei ist.

Anschließend bin ich wieder nach Masha nach Hause gegangen, wo ich dann ein wenig an meiner Hausarbeit gearbeitet und etwas übersetzt habe. Nun muss ich noch einige Texte ausdrucken, mir ein vernünftiges Konzept überlegen und dann kann ich richtig loslegen. Allerdings wird es nicht sonderlich einfach werden, da ich mit drei Übersetzungen hantieren muss: einmal mit der Griechischen, dann mit der Russischen und dann noch mit einer Deutschen. Das macht die Sache durchaus knifflig - aber auch ebenso spannend.

Am frühen Abend sind wir dann in den Abendgottesdienst gegangen, weil morgen das Fest "Maria Verkündigung" ist, was in der orthodoxen Kirche ein Feiertag ist, so dass morgen eventuell auch unterrichtsfrei ist - da bin ich mir aber noch nicht ganz sicher, ob das wirklich der Fall ist und werde noch nachfragen.

Nach der Rückfahrt mit der Elektritschka zum Wohnheim mussten wir feststellen, dass die Brücke wegen Bauarbeiten wieder gesperrt war. Die allgemeine Umleitung war eine typisch Russische: Sie führte quer über den freien Güterbahnhof zu einem Betonzaun, über den man dann klettern oder an einer geeigneten Stelle darunter durch krabbeln musste. Da ich nicht alleine war und weit mehr als zehn weitere Leute dabei waren, habe ich mich entschlossen, da einfach hinterher zu gehen und kam dann genau neben der renovierten Treppe heraus, die zur gesperrten Brücke hochführt. Seit ein paar Tagen wird die Behelfstreppe auch wieder aufgebaut - an dem Bahnsteig, an dem die Züge in die Innenstadt abfahren. Allerdings so, dass man mehr oder minder wieder mitten auf dem Güterbahnhof landet, wenn man sie hinabsteigt.

Heute habe ich auf dem Rasen der Universität das erste Wachsen auf dem Rasen gesehen: Es schauen ganz kleine Sprösslinge aus dem Boden heraus, die vielleicht einmal Blumen werden könnten - der Frühling naht also. Auch die Temperaturen steigen langsam, aber stetig an. Abends zeigt das Thermometer nun oft sieben Grad über Null an und tagsüber sind es vielleicht schon mehr als zehn Grad. Es ist jetzt so eine Zeit gekommen, wo es besonders schwierig mit der Jacke wird: Für die Sommerjacke ist es noch zu kalt und in der Winterjacke ist es besonders in der Metro zu warm, so dass man gut aufpassen muss, dass man sich nicht erkältet.

 

Dienstag, 07. April 2009 - Maria Verkündigung

 

Verkündet von Tag zu Tag das Heil unseres Gottes. Singet dem Herrn ein neues Lied, singet dem Herrn alle Welt (Prokimenon, 4. Ton)

Heute beginnt unsere Erlösung und die Offenbarung des Geheimnisses von Ewigkeit her: Der Sohn Gottes wird Sohn der Jungfrau. Gabriel verkündet die frohe Botschaft der Gnade. So rufen auch wir mit ihm der Gottesgebärerin zu: Sei gegrüßt, Gnadenerfüllte, der Herr ist mit Dir. (Troparion, 4. Ton)

 

Dir, der für uns kämpfenden Heerführerin, bringen wir, als Deine von den Übeln erlösten Knechte, dankerfüllte Siegeslieder dar, o Gottesgebärerin. Die Du unüberwindliche Macht besitzt, errette uns aus allen Gefahren, auf dass wir Dir zurufen: Sei gegrüßt, Du unvermählte Braut! (Kondakion, 8. Ton)

 

Heute war ich wie geplant zur Göttlichen Liturgie, die in der Dreifaltigkeitskirche gefeiert wurde, weil dort ein Altar der Verkündigung Marias geweiht ist. Bis zum Cheruvimskaja - also bis zum großen Einzug - waren viele Elemente in den Ablauf eingefügt - es wurden einige Teile der Leidensgeschichte Jesu gelesen. Das Fest Maria Verkündigung ist eines der zwölf großen Feste in der orthodoxen Kirche und wird mit den Fastengottesdiensten kombiniert. Fiele der Tag auf einen Karfreitag, wäre es sogar möglich, dieses Fest zu feiern. Der Inhalt des Festes geht auf Lk 1,26-38 zurück, als der Engel des Herrn zu Maria kam und ihr die Geburt durch den Heiligen Geist verkündete.

Nach der Göttlichen Liturgie war ich mit Masha im Bahnhof um Fahrkarten umzutauschen, die uns falsch verkauft worden sind. Glücklicherweise haben wir jetzt sogar Geld eingespart, weil wir einen günstigeren Zug gewählt haben. Anschließend waren wir noch das Tagebuch - es sind nunmehr ohne Fotos gedruckt 227 DIN-A-Seiten - und ein paar andere Sachen fürs Studium drucken. Anschließend habe ich Masha ein wenig im Haushalt geholfen und dann eine paar Mails geschrieben.

Um 17 Uhr habe ich mich mit Kolja und Sergjoscha zusammen gesetzt um ein wenig die deutsche Sprache zu üben. Sie sind freiwillig auf mich zugekommen und wollen die Gelegenheit ergreifen, von mir die Sprache etwas zu lernen. Dafür habe ich mir vor ein paar Tagen Arbeitsblätter gemacht, die wir dann gemeinsam durchgegangen sind. Sie haben, wohl weil sie interessiert sind, recht schnell gelernt, so dass es Spaß gemacht hat.

Anschließend habe ich schnell beim Essen machen geholfen und dann noch etwas an der Hausarbeit gearbeitet. Um 22 Uhr habe ich mich auf den Heimweg gemacht. Die Brücke war wieder gesperrt und dieses Mal gab es ein weiteres Hindernis: Es standen mehrere Züge in den Gleisen, so dass die Umleitung von gestern gesperrt war. Einige sind zwar zwischen den Zügen durchgekrabbelt, mir war das aber wesentlich zu gefährlich, so dass ich dann den längeren Weg durch den Tunnel genommen habe. Einen Teil des restlichen Abends habe ich noch mit Oleg und Pjotr in deren Zimmer zusammen gesessen und wir haben zusammen über dies und jenes gesprochen.

 

 

Mittwoch, 08. April 2009

Heute bin ich wieder recht zeitig aufgestanden und habe die ersten Zeilen der Hausarbeit zu Papier gebracht, so dass der Anfang gemacht ist. Langsam bildet sich in meinem Kopf eine Struktur, wie die Hausarbeit aussehen könnte - das motiviert noch einmal mehr, die Sache anzugehen. Doch es wird recht knifflig werden, da mir einerseits mehrere Übersetzungen der Bibel vorliegen und ich mich andererseits über das westliche und zugleich östliche Verständnis einer exegetischen Hausarbeit setzen muss. So ist das Verständnis des Matthäus ein unterschiedliches: Im Westen ist es der Name des Verfassers eines der vier Evangelien, wobei hier nicht sicher ist, ob der Verfasser wirklich Matthäus hieß: Er ist eigentlich eher unbekannt. In der orthodoxen Kirche dagegen ist Matthäus Apostel und Evangelist zugleich und meine Kommilitonen, denen ich davon erzähle, hören zum ersten Mal davon. Einer hat mir geantwortet, dass das westliche Verständnis und die dortige Forschung gar nicht abgesichert - also hypothetisch sei. So tauchen also schon interessante Schwierigkeiten vor der eigentlichen Hausarbeit überhaupt auf.

Bevor ich dann in die Uni gegangen bin, habe ich noch einen Abstecher zur Post gemacht und hatte nur eine Person vor mir, die aber gleich mehr als zwanzig Pakete verschicken wollte. Das hat so lange gedauert, dass ich dann in die Vorlesungen gegangen bin, ohne die Briefe loszuwerden. Nach den Vorlesungen und der Chorstunde bin ich dann also wieder zur Post gegangen - in ein anderes Amt. Dort stand ich dann fast ganz vorne und als ich an der Reihe war, hat die Frau erst einmal zehn Minuten Pause gemacht. Die Zeit habe ich mir vertrödelt, in dem ich mit meinen Taschencomputer gespielt habe. Danach bin ich einkaufen gegangen und habe in dem Supermarkt deutsche Stimmen gehört und deren "Besitzer" einfach mal angesprochen: Zwei Touristen, die mehr oder minder auf der Durchreise von Moskau sind. So hat sich ein ganz nettes Gespräch ergeben, dass ganz interessant war. Einen Teil des Abends habe ich bei Masha verbracht und habe ihr beim Übersetzen geholfen.

Nun werde ich gleich die Sachen packen, da ich ja morgen nach Saratov fahren werde. Auf die Reise freue ich mich schon sehr, nur bin ich auf die Zugfahrt sehr gespannt und hoffe, dass ich gut im Zug schlafen kann. Sollten meine Beine zu weit in den Gang vom Waggon ragen, dann müsste ich mir vielleicht eine rote Laterne daran hängen, damit mich nicht jeder Vorbeikommende anstößt. Ich überlege mir auch schon die ganze Zeit, wie ich die Fahrt - zumindest abends - verbringen könnte. Gerne möchte ich an der Hausarbeit arbeiten, doch ich denke, dass ich die ganze Literatur nicht in die Tasche bekommen werde.

Heute habe ich übrigens die ersten auf dem Kirchengelände Krokusse blühen sehen - es sind bislang nur wenige, aber einige andere stecken ihre bunten Knospen schon in die Luft und wenn ich zurück bin, werden sie auch wohl in Blüte stehen.

 

 

Donnerstag, 09. April 2009 - Gründonnerstag (kath.)

Um kurz nach halb acht bin ich aufgestanden und so hatte ich nach dem Frühstück noch genügend Zeit um an meiner Hausarbeit zu schreiben. Die Einleitung ist nun schon so gut wie fertig - da sie letztendlich noch auf die Hausarbeit angepasst werden muss. Wie immer war ich heute auch wieder im Internet, um mit meiner Mutter zu telefonieren. Doch die hatte keine Zeit. Nach dem Essen in der Universität war dann heute die letzte Vorlesung bei Vater Valentin. Er fragte mich am Anfang, was ich nach meinem Studium machen würde und auch, ob ich nicht noch ein Jahr in Moskau studieren würde. Letzteres würde ich gerne machen, aber mein Studium in Münster muss ich doch auch abschließen. Zum Schluss hat er mich noch - mit meiner (sprachlichen) Hilfe, auf deutsch gesegnet. Nun ist die Vorlesung zu Ende gegangen, die mir von allen am meisten bedeutet hat und auch am meisten gefallen hat. Damit geht das Studium schon früher zu Ende, als mir lieb ist - es liegt daran, dass die Prüfungszeit des vierten Kurses schon nach Ostern und damit sehr früh anfängt.

Nach der Vorlesung bin ich direkt nach Masha gegangen und habe dort schnell Pizzabrote zubereitet - zwei davon habe ich dann auf die Fahrt mitgenommen - und eins schon bei ihr zu Hause gegessen. Wir sind dann beide zum Bahnhof gegangen und es dauerte dann auch gar nicht mehr lange, bis der Zug abgefahren ist. Ich muss gestehen, dass mir der Abschied trotz der kurzen Zeit bis zum Wiedersehen doch etwas mehr schwer gefallen ist als ich gedacht hätte.

Meinen Platz habe ich im zweiten Wagen gefunden bei Igor, Sergej, Olga und den Namen des anderen jungen Herren habe ich leider schon wieder vergessen. Wir haben uns ganz nett unterhalten und dann irgendwann Karten gespielt. Wobei ich mir das Spiel erst eine Zeit lang angeschaut habe und es dann zunächst mit offenen Karten selbst probiert habe. Letztendlich habe ich das Spiel bis kurz vorm Schlafengehen noch nicht ganz verstanden, konnte aber fast ohne Hilfe mitspielen. Die vier haben mich höflichkeitshalber hin und wieder sogar gewinnen lassen. Gegen 22 Uhr wurde das Licht schon gedämmt und gegen 22:45 Uhr dann völlig auf schlafen umgestellt, so dass Karten spielen unmöglich wurde. Ich habe mich dann wie Sergej, der über mir lag, recht schnell schlafen gelegt.

 

 

Freitag, 10. April 2009 - Karfreitag (kath.)

(nach dem Aufstehen): Die Nacht war eigentlich recht ruhig, bis auf das hin und wieder Geld von Sergej auf mich herabgerieselt ist und das manchmal einige Leute an meine Füße, die dann und wann weit in den Gang gestreckt waren, gestoßen sind. Manchmal bin ich auch zwischenzeitlich wach geworden - eigenartigerweise dann, wenn der Zug stand. Wenn der Zug an einer Bahnstation hält, dann steht er meistens auch für 20 Minuten. Gegen 7:30 bin ich dann aufgestanden - da fuhren wir gerade durch die Bahnstation Uralskaja. Da sind wir durch eine leicht hügelige Landschaft gefahren, in der recht wenige Bäume stehen und die Hügel noch recht braun aussehen von dem Gras, dass lange unter dem Schnee gelegen hat. Hin und wieder kommt ein kleines Dörfchen, dass dann seine eigene Bahnstation hat, die dann nicht die Bezeichnung des Ortes, sondern die des Streckenkilometers trägt - beispielsweise "Platforma 816 km. Die kleinen Haltestellen erscheinen mir hier manchmal als etwas eigentümlich - es sieht aus, als hätte man dort ein paar Betonplatten nebeneinander gelegt, eine weiße Linie gezogen und ein Namensschild dazugestellt. Das Wetter ist wieder herrlich, obwohl es auch kalt zu sein scheint draußen. Gerade eben hat Bischof Clemens mir geschrieben, dass mich jemand am Bahnhof abholen wird - ich freue mich sehr auf das Treffen. Nun tauchen gerade die ersten Hochhäuser von Saratov auf und ich will den Computer nun ausmachen.

(am Abend) Als ich aus dem Zug ausgestiegen bin rief gleich eine mir bekannte Stimme meinen Namen - es war Vater Marcus, der mich am Bahnhof erwartete. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn hier treffe und so war ihm eine tolle Überraschung gelungen. Gegen zehn Uhr waren wir dann im bischöflichen Haus, dass sich in einem größeren Block befindet. Dort hat die katholische Kirche vier Wohnungen gekauft - eine ist für den Bischof, eine für Gäste, eine für Schwestern und noch eine weitere. Es ist ein bewachtes Grundstück, wo Leute mit etwas mehr Geld wohnen. Ich habe mich dann erst etwas frisch gemacht und habe mich dann schlafen gelegt. Eigentlich wollte ich mich nur eine Stunde ausruhen, da das Bett aber so bequem war und ich recht müde, bin ich dann erst um Mittag aus dem Bett gekommen. Ich habe mich dann noch die Stunde bis zum Mittagessen bei Marcus und einem Priesteramtskandidaten des Bistums dazugesetzt, die gerade gemeinsam beziehungsweise gegeneinander am Computer spielten. Zum Mittagessen kam Bischof Clemens dann auch dazu. Nach dem Essen und dem Abwasch habe ich dann alleine die Stadt ein wenig erkundet und bin durch die Fußgängerzone bis zur Wolga spaziert. Dabei bin ich auch an der katholischen Kirche vorbeigekommen - und an einer orthodoxen. Mein Ziel war die Russisch-orthodoxe Kathedrale, die in der Nähe des Wolgaufers liegt. Sie ist eine schöne Kirche, die frisch renoviert ist und sehr schöne Deckengemälde zeigt. Auch sind dort einige sehr alte Ikonen zu finden - so wie Bischof Clemens mir erzählte, war die Kirche zu Sowjetzeiten geöffnet und man hat dort die ganzen Ikonen der anderen Kirchen, die geschlossen wurden, gesammelt. Der Teil der Kirche, in dem ich war, war nicht überfüllt mit Ikonen. Möglicherweise war ich aber auch nur in der Krypta und nicht in der Hauptkirche. Von der wusste ich irgendwie gar nichts - obwohl ich es mir hätte denken können, wenn mir das Gebäude von außen besser angeschaut hätte. Vielleicht war ich doch noch zu müde. Anschließend habe ich noch Wasser gekauft und bin dann durch die Fußgängerzone zurück zum Markt gegangen und wollte dort nach Hausschuhen schauen. Gefunden habe ich so gut wie nichts - ich hatte auch nur wenig Zeit, weil ich um fünf Uhr mit dem Bischof zu Kirche gefahren bin. Unterwegs haben wir viele neue Häuser gesehen und direkt daneben oft alte, die teils recht windschief dastehen. Sie spiegeln das alte Saratov wieder, das mit jedem Hochhaus so langsam schwindet. Es wird hier oft so gehandhabt, dass wenn ein Investor kommt, der ein großes Haus bauen möchte, die Menschen der alten Häuser gebeten werden, zu verkaufen. Tun sie es nicht, müssen sie damit rechnen, dass ihr Haus irgendwann ein Opfer der Flammen wird und sie somit "zwangsumgesiedelt" werden. Einige alte Häuser zwischen der großen Wolgabrücke und der Russisch-orthodoxen Kathedrale sollen bislang sogar noch nicht einmal Wasseranschluss haben, obwohl sie mitten in der Stadt liegen.

Um 18 Uhr fing dann die Karfreitagsliturgie an - etwas später als gewohnt, weil die berufstätigen sonst keine Möglichkeit haben, zu diesem eigentlich wichtigen Gottesdienst zu kommen. Die kleine Kirche war wesentlich mehr als halbvoll - es waren mit dem Bischof fünf Priester anwesend. Dies ist äußerst ungewöhnlich - in der Regel zelebriert nur einer. Nach dem Kirchgang bin ich mit Vater Marcus und dem Priesteramtskandidaten nach Hause gegangen, wir haben dort etwas gegessen und sind nach dem Komplet und dem Schreiben das Tagebuches schlafen gegangen.

So habe ich heute nun wieder viel Fremdes und Neues gesehen - zunächst bin ich das erste Mal über Nacht im Zug gefahren und ich habe es mir durchaus schlimmer vorgestellt - letztendlich war es ganz gut. Die Betten sind zwar nicht ausreichend lang genug für mich, aber für eine Nacht waren sie dennoch in Ordnung. Dann habe ich etwas von einer mir völlig fremden Stadt gesehen, die auch zu den Großstädten Russlands zählt und etwa eine Million Einwohner haben soll - die mir aber letztendlich doch wie eine Kleinstadt vorkommt. Moskau scheint mir ein völlig neues Bild über eine Stadt gegeben zu haben. Das Maß für etwas Normales in dieser Beziehung scheint verloren gegangen zu sein. Obwohl Saratov gar nicht so klein ist, kommt es mir doch so vor. Hatte ich auf der Fahrt nach Vladimir schon die Wolga gesehen (Вольга), so habe ich heute das erste Mal die große richtige Wolga (Волга) gesehen. Erstere ist eher ein Bach als ein Fluss in der Nähe Moskaus und nun habe ich heute im eisigen Wind vor der mittlerweile weitestgehend eisfreien bekannten Wolga gestanden und war beeindruckt von der Größe. Das Ufer am anderen Ende ist doch wesentlich weiter weg als bei mir bekannten anderen Flüssen wie beispielsweise der Rhein. Vielleicht ist die Elbe bei Otterndorf vergleichbar - da habe ich jedoch nur schwache Erinnerungen dran. In jedem Fall war ich an manchen Stellen in der Stadt stark an die sibirische Stadt Irkutsk erinnert. Auch an anderen Dingen konnte man merken, dass ich weiter in Russland eingedrungen bin: Die Gehwege sind viel schlechter, die Häuser oftmals verfallener und alles wirkt noch ein wenig mehr unaufgeräumt. Aber die Stadt ist wesentlich ruhiger und damit angenehmer als Moskau.

 

Im Zug beim Tagebuch schreiben.

 

Ein Nachbau von Saratov an der Wolga - doch wer genau hinschaut...

 

Eine verlassene Baustelle: Auswirkungen der Finanzkrise, die längst nicht nur eine Finanzkrise ist.

 

Die Wolga.

 

Brücke über die Wolga.

 

Mittagessen für Spatzen.

 

Die Russisch-orthodoxe Kathedralkirche von Saratov.

 

Ein etwas schiefes und altes Haus.

 

Der katholische Dom St. Peter und Paul.

 

Das Konservatorium.

 

Die Russisch-orthodoxe Kirche, die der Marien-Ikone "Nimm hinfort meine Leiden" geweiht ist.

 

Die Fußgängerzone in Saratov.

 

 

Samstag, 11. April 2009 - Karsamstag (kath.)

Am heutigen Morgen haben wir uns zum Frühstück um acht Uhr getroffen, vorher habe ich gemeinsam mit Vater Marcus und Ilja die Laudes gebetet. Anschließend hat Bischof Clemens Ilja und mich eingeladen in zwei kleine Dörfer auf dem halben Weg nach Kamuschin zu fahren. Der Weg dorthin führt durch eine hügelige Landschaft ein paar Kilometer entfernt parallel zur Wolga. Wir waren sehr schnell aus der Stadt heraus - das bin ich von Moskau nun gar nicht mehr gewöhnt. An sehr wenigen Stellen lag noch Schnee, vor allem zwischen den Bäumen der überwiegend schnurgeraden Straße, die wie über die Hügel gelegt aussieht. Sonst sind nur einige Büsche und wenige Bäume hier zu finden. Entlang der Straße stehen in gebührendem Abstand Birken und Kiefern, um Schneewehen auf der Straße zu vermeiden. Das Gebiet, durch das wir gefahren sind, war die ehemalige Wolgarepublik, wo sehr viele deutsche gewohnt haben. Daher stand als Stolz der Dörfer einst eine große katholische oder evangelische Kirche, bei einigen Dörfern konnte man noch die Kirchtürme sehen. Die Kirche sind aber allesamt ungenutzt und verfallen zusehends, weil sich keine Verwendung dafür findet. So auch die Kirche St. Michael in dem Dorf Kamenka, das früher Steinchen hieß. Es ist ein kleines und halb verlassenes Dorf 117 km von Saratov entfernt, dass einst zehn parallel verlaufende Straßen hatte, nun aber nur noch zwei. Es herrscht große Arbeitslosigkeit - eine Perspektive des Dörfchens mag vielleicht der Versuch der Ölförderung zu sein. Viel von dem Dorf haben wir leider nicht gesehen: Es gibt dort verlassene Firmen aus der Sowjetzeit, die Häuser sind oftmals verlassen, spiegeln aber noch schön die Geschichte des Dorfs wieder. Es finden sich noch einige Häuser aus der Gründerzeit und aus der Zeit, in der dort Deutsche gewohnt haben. Sie haben alle einen besonderen Baustil wie beispielsweise hohe Decken und Fenster. Die Kirche war einst der Stolz des Dorfes und übt auch heute als Ruine noch eine große Faszination aus. Sie hat vor einigen Jahren gebrannt, wo auch das Holzdach des Turms ausgebrannt ist. In beiden Türmen finden sich noch Treppenreste, die einst nach oben führten. Im Altar finden sich noch ganz wenige Fresken. Ein Raum wurde vor etwa 12 Jahren von einem katholischen Priester gestrichen und er hat dort einige Zeit lang die Heilige Messe gefeiert. Doch auch dies musste aufgegeben werden. Sehr schön fand ich, dass zwei Türen noch vorhanden waren - wenn auch ohne Glas: Die beiden Türen waren geöffnet, als wenn die Kirche zum Gebet einladen würde. Das Dach ist pfeilerfrei gebaut worden, so dass die Menschen früher sehr stolz auf das Holzdach gewesen sein müssen, da sie es selbst konstruiert haben. Als wir wieder abgefahren sind, habe ich um einen kurzen Fotostopp gebeten und ich habe das Dorf von der Bahnlinie aus noch einmal fotografiert. Dann hörte ich einen Zug pfeiffen und kurz darauf fing die Lichtanlage des Bahnübergangs an zu bimmeln. Nun denkt sich vielleicht der ein oder andere, dass ich den Fahrplan kannte und die Zeit bewusst etwas herausgezögert habe, aber in diesem Fall war das Zufall und so konnte ich noch einen Zug dort fotografieren - mitten im "Bergufer" der Wolga. So wird der Landstrich nördlich der Wolga genannt, der sehr hügelig ist. Als der Zug vorüber und ich im zurück im Auto war, sind wir in ein anderes kleines Dorf gefahren - nach Nishnija Bannovka. Es ist ein kleines Dorf direkt am hohen Wolgaufer. Auf dem Weg dorthin ist uns eine kleine Herde mit Schafen und Osterlämmern begegnet und etwas später eine Kuhherde, die aus Schwarzbunten bestand - direkt am Wegesrand. In dem Dorf angekommen hörte der befestigte Weg irgendwann auf und es ging auf einem sehr buckeligen getrockneten Sandweg weiter, der teilweise tiefe und harte Furchen aufwies. Und so sind wir langsam zur Wolga gewackelt - ein Härtetest für den neuen Volkswagen vom Bischof. Zunächst haben wir am hohen Ufer die Aussicht genossen und sind dann herunter direkt an das Wasser gefahren. Dort konnte ich es nicht sein lassen, im eiskalten Wasser ein Fußbad zu nehmen. An den Rändern befand sich immer noch etwas Eis - vor ein paar Tagen war der Fluss noch vollständig zugefroren und Fischer haben dort geangelt. Aber nach etwas mehr nach einer Minute schmerzten die Füße dann doch etwas, so dass ich schnell wieder aus dem Wasser gegangen bin. So war ich immerhin vor vier Jahren im kalten Baikalsee und nun in der Wolga. Anschließend sind wir zügig zurück zum Mittagessen nach Saratov gefahren. Nach dem Essen habe ich mich mit Masha und ihrer Schwester Tanja getroffen, die am Mittag nachgereist sind. Wir haben uns gemeinsam ein wenig die Fußgängerzone angeschaut und dann das Haus ihrer Ahnen gesucht - gerade noch rechtzeitig: Um das Haus befand sich ein hoher Bauzaun, das Haus war unbewohnt, alles war verriegelt und verrammelt und man konnte nirgends in das Haus herein. Wir haben ein paar Fotos gemacht und irgendwie ist uns die Idee gekommen, von dem verlassenen und dem Abriss geweihten Haus ein Andenken mitzunehmen. Der Blick fiel dann auf das Haus- und Straßenschild, das durch den Bauzaun nicht mehr zu sehen war. Das eine ließ sich, obwohl es nur mit zwei Nägeln befestigt war, nicht abnehmen. Das andere, das viel robuster aussah, viel nach ein paar mehr oder minder leichten Schlägen auf die Nägel schon fast auf die Erde. Wir haben es dann sorgfältig in zwei Plastiktüten verstaut und in meinen Rucksack gepackt. Es soll eine Überraschung für Mashas Vater werden. Kurz vor 18 Uhr waren wir dann in der großen orthodoxen Kathedrale, wo gerade die Vetschernaja war. Ich habe noch kurz gewartet und dann erschien auch der Amtskollege von Bischof Clemens. Ich musste dann aber schnell zur katholischen Kirche spurten, weil wir uns dort treffen wollten zum Üben für die Osterliturgie - ich bin vom Bischof "verpflichtet" worden zum Messedienen. So ist eine kleine Tradition erhalten geblieben, nach der ich seit mehr als 15 Jahre ständig zu Ostern Messedienen darf. Das Üben mit dem Bischof hat mich stark an die Zeit erinnert, als ich die Messdienergruppe in meiner Heimatgemeinde in Oldersum angeleitet habe: Die Messdiener haben mich auch immer unterbrochen, wollten alles auf einmal machen und ich selbst habe viel mit ihnen gescherzt und Spaß gehabt. Nach dem Üben habe ich noch schnell zwei Bananen gekauft und gegessen und dann konnte es um 20 Uhr losgehen - draußen am Feuer. Dort hatte sich die Gemeinde versammelt und bei ostfriesischen Verhältnissen - es herrschte Wind und wir mussten auf Brandflecken im Gewand achten - begann die Heilige Messe. Nun ist die Kirche noch kleiner als meine Heimatgemeinde und es waren sicherlich nicht viel mehr als hundert Menschen in der Kirche. Und so war es sehr persönlich und für mich ein wunder-wunderschönes Osterfest und ich habe endlich wieder den katholischen Geist gespürt, den ich aus Oldersum kenne und so lange vermisst habe. Als wir uns nachher draußen beglückwünscht haben mit dem Osterruf: "Christus ist erstanden" und der Antwort "Er ist wahrhaft auferstanden!" wusste ich, dass ich mit der Flucht aus Moskau überhaupt keinen Fehler gemacht habe und fühlte mich sofort dort aufgehoben. Und auch Masha und Tanja scheint es sehr gut gefallen zu haben. Als Bischof Clemens mich nach Marx eingeladen hat, hatte ich ein recht schlechtes Gewissen, dass ich die beiden allein am nächsten Tag in Saratov lassen musste, aber Masha hat mich vorm Schlafengehen noch etwas beruhigen können. Vor dem Schlafengehen haben wir noch zusammengesessen und Ostern gefeiert mit den Priestern und den Schwestern. Ich kam mir etwas komisch vor mit meinem orthodoxen Fasten, ich habe es aber einhalten können. Die Schwestern waren sehr bemüht, für mich etwas zu finden - auch Käse stand auf der Auswahlliste. Doch auch der ist im orthodoxen Fasten nicht möglich... Letztlich bin ich aber satt geworden. Aber es war schwer, es durchzuhalten. So ging ein Tag zu Ende, den ich bestimmt nicht mehr so schnell vergessen werde und der sehr, sehr schön war. Zum Glück konnte ich nach Saratov fahren!

 

Die Kirche St. Michael in Kamenka.

 

Blick auf den Hauptausgang.

 

Seiteneingang.

 

Als wenn die geöffneten Türen zum Gebet einladen...

 

Kirchenfenster einmal umgekehrt.

 

Blick in die Kirche.

 

Gemäldereste in der Kirche.

 

Dorfeingang von Kamenka.

 

Kamenka.

 

Kühe am Straßenrand

 

Wolgastimmung.

 

Fußbad.

 

Hügelufer - Wolga - Ufer.

 

Am Wolgaufer.

 

Das Hügelufer.

 

Nishnija Bannovka.

 

Toilettenhäuschen.

 

Wer klagt da noch über deutsche Autobahntoiletten?

 

Die alte katholische Kathedrale.

 

Das Straßenschild war ohnehin nicht lesbar...

 

Und.... Hops!

 

Üben mit Bischof Clemens.

 

..."vom köstlichen Wachs der Bienen bereitet": Die Osterkerze.

 

Osternacht.

 

 

Sonntag, 12. April 2009 - Ostern (kath.) und Palmsonntag (orth.)

Christus ist auferstanden!

(15:15 Uhr) Der heutige Tag begann um 7:45 Uhr mit einem Oster(-fasten-)frühstück und anschließend sind wir, also Bischof Clemens, Ilja und ich, nach Marx gefahren in die Gemeinde, in der Bischof Clemens vor seinem Bischofsamt eingesetzt war. Die Fahrt dorthin war sehr interessant, zumal wir über die große Wolgabrücke gefahren sind. Die war schon sehr imposant zu überfahren. Die Fahrbahn ist zwar recht buckelig, aber die Aussicht prima. Und erst dann wird einem die Größe des Flusses bewusst. Auf der anderen Seite der Wolga liegt Engels und als wir Engels durchfahren hatten, konnte ich das "Wiesenufer" der Wolga betrachten: Es ist eine Landschaft, die Ostfriesland ein wenig gleicht, weil es total flach ist, es gibt Felder und Wiesen, kaum Bäume und es wehte in kalter Wind. Auf halber Strecke bremste Bischof Clemens auf einmal ab, wendete und fuhr zu einer Kreuzung zurück, um ein Foto von einem Straßenschild zu machen: Es zeigte an, dass der Weg nach Engels nach links abgeht und der nach Marx nach rechts. Ein Schelm ist, wer politisch denkt - radikal derjenige, der mit ein oder zwei Schüssen aus der Schrotflinte das Schild zerbeult hat. Auf der weiteren Fahrt sind wir an einigen Orten vorbeigekommen, die deutsche Namen tragen: ein Beispiel ist Krassnij Jar, das übersetzt Schönfeld heißt und über einen Fluss mit dem Namen Лизль - also "Liesl". Im Ortseingang von Marx konnte man schon gut den hohen Kirchturm der Gemeinde sehen - es is die erste katholische Kirche gewesen, die seit 1917 in Russland geweiht worden ist. Die Baugrube hat noch der heutige Bischof von Novosibirsk Joseph Werth ausgehoben, den Rest hat der damalige Pfarrer Bischof Clemens erledigt. Das Ergebnis ist eine sehr schöne und helle Kirche und gegenüber von Saratov ist es eine große Kirche. Zunächst haben wir beim Pfarrer dort Tee und Kaffee getrunken und zehn Uhr fing dann die Heilige Messe an. Auch hier bin ich recht leicht in die Gemeinde gekommen. Anschließend habe ich erst Vater Marcus und Ilja beim musizieren zugehört - Vater Marcus am Schlagzeug und Ilja an der Gitarre. Dann hat mich Bischof Clemens gerufen und wir sind im Auto ein wenig durch den Ort gefahren und so habe ich Marx kennen gelernt. Er hat mir die evangelische und orthodoxe Kirche gezeigt. Erstere hat eine große Kirche mitten im Stadtzentrum und die Orthodoxen haben eine alte Schule völlig umgestaltet, so dass sie als solche nicht mehr zu erkennen ist. Die Schule hat sogar einen Glockenturm und eine Kuppel bekommen. Wir waren auch am Wolgaufer - an einer Stelle, wo bis vor einigen Wochen noch Lastwagen und Autos über das Eis gefahren sind. Früher war es so, dass einige Gemeindemitglieder nur im Winter zur Kirche kommen konnten - wenn die Wolga zugefroren war. Das andere Ufer sieht recht nahe aus - dadurch, dass es aber sehr hoch ist, wirkt es nur so - in Wirklichkeit ist es mehr als vier Kilometer entfernt. Zum Schluss sind wir noch zu einer alten Frau gefahren - eine, die noch deutsch spricht. Als wir klingelten haben, war die Familie gerade am essen und sofort wurden uns Teller, Besteck und Gläser dazugestellt. So haben wir einen kleinen Happen mitgegessen, uns kurz unterhalten und mussten dann schon wieder aufbrechen. Die Tochter der Frau hat die ganze Nacht gekocht - allerdings ein orthodoxes Fastenessen, das überwiegend aus Fisch bestand, weil die orthodoxen Nachbarn noch zu Gast kommen wollten. "Richtig" zu Mittag haben wir dann bei den Marxer Schwestern gegessen und hier habe ich das Fasten kurz gebrochen. In der Suppe waren Fleischklöße, von denen ich dann drei gegessen habe. Da ich mich aber als Reisenden gezählt habe, war es allenfalls ein halbes Fastenbrechen. Und auch der Kuchen anschließend zähle ich unter die Kategorie "für die Reisenden zu Lande, zu Wasser und in der Luft", wie es in einigen Ektenien der Liturgie heißt.

Anschließend herrschte etwas Mittagsruhe und ich habe draußen in der Sonne das Tagebuch für gestern und für heute geschrieben und mich ein wenig mit dem sehr verspielten und jungen Wachhund "Kommissar" Rex gespielt - und den ersten Schmetterling des Jahres gesehen: einen Zitronenfalter! Kurz nach vier kam Bischof Clemens und wir haben uns voneinander verabschiedet und der Allroundgehilfe Karen hat mich dann zum Bahnhof nach Saratov gebracht. Ich wollte eigentlich Masha und Tanja auf dem Handy anrufen, doch ich hatte wohl zu wenig Guthaben - zumindest zeigte es einen Minusbetrag von mehr als 90 Rubel an. Wieso hat keiner von uns verstanden. Nachdem es aufgeladen war, konnte ich dann auch meine Eltern anrufen, die bei Oma zu Gast waren. So konnte ich ihr dann auch gleich ein frohes Osterfest wünschen. Letztlich haben wir die beiden am Prospekt Kirov aufgelesen. Nachdem ich noch geschaut habe, welche Lokomotive uns die erste Etappe nach Moskau bringen sollte, sind wir in den Zug eingestiegen. Kurz nachdem wir saßen - wir haben uns auf Deutsch unterhalten - sprach uns ein älteres Ehepaar an: Sie waren Wolgadeutsche und sind vor zehn Jahren nach Deutschland ausgewandert. Wir haben uns sehr nett miteinander unterhalten. Mit dabei saß und sich mit uns unterhaltend noch ein junger Mann, den man in Bayern mit Sicherheit "Geschaftlhuber" oder "Gscheitschmatzer" nennen würde: Er diskutierte und redete von Themen, von denen er eigentlich keine Ahnung hatte. Das Ehepaar kannte sogar den Bischof Clemens Pickel, allerdings noch als Priester, als er bei einer Gruppe Russlanddeutscher vor dem Kirchenbau in Saratov die Heilige Messe gefeiert hat. Bischof Clemens hat mir als Ostergeschenk sein Buch "Ein Deutscher - Bischof in Russland. Einblicke und Ausblicke"7 geschenkt, das der Mann des Ehepaares nun scheinbar mit Begeisterung liest. Es ist wie ein Tagebuch aufgemacht - es sind aber Briefe, die er geschrieben hat und in denen er von seinen Erfahrungen berichtet. Ich habe schon selbst ein Kapitel angelesen und es scheint mir, als wenn ich das Buch mit viel Freude und mit dem Blick auf das Selbsterlebte in Moskau lesen werde. Gerade eben haben wir an einer Station angehalten, wo uns eine große, dröhnende und rumpelnde Diesellok vorgespannt wurde und die Elektrolokomotiven nun wohl schlafen gehen wird. Laut Anfrage wird die Lokomotive bei einem Fahrtrichtungswechsel in der Nacht wohl noch einmal getauscht. Kurz vor elf bin ich dann nach oben ins Bett geklettert und gekrabbelt. Es ist gar nicht so einfach für einen so großen Menschen wie ich es bin, dorthin zu gelangen, zumal dort nur 50cm zwischen Gepäckablage und Pritsche sind.

 

Welche Richtung nehmen wir?

 

Die katholische Kirchengemeinde.

 

Das Kircheninnere.

 

Das Pfarrhaus.

 

Marx.

 

Weg durchs Dorf.

 

Am Wolgaufer.

 

Stillleben.

 

Die evangelische Kirche von Marx.

 

Fisch- und Krebsverkauf am Straßenrand.

 

Zu Gast in einer katholischen Familie.

 

 

Montag, 13. April 2009 - Ostermontag (kath.)

(9:30 morgens:) Nun beginnt heute die letzte Fastenwoche, die zugleich wieder eine Strenge ist. Die letzte Nacht habe schlecht geschlafen auf der harten Pritsche, da ich immer mit den Beckenknochen hart gelegen habe. Zudem konnte ich die Beine nicht ausstrecken, da sie sonst weit über die Hälfte in den Gang hineingeragt hätten. Alles in allem war ich oft wach und habe schlecht geschlafen. Manchmal, wenn ich aus dem Fenster geschaut habe, konnte ich Felder sehen, die abgebrannt wurden. So waren manchmal im Dunkeln kleine Feuerstreifen zu sehen. So war ich ab sieben Uhr wach und bin kurz vor acht aufgestanden. Wir haben dann gemeinsam gefrühstückt und den Tee des Zuges getrunken - die Teebeutel trugen das Logo der russischen Eisenbahngesellschaft.

Jetzt am Abend bin ich für nichts mehr zu gebrauchen! Die unruhige Nacht und der Mittagsschlaf, den ich mir nicht gegönnt habe, zeigen Wirkung. Den Tag über habe ich am Tagebuch gearbeitet, kurz in meine Mails hineingeschaut und die Deutschstunde für morgen vorbereitet. Und am Abend war ich noch im Gottesdienst, der glücklicherweise nicht so lange gedauert hat. Im Zug auf der Fahrt ins Wohnheim habe ich noch ein wenig im Buch vom Bischof Clemens gelesen - es ist ein Buch voller Faszination und man kann einfach alles drum herum vergessen!

 

Frühstückstisch.

 

Ostergruß

 

Liebe Leser und Leserinnen des Tagebuches!

Christus ist auferstanden! So lautet der Osterruf sowohl in der Russisch-orthodoxen Kirche als auch in der katholischen Kirche, auf den üblicherweise mit "Er ist wahrhaft auferstanden!" geantwortet wird. Nun habe ich das katholische Osterfest in zwei sehr guten Gemeinden in Saratov und Marx erleben dürfen - ich bin dafür ja extra aus Moskau geflüchtet und habe es trotz der recht anstrengenden Zugfahrten noch keineswegs bereut! Es waren einfach wunderbare Tage. Nun haben mich die orthodoxe Fastenzeit und auch der Stress wieder - ich will die Hausarbeit bis Ende April fertig geschrieben haben - es bleibt mir nur noch sehr, sehr wenig Zeit übrig. Jetzt in der letzten großen Fastenwoche gibt es noch jede Menge teils recht lange Gottesdienste - morgens und abends, die auf das orthodoxe Osterfest vorbereiten.

Wie viele aus dem Tagebuch herauslesen können, geht es mir nach wie vor sehr, sehr gut und ich bin, wie ich schon so oft geschrieben habe, manchmal sehr traurig, dass die Zeit so schnell vorübergeht. Da kommt einem die Zeit bis Ende Juni sehr kurz vor - auch wenn zweieinhalb Monate noch so kurz klingen mögen. Sie werden wie im Flug vergehen: Am 30. April kommen zwei Freunde aus Münster, dann zu meinem Geburtstag meine Eltern, die dann bis zum 17. Mai bleiben. Und dann möchte ich noch nach hier und da Ausflüge machen und schon ist die Zeit vorbei. Ende Juni werde ich definitiv fliegen müssen, dann die Wohnung einräumen, ab Mitte Juli bei der Müllabfuhr arbeiten, dann zwei sehr wichtige Prüfungen vorbereiten, durch die ich keineswegs durchfallen darf, weil ich sonst noch ein Semester dranhängen muss, im Oktober nach dem Prüfungen bekomme ich sehr wahrscheinlich Besuch aus Moskau, ... Das Jahr ist eigentlich durchgeplant.

Nun hoffe ich, dass alle von Euch und Ihnen ein so schönes Osterfest erleben durften, wie ich es in Saratov und Marx - es war ein Segen und Balsam für die Seele. Es war für mich in dieser schnell vergehenden Zeit wie eine kleine Insel der Ruhe, raus aus Moskau, in den Dörfern frische Luft atmen, Stille erleben und erfahren und einfach mal ein paar Tage die Seele baumeln lassen. Das war das größte und schönste (katholische) Ostergeschenk, dass ich erfahren konnte. Dazu kommt noch, dass Natur und Christus scheinbar gemeinsam wieder auferstehen. Es wird langsam grün, die ersten Blumen stecken die Köpfe aus der Erde und die Bäume haben Knospen! Und es wird wieder wärmer draußen - in der Sonne ist es schon richtig schön warm!

Nun soll der Ostergruß nicht länger werden, weil ich ja so oder so berichtet habe und berichten werde - und einfach noch so viel anderes zu tun habe. Ich danke allen von ganzem Herzen, die mich in welcher Weise auch immer durchs Studium, durch meine Zeit in Russland und durchs Tagebuch begleiten!

Es grüßt Euch und Sie ganz herzlich aus Russland

Andreas Brink

 

 

Dienstag, 14. April 2009

Heute bin ich um acht Uhr aufgestanden - auch wenn mir etwas mehr Schlaf noch gut getan hätte. Doch ich habe noch Wäsche gewaschen und wollte mich dann eigentlich erst an die Hausarbeit setzen. Doch dann habe ich mich auf die kurze "Internetsitzung" vorbereitet und angefangen, einen Ostergruß zu schreiben. Zum katholischen Osterfest bin ich kaum dazu gekommen, Karten zu schreiben und auch mit den Mails ist es so eine Sache. Es fehlt einfach hinten und vorne die Zeit, trotzdem versuche ich, möglichst rational und zeitsparend zu denken und zu arbeiten. Dieses Problem prägte auch den ganzen Morgen bis zum Mittagessen und bis kurz danach. Gegen elf Uhr bin ich mit dem Zug in die Stadt gefahren und hatte - jetzt geht es wieder um Zeit - nur 20 Minuten, um kurz die Nachrichten zu lesen, die Homepage zu erneuern, Mails zu verschicken und zu empfangen und letztlich das Virenprogramm zu aktualisieren. Um punkt halb eins war ich dann in der Stalowaja - anschließend um ein Uhr sollte dann Chorprobe sein. Um halb zwei war Vater Alexej immer noch nicht da und da ich noch gerne an der Hausarbeit weiterbasteln wollte, bin ich zu Masha gegangen, um mein Projekt dort weiter zu verfolgen. Zunächst habe ich fix mit Masha Pizzabrote gemacht, dann kurz gegessen und einige Gardinen aufgehängt - es steht der traditionelle Hausputz vor Ostern an. Dabei hat mir Masha den griechischen Text der Perikope abgetippt und anschließend habe ich Kolja und Sergej unterrichtet. Den Abend habe ich dann bis 22 Uhr mit der Hausarbeit verbracht und noch einiges zustande bekommen: Einerseits habe ich es geschafft, die Bibelstelle aufzudröseln und in Kleinabschnitte zu teilen und dann habe ich mit der Textabgrenzung angefangen - also Indizien für einen logischen Anfang meines Evangelientextes zu finden. Ich werde nun wieder bei Masha übernachten, da ich morgen um sieben Uhr einen Gottesdienst oder eine Liturgie im Chor mitsingen werde - hoffe ich zumindest. So muss ich erst eine Stunde später aufstehen und kann genau um sieben Uhr in der Kirche sein.

 

 

Mittwoch, 15. April 2009

Die Nacht habe ich wunderbar durchgeschlafen und ich war sehr überrascht, als um sechs Uhr schon der Wecker klingelte. Ich habe mich schnell frisch gemacht und mir dann etwas zu essen. Leider war kein Brot mehr da, so dass ich auf im Kühlschrank stehende Kartoffel zurückgreifen musste. Während dem Essen gesellte sich Mashas Kater zu mir auf die Bank und schaute mir sehnsüchtig beim Essen zu. Bis sich dann auf einmal die rechte Vorderpfote langsam erhob und in die Richtung meines Tellers steuerte. Ich habe die Pfote dann dahin zurückgetan, wo sie hingehört und nach kurzem Warten hat er es wieder probiert. Dann habe ich in von der Bank verscheucht. Dieser Kater hat einen total frechen Charakter: Die anderen Katzen ärgern, unschuldig und lieb schauen und wenn man nicht aufpasst, dann macht er Unsinn - bei mir mittlerweile auch schon, wenn ich dabei bin. Und sobald ein Fremder die Wohnung betritt, dann versteckt er sich so lange, bis der wieder weg ist. Er ist ein großer Frechdachs und ein Feigling zugleich.

Nach der letzten Liturgie der Vorgeweihten Gaben in diesem Jahr, die ich im Chor mitgesungen habe, habe ich bei Masha meine Hausarbeit weitergeschrieben - auch wenn ich total müde war. Ich habe jetzt mittlerweile sechs Seiten zustande gebracht - mehr als ich gedacht hätte. Dennoch liegt noch ein Haufen Arbeit vor mir. Ich mag dieses exegetische Aufdröseln einer Bibelstelle ja überhaupt nicht - vor allem weil ich mir zu oft vorstelle, dass die Evangelisten sich vielleicht kaputtlachen würden, wenn sie wüssten, was wir mit ihren Texten anstellen. Andererseits muss ich zugeben, dass es auch recht interessant sein kann. Im Gesamt habe ich von etwa 13 bis 18 Uhr an der Hausarbeit gearbeitet, bin dann mit Masha zur Kirche in den Rest des Abendgottesdienstes gegangen und anschließend nach Hause gefahren.

Im Zug wurde heute Musik gespielt, die qualitativ wirklich sehr gut war und die ich sehr mag: Balalaikamusik! Es traten zwei Musikanten auf, einer mit Gitarre, einer mit Balalaika: Sie konnten sehr gut spielen und dazu noch sehr gut singen! Es hat wirklich Spaß gemacht, aufmerksam zuzuhören, während am Fenster Teile Moskaus vorbeirauschten: Wegen den warmen Temperaturen - in jedem Fall lagen sie bei weit über 10°C - waren noch viele Leute draußen und an einem Streckenabschnitt, wo es viele frische Baumstümpfe gibt, wurde auf diesen gepicknickt. Und etwa 300 Meter vorher habe ich einen Obdachlosen gesehen, der sich zum Schlafen auf den Boden in den Dreck gelegt hat - keinesfalls an der Straße, sondern mitten zwischen Bäumen und Büschen auf werdendem Rasen. So nah liegen in Moskau Romantik und die Welt der Probleme. Den weiteren Abend habe ich weitestgehend mit ein paar Mitbewohnern verbracht und wir haben uns gegenseitig etwas erzählt.

Momentan grüße ich gerne die Orthodoxen mit dem Ostergruß "Christus ist auferstanden". Das ruft sehr interessante Reaktionen hervor. Vater Alexeij, der Diakon, stutzte erst gewaltig und lachte dann, ein anderer Student sagte mir geduldig: "Nein, Andrej, das ist noch nicht, erst am Sonntag." Und andere sagen oft: "Ach ja, ihr Katholiken seid ja eher als wir..."

Am Abend gab es mit einer Studentin ein sehr interessantes Gespräch: Ich habe über die Wanderexerzitien in den französischen Alpen erzählt, an denen ich zwei Male teilgenommen habe. Dabei ist ihr diese Form der Frömmigkeit sehr fremd und es erinnert sie an das, was Sekten praktizieren. Für sie klang dies sehr nach einem Zwang. Es scheint der orthodoxen Kirche heute sehr fremd zu sein, über eine Bibelstelle selbst nachzudenken und beispielsweise zu überlegen, welche Bedeutung sie für mich persönlich hat. Es kommt vielmehr der Verweis auf die Literatur der Kirchenväter, die an für sich schon alles gesagt haben.

 

 

Donnerstag, 16. April 2009 - Gründonnerstag (orth.)

Nach dem Aufstehen habe ich mich heute Morgen in Ruhe auf die Göttliche Liturgie (nach Basilius dem Großen) vorbereitet und bin dann in die Fakultätskirche gefahren. Zwischendurch hatte Masha mir schon gesimst, dass die heute wohl sehr schnell sind in der Kirche und so war ich kurz nach dem Glaubensbekenntnis in der Kirche. Dementsprechend früh und schnell war die Liturgie auch schon wieder vorbei und ich bin anschließend erst mit Masha etwas Essen gegangen und bin dann noch einmal ins Wohnheim gefahren, um "deutsche" Spezialmedizin gegen Erkältung zu holen. Anschließend habe ich mich auf den Weg nach Aschan gemacht, wo ich schon lange nicht mehr war. Die Situation hat sich dort nicht geändert: Der Laden ist nach wie vor recht günstig - und genau so überlaufen. Ich habe dort einige Geschenke für das Osterfest gekauft, dass ich wieder in Mashas Familie verbringen werde. Es ist aber kaum möglich, Osterhasen zu kaufen und zu finden. Dafür habe ich andere schöne Sachen gefunden. Anschließend bin ich zur Metro-Station "Bratislavskaja" gelaufen, die recht in der Nähe ist und bin dann fast ans andere Ende der Stadt zur katholischen Kirche gefahren, um dort weitere Geschenke zu kaufen. Im Blick hatte ich Kerzen, habe aber keine schönen gefunden. Für mich haben sie alle eine gewisse Form von Kitsch. Und ich hätte auch noch ein Osterlamm kaufen wollen, das war aber schon lange ausverkauft. So bin ich dann wieder zu Masha gefahren, habe noch hier und da etwas geholfen, ein paar Ostermails geschrieben (leider überwiegend nur mit einem Einheitstext, mehr Zeit ist einfach nicht) und um kurz nach 19 Uhr bin ich zur Fakultätskirche gegangen zu Abendgottesdienst. Dort wurden zwölf Evangelien gelesen - unterbrochen durch kurze Ektenien und einige andere Gesänge. Hin und wieder haben auch die Priester etwas gesungen. In der Kirche habe ich die zwölf Evangelien, also die Leidensgeschichte, in meiner deutschen Bibel mitverfolgt. Dabei war es nicht immer leicht, die Kerze und die Bibel zu halten, und dann auch noch die Bibelstelle herauszufinden. Es wurden folgende Abschnitte gelesen:

  1. Joh. 13,31-18,1 (Jesu Reden zu seinen Jüngern)

  2. Joh. 18,1-28 (Das Abschiedsgebet des Herrn / Das Hohepriesterliche Gebet)

  3. Mat. 26,57-75 (Das Verhör vor dem hohen Rat und die Verleugnung durch Petrus)

  4. Joh. 18,28-19,16 (Das Verhör und die Verurteilung durch Pilatus)

  5. Mat. 27,3-32 (Das Ende des Judas)

  6. Mk. 15,16-32 (Die Verspottung durch die Soldaten und die Kreuzigung)

  7. Mat. 27,33-54 (Die Kreuzigung)

  8. Luk. 23,32-49 (Die Kreuzigung und der Tod Jesu)

  9. Joh. 19,25-37 (Die Hinrichtung Jesu: Maria, Maria von Magdala und der Jünger am Kreuz; Jesu Tod)

  10. Mk. 15,43-47 (Das Begräbnis Jesu)

  11. Joh. 19,38-42 (Die Bestattung des Leichnams)

  12. Mat. 27,62-66 (Die Bewachung des Grabes)

Dort, wo sonst die Tagesikone liegt, stand nun das große Kreuz, das sonst links steht. Nun wurde seine wirkliche Größe erst offenbar. Es ist vielleicht drei Meter groß und sieht sehr erhaben vor der Ikonostase aus. Anschließend wurde das Kreuz verehrt und dann haben viele das Licht mit nach Hause genommen, mit der dann der Hauseingang gesegnet wurde, das heißt, dass ein Rußkreuz unter den Türrahmen gemacht wurde. Das war für mich auch sehr fremd, zumal bei uns am Gründonnerstag in der Kirche das Ewige Licht ausgemacht wird. Es war ein sehr schöner Gottesdienst und auch sehr besinnlich, doch hatte ich immer das Gefühl, das für mich Ostern schon gewesen ist - das war Weihnachten noch ganz anders. Alles erinnerte sehr an den katholischen Karfreitag - bislang gefällt mir das Lesen der Prozession in der katholischen Kirche und die vorösterlichen Gottesdienste besser: Sie ist einfach schmuckloser...

 

Die Fürsten haben sich versammelt wider den Herrn und seinen Gesalbten.

Umsonst toben die Heiden und sinnen die Völker Eitles.

Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt, den wird der Herr erretten in böser Zeit.

Meine Feinde reden Arges wider mich: Wann wird er sterben und wird sein Name vergehen?

Der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen.

Als Teilnehmer an deinem geheimnisvollen Abendmahl nimm mich heute auf, o Sohn Gottes, Deinen Feinden will ich das Geheimnis nicht verraten, Dir auch nicht geben einen Kuss wie Judas, sondern Dich bekennen wie jener Räuber: Gedenke in Deinem Reiche.

 

 

Freitag, 17. April 2009 - Karfreitag (orth.)

Heute Morgen war ich schon um kurz nach acht in der Fakultätskirche, um das Zarenstundengebet miterleben zu dürfen. Es bestand in der Hauptsache aus Lesungen von Lesungs- und Evangelientexten. Dadurch, dass nicht so viele Leute in der Kirche waren, war es angenehm und gut auszuhalten. Anschließend habe ich in Mashas Familie etwas im Haushalt geholfen: Es steht einfach noch genug an: der restliche Hausputz, Kuchen backen, Eier färben, einkaufen und noch viel mehr. Welcher Katholik kennt das nicht...?

Zu 14 Uhr war ich dann wieder in der Kirche - dieses Mal zur Austragung des Grabtuches. Dieser Gottesdienst hatte zunächst etwas den Eindruck einer normalen Göttlichen Liturgie: Es gab einen kleinen Einzug mit dem Evangelium, es wurden Lesungen und das Evangelium (die Matthäuspassion) gelesen und der große Auszug fand dann mit dem Grabtuch statt, das anschließend verehrt wurde. Der Chor hat einen Gesang gesungen, von dem man sehr gut hören konnte, dass er aus einer anderen musikalischen Tradition bzw. Komponisten stammt. Auch dieser war wunderschön. Zum Schluss hatte ich das Glück, recht schnell zur Verehrung des Grabes zu kommen: Ich sollte einen Teppich aufrollen, der mich geradewegs zum Grabtuch führte. So hatte ich eigentlich nur eine ganze Schar Kinder vor mir.

Als ich im Internet war, lief ein kleiner blonder Junge in Latzhose um mich drumzu und schaute mir immer wieder über die Schulter: "Wie heißen Sie?" - "Andreas. Und Du?" - "Maxim. Wie alt sind Sie?" - "Was denkst Du denn?" - "25." - "Prachtkerl! Ich bin 27 Jahre alt. Und wie alt bist Du?" - "Fünf. - Wo kommst Du hier?" - "Ich komme aus Deutschland. Und Du kommst aus Moskau?" - "Ja." - "Bist Du mit Deinen Eltern hier?" ... Und so ging das Frage-Antwort-Spiel eine ganze Zeit lang und irgendwann fragte er, nachdem er zigmal um mich herumgelaufen war: "Sind da Spiele drauf?" und zeigte auf meinen Laptop. Ich: "Nein. Ich arbeite da nur mit!" Und dann ging er ohne Interesse zurück zu seinen Eltern.

Dann habe ich mich noch etwas mehr als eine Stunde ausgeruht und bin dann mit Masha zusammen in den Abendgottesdienst gegangen - zum Begräbnis des Grabtuches. Und kurz vor dem Ende habe ich dann die erste Prozession in der orthodoxen Kirche miterlebt. In der Kirche formierten sich zwei Fahnen, ein Kreuz und daneben eine Marienikone (an einem Tragestil) und eine Leuchte, die voranging. Dann folgte der Chor und danach die Priester und Diakone mit dem Grabtuch bzw. Deckel. Und dann versuchte sich die Gemeinde quasi auf einmal durch den Kirchenausgang zu zwängen. Die Prozession ging links um die Kirche und gerade als die letzten Leute aus der Kirche heraus waren, da kam auch schon der Anfang des Zuges beim Eingang an. Und anschließend wurde das Grabtuch wieder verehrt und die Leute schoben und drängelten wieder... Nach einem guten Abendessen bin ich dann sehr schnell im Bett verschwunden.

Nun ist mir in den letzten Tagen aufgefallen, dass sich Russland für den Frühling oder für das Osterfest herausputzt. An jeder Ecke und Kante wird mit oft fürchterlich stinkender Lackfarbe alles gestrichen, was man nur streichen kann: Türen, Zäune, Hauswände und sogar wieder die Bordsteinkanten. Nicht überall gibt es einen Hinweis, dass gestrichen wurde. So muss man sehr aufpassen, dass man nicht seine Sachen versaut. Die Weise, wie gestrichen wird, kommt mir sehr fremd vor: Es wird vorher nichts gereinigt oder abgeschliffen, die Farbe wird einfach neu aufgetragen - möglichst dick natürlich. So verschwinden nach und nach Verzierungen, da sie durch die dicke Farbschicht einfach verdeckt werden. Heute Abend war die ganze Novokusnetskaja Uliza voll mit Reinigungspersonal - es wimmelte fast nur so von Menschen mit orange leuchtenden Warnwesten.

 

Sie setzen mich in den untersten Abgrund, in die Finsternis und in den Schatten des Todes.

Herr, Gott meines Heiles, des Tages rufe ich zu Dir und in der Nacht.

(aus den Karfreitagsgottesdiensten)

 

Die Austragung des Grabtuches.

 

Leuchte, Fahnen, Kreuz und Marienikone gehen dem Chor voraus.

 

Das Grabtuch.

 

 

Karsamstag, 18. April 2009 - Karsamstag (orth.)

Die Göttliche Liturgie des Hl. Basilius fing mit einigen Gottesdiensten vorher schon um sieben Uhr an, aber ich war zusammen mit Masha erst um etwa viertel vor acht dort. Zunächst waren Stundengebete, dann der Morgengottesdienst, der in die Göttliche Liturgie eingeflochten war. Alles wurde wieder von sehr schönen Gesängen dominiert. Als ich vor der Eucharistie kurz draußen war, standen da schon eine Menge Leute, die ihre Osterkuchen und Eier gesegnet haben wollten. Dazu standen eigens jede Menge Tische aufgestellt und ein Priester ging durch die Reihe. Am frühen Nachmittag war ich noch einmal dort, um bei Sonnenschein das Spektakel zu fotografieren. Jetzt war Vater Georgij am segnen und er hat so gesegnet, dass auch keiner zu wenig von dem heiligen Wasser abbekommt. Den Tag wurde, wie es sonst üblich sein sollte, nicht in Ruhe begangen, sondern viel eher mit den letzten notwendigen Vorbereitungen für die Feier in der Nacht.

Kurz nach acht bin ich ins Bett zum Schlafen geschickt worden und um halb elf bin ich wieder aufgestanden, habe mich frisch gemacht für die Nacht und bin dann gemeinsam mit der Familie zur Fakultätskirche St. Nicolai gegangen. Wir haben gleich den Seiteneingang genommen und uns direkt vor die Ikonostase gestellt, damit wir zur Prozession zügig aus der Kirche konnten. Um etwa halb zwölf begann der Mitternachtsdienst, der dann nach etwa einer halben Stunde aufhörte. Dann begann ein kurzes, aber spannendes Warten auf die Prozession, die die Osternacht eingeleitet hat. Es gab eine "historische" Besonderheit an diesem Abend: Es war möglich, ohne Beichte zu kommunizieren - Vater Vladimir hat die Beichtgebete gesprochen und dann gesagt, dass sich jeder sofort zum Priester gehen und unter die Stola beugen kann, ohne dass der Priester vorher die Beichte hört. Das war aber nur für diejenigen, die vorbereitet waren, also keine schweren Sünden haben, eucharistisch gefastet haben und die Gebet vor der Kommunion gelesen haben. Dies war eine Empfehlung des Patriarchen Kyrill, damit alle in der Osternacht kommunizieren können.

 

Stehe auf, oh Herr, mein Gott, erhebe Deine Hand, auf dass nicht für immer vergessen werde Deiner Armen.

Ich will Dich, oh Herr, von ganzem Herzen bekennen und verkünden all' Deine Wunder.

Gott erstehet auf und seine Feinde werden sich zerstreun.

Wie der Rauch verweht, so mögen sie verwehen. Wie das Wachs, das da schmilzt vor dem Angesichte der Flamme.

Vor Gottes Angesicht mögen vergehen die Frevler, doch die Gerechten sollen fröhlich sein.

 

Alle, die ihr auf Christus getauft seid, seid in Christus eingezogen. Halleluja.

Alle Welt neige sich vor Dir und singe Deinen Namen, Höchster.

Jauchzet Gott, alle Lande, lobsinget zur Ehre Seines Namens.

Gott mache Dich auf und richte die Erde, denn Du bist der Erbe über alle Heiden.

Gott steht in der Gottesgemeinde und ist der Richter unter den Göttern.

Wie lange noch wollt ihr Unrecht richten und die Gottlosen vorziehen?

Schaffet Recht dem Armen und der Waise, und helft dem Elenden und Bedürftigen zum Recht.

Errettet dem Geringen und Armen und erlöst ihn aus der Gewalt der Gottlosen.

Darum wanken alle Grundfesten der Erde. Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten, aber Ihr werdet sterben wie die Menschen und wie ein Tyrann zugrunde gehen.

Gott, mache Dich auf und richte die Erde, denn Du bist der Erbe über alle Heiden.

Der Herr ist auferstanden wie aus dem Schlafe, und hat uns indem er auferstanden ist erlöst. Halleluja.

 

Segen mit reichlich Wasser.

 

Die zu segnenden Osterleckereien.

 

Vater Georgij bei der Arbeit.

 

In dem oben endenden Text, der im neuen Kapitel fließend eine Fortsetzung findet, wird nun unterbrochen durch meinen Rückblick, der über die ganze Fastenzeit geht. Das letzte Kapitel ist ja nun sehr lang geworden und beinhaltet bewusst die gesamte orthodoxe Fastenzeit. Was hat sich in dieser Zeit bei mir getan? Zunächst bin ich nach wie vor noch sehr glücklich und zufrieden, dass ich hier studieren darf und dass ich mich hier so wohl fühle. Es ist für mich nach wie vor wie ein toller Traum, aus dem ich nicht aufwachen möchte. Doch dies wird wohl spätestens am 30. Juni der Fall sein - der Tag, an dem ich plane zurück nach Deutschland zu fliegen. Wegen der Wohnung in Münster, die momentan leer steht und für die ich eine verminderte Miete bezahlen muss und auch meinen weiteren Plänen habe ich nach langem und schweren Überlegen entschieden, nicht mit nach Walaam zu fahren und werde dann bei der Müllabfuhr arbeiten und mich hoffentlich sehr gründlich auf die Prüfungen im Oktober vorbereiten. Im Moment habe ich noch kein Heimweh nach Hause oder Ostfriesland, freue mich aber in einer gewissen Form auch wieder auf meine Rückkehr - auch wenn dann eine Zeit anbricht, die nicht sonderlich einfach wird: Es stehen jede Menge Prüfungen an, für die ich mich sehr gut vorbereiten muss. Und andererseits werde ich sehr traurig sein, wenn ich abreisen muss. Mein Herz hängt doch sehr an der Universität, an meiner "Gastfamilie", meinen Freunden und letztlich auch an der orthodoxen Kirche, in der ich so viele schöne Liturgien und Gottesdienste miterlebt habe. Ich habe jetzt noch etwa zweieinhalb Monate vor mir, die ich möglichst genießen möchte.

Was die Sprachkenntnisse angeht, bin ich nach wie vor nicht zufrieden, komme aber mittlerweile gut zurecht. Ich schaffe es immer wieder, dass die Leute mich verstehen und ich erreiche immer das, was ich haben möchte - auch wenn es manchmal schwierig ist. Aber mit Geduld klappt es in der Regel immer. In der Universität verstehe ich auch immer mehr, wenn dies auch nach wie vor ein langer und schwieriger Prozess ist. In der Fastenzeit habe ich viele Texte übersetzt für meine Hausarbeit - das hat meine Sprachkenntnisse etwas verbessert. In Sachen Hausarbeit hoffe ich sehr, dass ich sie bis zum Eintreffen meine Freunde fertig habe. Einen Teil habe ich schon geschafft und nun hoffe ich, dass ich den Rest auch noch hinbekomme. Es wird aber noch ein Stück Arbeit werden. Vor allem muss sie dann noch übersetzt werden. Das wird auch noch einmal recht schwierig werden. Ich hoffe, dass mir das Sprachprogramm da eine Hilfe sein wird - auch wenn es einige Begriffe nicht kennen wird. Darunter werden auch Begriffe der Exegese sein, die die Russisch-orthodoxe Kirche vielleicht nicht kennt: Ich denke da nur an das Wort "Perikope" (Bibelstelle/-Abschnitt). Und dann bin ich natürlich auf das Ergebnis sehr gespannt. Mittlerweile geht hier auch das Studium zu Ende - ich hatte in der vorletzten Fastenwoche schon geschrieben, dass die erste Vorlesung mittlerweile geendet hat und die Kommilitonen sich nach Ostern in der Prüfungsphase befinden. Und so werden die anderen Vorlesungen nach und nach auch weniger werden. Ich hoffe aber, dass ich meinen Besuch aus Münster noch in die ein oder andere Vorlesung mitnehmen kann, um ihnen zu zeigen, wie ich hier studiere. Es ist ja doch etwas anderes. Mittlerweile zähle ich die Tage schon sehr, bis ich Nathalie und Mark hier begrüßen kann - noch mehr zähle ich aber die Tage, bis meine Eltern bei mir auftauchen. Ich denke, dass wir zusammen eine wunderschöne Zeit erleben und viel machen werden. Ich hoffe nur, dass in Sachen wohnen alles klappt bei Mark und Nathalie. Bislang ist noch nicht ganz geklärt, wer die beiden nun registrieren wird: Entweder die Universität oder die Gastfamilie. Beide schieben das hin und her. Die Gastfamilie aus dem Grund, weil es ihnen unbekannt ist und sie - wie ich auch - so gut wie keine Ahnung haben. Aber wie immer in Russland wird sich dies auch regeln und ich sehe der Sache sehr gelassen entgegen. Ich hoffe nur, dass das recht schnell geht, so dass wir nicht zuviel Zeit damit vertrödeln. Aber was die Planungssicherheit in Russland angeht...

Nun noch ein paar Zeilen zur Fastenzeit hier: Stellenweise war es ganz schön hart, aber ich habe es durchgehalten! Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich sie soweit gut durchgehalten habe. Das Fastenbrechen mit Vater Paul... Nun gut - man kann es durchgehen lassen. Und am Ostersonntag die drei Hackfleischbällchen, die in der Cremesuppe waren: Es gelten Fastenerleichterungen für Reisende. Auch dies ließe sich entschuldigen und außerdem war da ja das katholische Osterfest. Ich bin sehr zufrieden und werde es im nächsten Jahr in Münster auch ausprobieren, sofern es die Umstände zulassen. Die Liturgien in der Fastenzeit waren durchweg alle sehr schön und es war eine sehr intensive Zeit für mich, die meinen Glauben bestimmt noch einmal etwas gefestigt hat. Besonders der Kanon des Heiligen Andrej Kritskij und die Liturgie der vorgeweihten Gaben waren jedes Mal wunderschön. Ich habe aber in Saratov auch gemerkt, dass ich katholisch bin und es auch wohl immer bleiben werde. Dort in der Kirche habe ich mich sofort heimisch gefühlt und es im Inneren viel mit meiner Heimatgemeinde in Oldersum verglichen. So schön alles Orthodoxe auch ist und so sehr ich es auch liebe - letztlich bin ich doch Katholik. Vielleicht ein manchmal mittlerweile sehr orthodox denkender Katholik.

Ansonsten geht es mir nach wie vor gut - vor allem bestimmt wegen einem ganz lieben Menschen, den ich sehr ins Herz geschlossen habe und von der mir der Abschied noch sehr, sehr schwer fallen wird...

 

 

 

 

6 Im Westen wird er auch der Hl. Andreas von Kreta genannt.

7 Es ist erschienen im Benno-Verlag in Leipzig, 2009; ISBN-Nr. 3746226643, ab 9,90 Euro beim Benno-Verlag versandkostenfrei erhältlich und es soll den Menschen hier in Russland zugute kommen.

 

 

 

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