Berichte und Erzählungen aus Russland 2010

 

 

Samstag, 02.01.2010 - Winter im Wolgadorf

Im Winter war ich zuerst bei meiner Freundin, dann bei meiner Frau in Moskau zu Gast und nach dem Neujahrfest wurden wir von deren Eltern eingeladen, mit ins Dorf in die Nähe nach Kaljasin bzw. Vyßokoje zu fahren. Allerdings ging es dieses Mal leider nicht mit dem Zug dorthin, sondern mit dem Auto. Eigentlich sollte mit zwei Autos gefahren werden, doch ein paar von Mashas Geschwistern wollten nicht mit. So brauchte ich dann selbst nicht fahren, was letztlich auch ganz gut war. Zuvor waren wir in der Göttlichen Liturgie in der "Fakultätskirche" St. Nicolai am Feiertag des Hl. Johann Kronstadtskij (Johannes von Kronstadt) und zu diesem Feiertag war das Epitrarchil zur Verehrung da. Der Heilige Johann Kronstadtskij lebte 1829 - 1908 und war unter anderem ein Wundertäter und viele Leute haben versucht, ihn nur zu berühren. Es kamen Gläubige zu ihm, die von ihm Heiligung erwarteten und bekamen. 

Die Autofahrt fing keine zwei Minuten nach Abfahrt schon problematisch an: Eine Frau überquerte die Straße, ohne dass sie Mashas Vater beachtete, der wiederum kam mit dem Auto ins Rutschen und hätte die Frau fast umgefahren. Nach einem kurzen Stopp an einer Tankstelle ging die Fahrt "zügig" weiter und es dauerte nicht lange, da wurden wir an den Straßenrand gewunken - weil wir zu schnell unterwegs waren. Nach dem zweiten Zwischenfall mussten wir auf der Schnellstraße in der Nähe Taraßovkaja stark abbremsen und kurz danach spürten wir einen kurzen Ruck an dem Auto. Eine mit dem Handy telefonierende Frau ist uns hinten drauf gefahren und zunächst machte es den Eindruck, als hätten wir gewonnen. Bei ihr hing das Nummernschild schief, bei uns war nichts zu sehen. Nach einem kurzen Gespräch mit ihr ging es weiter. Und nach einem guten Stück weiter geschah so etwas wie das achte Weltwunder. Ein Zivilwagen überholte uns hupend, darin saß winkend ein Milizionär, der uns anhalten wollte. Nach einer kurzen Unterhaltung stieg er unseren Wagen ein und er lotste uns auf die Gegenrichtung der Autobahn bis zur nächsten Polizeistation. Zwischendurch wurden wir gewahr, was jetzt wieder los war: Die Frau behauptete, dass wir ihr hinten draufgebrummt wären. Eigenartig nur, dass ihr dann vorne das Nummernschild schief hängt... Als der Vater aus der Polizeistation heraus kam, erzählte er, dass es dort wohl arg nach Wodka gerochen haben soll. Nun ging es weiter ohne Zwischenfälle ins Dorf. Die letzten zehn Kilometer waren etwas beschwerlicher, weil die Sandpiste gefroren und mit Schnee bedeckt war. Und je näher wir dem Dorf kamen, umso schlechter wurde der Weg. Auf den letzten paar Kilometern haben wir drei Fahrzeuge gesehen, die verlassen und steckengeblieben waren. Und auch Mashas Vater ist mehrfach ausgestiegen, um den besten Weg zu finden. Im Dorf angekommen habe ich wieder einmal gestaunt, dass ein Volkswagen eine solche Fahrt aushält.

Kurz nach der Ankunft sind Masha und ich dann ans Wolgaufer gegangen, um wieder den Sonnenuntergang zu sehen. Es war ein absoluter Wintertraum: Die Wolga war ganz zugefroren, nur am Rand an einigen Stellen war es noch feucht. Auf einem der Stege stand eine neue kleine Ikonenkapelle und gerade ging die Sonne unter, so dass wir wieder den Abend genießen konnten. Fasziniert war ich von den Winterfarben - ein solches Blau hatte ich noch nie gesehen, dass sich über das Dorf nieder senkte und es quasi in das Bett aus Schnee legte.

Zurück im Haus wurde es schon langsam wärmer, bei unserer Ankunft waren es nur +5°C, weil ein Freund der Familie das Haus am Tag zuvor vorgeheizt hatte. Zum Essen waren wir bei eben dem Freund und seiner Familie eingeladen - es gab vorzügliche Pilzsuppe und Kartoffeln mit einer total leckeren Pilz-Creme-Soße. Anschließend sind wir wieder zum Haus zurückgegangen und nach einer Weile sind dann die Eltern rübergegangen und wir haben auf das Feuer geachtet. Ich habe noch ein wenig Holz nachgeholt. Später sind wir dann wieder zu den Freunden gegangen - dieses Mal schnurstracks in die Banja (eine russische Sauna). Sie hat einen Ruheraum, einen Saunaraum und einen Waschraum. Wir haben uns umgezogen und dann gleich in die Hitze begeben und fingen auch gleich an zu schwitzen. Nach ein paar Pausen wurde es dann richtig anstrengend und mir fast zuviel, weil es so heiß wurde. Zu allem Überfluss wurde dann noch kellenweise Wasser in den Ofen geschüttet, teilweise mit Pfefferminzduftöl, so dass ein fast schon beißender, aber angenehmer Geruch in der Luft lag. Kurz vor Schluss wurde die Durchblutung noch mit Weidenzweigen angetrieben und damit Luft zugefächert, die allerdings nicht kühlte sondern noch mehr Hitze brachte. Und dann hieß es wie auf Kommando: "Auf in den Schnee!" So sind dann alle Männer nach draußen gerannt und haben sich im Schnee gewälzt. Zugegeben - beim ersten Mal habe ich es mich nicht richtig getraut und mich damit nur eingerieben. Beim zweiten Durchgang habe ich mich aber genauso in den Schnee geworfen - bei -24°C. Nach zwei weiteren Gängen haben wir dann noch eine Kleinigkeit bei der Hausherrin gegessen und sind dann todmüde nach Hause gelaufen, wo dann ein schön aufgewärmtes Haus wartete. Da ich direkt am Ofen im Bett und dazu noch oben, wurde mir so warm, dass ich kaum schlafen konnte.

 

Wolgawinterabend.

 

Das Dorf an der Wolga.

 

Haus im Winter.

 

 

Sonntag, 03.01.2010 - Winter im Wolgadorf

Am nächsten Morgen bin ich dann um etwa 11 Uhr aufgestanden und wir haben uns einen ruhigen Tag gemacht. Den Wasserdienst habe ich übernommen, da es für mich eine richtige Faszination war, bei der Kälte aus dem Brunnen zu schöpfen. Am Nachmittag haben Masha und ich einen Spaziergang auf der komplett zugefrorenen Wolga gemacht - wiederum eine Faszination. Ein großer Fluss - an der Stelle ist er etwa 2 km breit. Zudem war das Eis komplett mit Schnee bedeckt, der bei den Minusgraden nicht mehr knirschte, sondern richtig quietschte. Zudem gefror bei dem Spaziergang der Atem am Schal und der Kapuze, so dass sich langsam ein weißer Kranz bildete.

Am Abend waren wir wieder in der Banja, dieses Mal mit zwei interessanten Dorfbewohnern, die ebenfalls aus Moskau stammen. Es entstanden sehr interessante Unterhaltungen, vor allem mit einem Geschäftsmann, der in Russland deutsche Elektroprodukte verkauft. Wir haben die Geschäftsmöglichkeiten in Russland analysiert. Einer der beiden hatte auch einen fürchterlich leckeren, selbstgemachten Apfelwein mitgebracht - in einem 7-Liter-Kanister. So wurde es ein sehr geselliger Abend, an dem die Stimmung immer besser und gelöster wurde. Auch wenn ich erst das Gefühl hatte, dass der Apfelwein keinen Alkohol haben könnte - spätestens auf dem Rückweg konnte ich es gut merken. Auf der Eis- und Schneeglatten Straße, die zudem noch herrlich von den ganzen Autos tief kreuz- und quer gespurt war, war der Heimweg wesentlich beschwerlicher als am Vorabend. Nach einem kleinen Absacker in Form eines Cognacs mit Mashas Vater ging es dann ins Bett.

 

 

 

Wasserholen am Brunnen.

 

Der Brunnen - Wasserlieferant auch im Winter.

 

Dorfstraße bei weniger als -20°C.

 

Auf der Wolga.

 

Blick von der Wolga zum Dorf.

 

Die zugefrorene Wolga.

 

Eisfrau.

 

Altes Haus im Wolgadorf.

 

 

Montag, 04.01.2010 - Winter im Wolgadorf

Am nächsten Morgen haben wir in aller Ruhe das Haus abgerüstet und später haben Masha und ich noch einmal bei etwa -20°C noch einen Spaziergang zur Wolga gemacht. Die Abfahrt erfolgte um etwa 13:30, doch kurz nach dem Dorf schon das erste Problem: Der Wagen hatte sich festgefahren und die Räder drehten nur noch durch. Doch das Problem wurde schnell gelöst: Ein paar Stöckchen und Äste unter die Räder, leicht Gas geben und schon war das Auto frei. Wir haben noch eine kleine Pause bei Vater Leonid im Dorf Krassnoje Selo eingelegt und uns die Kirche, die sehr dörflich wirkte, angeschaut. Und ich hatte die Gelegenheit ein typisch russisches Pfarrhaus zu schauen, wo er mit seiner Frau wohnt. Ein weiterer Halt war der Kirchenturm von Kaljasin, der nach einem Staudammbau in der Wolga von einem Kloster übrig geblieben ist. Auf der Rückfahrt wurden wir wieder von den russischen Behörden angehalten und so ging die Fahrt in "zügigem" Tempo nach Sergijev Possad, wo wir noch kurz ins Kloster geschaut haben. Am späten Abend waren wir dann hundemüde wieder in Moskau!

 

 

Der Kirchturm in Kaljasin.

 

Die Kirche in Krassnoje Selo.

 

Holzhaus in Krassnoje Selo.

 

 

Moskauer Vulkan.

 

Polster.

 

Parkplatz? Garage? Versteck?

 

Die Straßenbahn in Moskau.

 

Der Park Zarizino.

 

 

Montag, 29.03.2010 - Bombenanschläge auf die Metro in Moskau

Dieser Morgen begann eigentlich wie so viele in Moskau. Beim Frühstück bei meinen Schwiegereltern ging auf einmal das Telefon und Mashas Mutter klang dieses Mal mehr als besorgt. Sie hatte den Hörer noch nicht richtig aufgelegt, da wussten wir es schon: Es gab am Morgen mitten in der Hauptverkehrszeit zwei Anschläge auf die Metro in Moskau - betroffen waren die Stationen Lubjanka und Park Kultury mitten in der Innenstadt. Betroffen war beide Male die Rote Linie. Als nächstes wurde überlegt, wer aus der Familie betroffen sein könnte und nach kurzer Zeit und ein paar Telefonaten stellte sich heraus, dass in dieser Familie alles in Ordnung ist. Während des Tages kamen immer weitere Informationen auf, so dass letztlich von einem Terroranschlag ausgegangen wird. Zwei junge Frauen, wohl Tschetscheninnen sollen die Bomben an ihrem Körper gezündet haben - jeweils mit einer Sprengkraft von etwa 3kg TNT. Dabei kamen in der Summe 39 Menschen ums Leben, über 70 sind schwer verletzt. Zudem soll in einigen anderen Stationen Panik ausgebrochen sein, als die Menschen aufgerufen worden sind, die Stationen schnell zu verlassen. Angeblich ist dabei sogar eine Frau tot getrampelt worden.

Am Nachmittag bin ich in einem Geschäft gewesen und musste dabei den Tunnel unter dem Paveljetsker Bahnhofsplatz nehmen. Es waren sehr wenige Menschen dort zu finden und es war so, als wenn alle, die nur zu Hause bleiben können, auch zu Hause blieben. Es war nur verstärkt die Miliz auf den Straßen und Plätzen zu treffen. Gegen Abend musste ich dann zum Tanzen (Hochzeitsvorbereitung) mit der Metro fahren und die Grüne Linie war für die abendliche Hauptverkehrszeit sehr schwach besetzt - ich habe durchgehend sitzen können.  Und in der Metro standen wesentlich mehr Milizionäre als sonst. Auf dem Rückweg gegen halb acht haben Masha und ich die Rundlinie genommen, die allerdings mehr besetzt war. Aber die Menschen in der U-Bahn sind viel nervöser als sonst und bei mir selbst machte sich auch etwas ein Gefühl der Angst breit. Als wir an der Station Park Kultury vorbeikamen, konnte man eine noch wesentlich höhere Polizeipräsenz wahrnehmen.

Am nächsten Tag bin ich wieder mit der Metro gefahren, um ein paar Dinge in der Innenstadt zu besorgen. Dazu musste ich zur Station Krapotkinskaja, die an der Roten Linie liegt. Also habe ich erst einen Milizionär gefragt, ob die Station Park Kultury wieder frei ist und bin dann durch die Station gekommen, wo am gestrigen Tag noch dieses grausame Attentat stattgefunden hat. Es ist ein sehr beklemmendes Gefühl, am Tag danach eine solche Station zu betreten. Als ich unten in der Station ankam, fanden sich dort dutzende Milizionäre und viele, viele Menschen, die vor einer Art Altar inne hielten, beteten und Blumen niederlegten bzw. Kerzen anzündeten. Die Anteilnahme und Betroffenheit der Moskauer ist sehr groß und deutlich zu spüren. An einem Pfeiler wurde ein Papier mit schwarzem Rahmen angebracht - als eine improvisierte oder erste Mahntafel - dass hier viele Menschen am 29. März umgekommen sind.

Die Folgen des Anschlages werden jetzt auch noch wochenlang zu spüren sein, denn ein unsichtbarer Passagier fährt nun immer mit - die Angst. Es ist die Angst vor neuen Anschlägen, selbst davon betroffen zu sein oder das auch nur sehen zu müssen. Alle Religionen verurteilen diesen Terrorakt aufs Schwerste und halten Gedenkgottesdienste ab.

 

 

Montag, 05.07.2010 - Ausflug nach Rostov

Der Zug, der uns (meine Frau und ich) schon vor etwa einem Jahr nach Jaroslawl gebracht hat, hat uns an diesem heißen Tag schon in Rostov am Nerosee ausgespuckt. Anderen ist diese Stadt vielleicht bekannt als Rostov Jaroslavskij (weil sie im gleichnamigen Oblast, also Bundesland liegt) oder Rostov Velikij, was aber eher eine kleine Stadt ist, dafür aber eine große Geschichte hat. Es ist aber in keinem Fall von Rostov am Don die Sprache, das in unseren Breitengraden wesentlich bekannter ist. Auch diese Stadt gehört zum Goldenen Ring, der viele um Moskau liegende Städte bezeichnet. Am Bahnhof wollte uns eigentlich die Schwester meiner Frau treffen, die sich aber ein wenig verspätet hatte. Zeit für mich also, noch ein wenig auf dem Bahnhof zu fotografieren. Diese Stadt wurde 862 das erste Mal erwähnt und hatte über Jahrhunderte eine herausragende Bedeutung - vor allem auch politisch. Später gelang es immer mehr in den Schatten von Moskau. Heute ist es eher eine arme Stadt, die vom Tourismus, Kunsthandwerk, Anlagenbau und der Textilindustrie lebt. Die Löhne sind gering und dementsprechend überrascht war ich auch, dass man dort so günstig essen konnte. Wie sich bei einem kleinen Spaziergang durch die Stadt, den Kreml und an den Nerosee zeigen sollte, hat diese Stadt durchaus viel Charme und ist ein richtiges kleines und gemütliches Nest. Besonders der Kreml mit der dortigen Uspenskij-Kathedrale sind sehr imposant. Es ist die bislang schönste Stadt, die ich vom goldenen Ring gesehen habe und in jedem Fall eine Reise wert.

 

Gleich am Beginn auf dem Weg in die Stadt begrüßte uns Lenin, der offenbar auch wohl in die Jahre gekommen ist. Die "kleinen" Kratzer deuten für mich darauf hin, dass er wohl irgendwann nach der Revolution (zur Demokratie) einmal gestürzt werden sollte. Entweder war er so hartnäckig, dass es nicht klappte, oder er ist in der Mitte einfach durchgebrochen und wieder zusammengesetzt worden. Zumindest ist dies der lädierteste Lenin, den ich je gesehen habe. (Abgesehen vom Original im Mausoleum auf dem Roten Platz, der ja angeblich nur noch aus 10% echtem Lenin bestehen soll - aber in dem Verherrlichungshäuschen für Retro-Kommunisten war ich nicht).

 

Ganz anders dagegen die kleinen Holzhäuschen am Straßenrand. Sie spiegeln für mich das typische Russland wieder, dass für mich manchmal so romantisch aussieht, von dem ich aber auch weiß, dass zumeist ein hartes und mühevolles Leben hinter diesen so wunderschönen Fenstern steckt.

 

Die Fenster sind das Schmuckstück vieler Häuser und verleiht ihm jede Menge Glanz.

 

Dies ist quasi die Innenstadt von Rostov. Es sind noch viele der alten russischen Stadthäuser vorhanden, die das Stadtbild typisch prägen. Ähnliche Häuser muss es in Moskau früher ebenfalls gegeben haben. Dort ganz in der Nähe befindet sich ein kleines Café (bzw. Schnellrestaurant im russischen Sinne), in dem man sehr gut und sehr günstig essen konnte. Letztlich sind wir alle drei satt geworden (selbst ich mit meinem großen Appetit) und haben nur etwa sieben Euro gezahlt. In Moskau sind solche Preise völlig undenkbar.

 

Von der Innenstadt konnte man den Kreml mit seinen Kirchen von fast jeder Stelle aufgrund der niedrigen Häuser überall sehen. Der Versuch, das gesamte Ensemble mit der Kamera einzufangen, misslang am Anfang. Hier also - zwischen Wehrtürmen (deren Dächer übrigens kunstvoll mit Holz bedeckt sind) befindet sich die "Johannes der Theologe"-Kathedrale, die 1683 fertig gestellt wurde, schräg dahinter die Maria-Entschlafungs-Kathedrale.

 

In dem Kreml, der überwiegend sehr schön restauriert wurde, zeigt sich malerisch die Odigitrii-Kirche von 1693.

 

Der Glockenturm ist berühmt für sein Glockenspiel - und dies schon über Jahrhunderte lang. Er steht außerhalb des Kremls, aber dennoch direkt daneben. Von dem Turm hat man eine schöne Sicht über den Kreml und auch auf die Glocken - von hier kann man die ganze Schönheit beobachten.

 

Auf dem gleichen Platz befindet sich auch die Maria-Entschlafungs-Kathedrale, die aber im Inneren noch einen trostlosen Zustand bietet. Einerseits sind die Spuren der Sowjetzeit noch lange nicht an ihr vorübergegangen, andererseits steht sie etwas ungünstig, so dass es in ihr immer feucht ist, was der Bausubstanz geschadet hat. Aber man versuch langsam, sie zu renovieren. Daher ist sie auch ganz eingerüstet: Allerdings in ein Holzgerüst, dass ohne jeglichen Einsatz von Maschinen errichtet wurde. Selbst die einzelnen Latten wurden per Hand mit einem Seil nach oben gezogen.

 

Der Herr in dem gelben T-Shirt zieht gerade ein Brett nach oben: Wenn man dem Seil folgt und alles zudem mit der Größe des Arbeiters vergleicht, kann man die Höhe des Gerüstes gut erahnen. Das Brett schwebt übrigens ein leicht wenig links vom Dach des Eingangsportales der Kirche.

 

Und hier der sagenhafte Blick vom Glockenturm: Zwischen den Wachtürmen befindet sich die Auferstehungskirche, rechts daneben im Hintergrund die "Johannes der Theologe-Kathedrale" und wiederum rechts daneben direkt an der Kremlmauer die Odigitrii-Kirche. Etwas rechts der Kirche befindet sich der Nerosee.

 

Es folgte ein Rundgang über die Kremlmauer, von der man ebenfalls wunderschöne Blicke in den Kreml und teilweise auch auf den See genießen kann. Die Dächer sind hier alle aus Holz. Faszinierend an einigen Stellen auch die vielen kleinen Türmchen, die den Kreml so verträumt erscheinen lassen.

 

Hier wieder ein Blick auf die Johannes der Theologe-Kathedrale und die Odigitrii-Kirche. Der Eingang unter der Kathedrale führt zum schönen Palais (1670-1680).

 

Nicht weit vom Kreml befindet sich der Nerosee - ein recht großer Binnensee. Im Hintergrund befindet sich das "Erlöser-Jakob-Kloster".

 

Direkt am Nerosee stehen diese Wohnhäuser: So stelle ich mir Russland zur Zarenzeit vor: Holzhäuschen und im Hintergrund der mächtige und farbenprächtige Kreml mit seinen Kirchen und goldenen Kirchtürmen. Der einzige goldene Kirchturm gehört übrigens zur Kirche "Erlöser, der nicht von Menschenhand erschaffen wurde".

 

Und hier noch einmal ein Blick in den Kreml - von hier aus kann man fast das ganze Ensemble sehen.

 

Faszinierend ist sind einerseits die Türme mit ihren Kuppeln, aber auch die aus Holz eingerüstete Kirche. Wie lange die Gerüstbauer (mehr als zwei habe ich nicht gesehen) daran wohl schon arbeiten? Da wird Gerüstbau zur Kunst...

 

Letztlich habe ich nach langer Abstinenz von Reisen zu Städten des Goldenen Rings diese für am Schönsten empfunden, wie war ebenso nicht überlaufen, sondern schien ihr ruhiges Leben zu bewahren. Von Moskau lässt sich dies gut in einer Tagesreise erledigen, wenn man mit Expresszug fährt.

 

 

Montag, 27.12.2010 - Die Auswirkungen des Eisregens in Moskau

An diesem besagten Montag war es geplant, nach den Weihnachtsfeiertagen bei meinen Eltern zu meinen Schwiegereltern herüberzufliegen. Die Tage und Wochen zuvor waren schon geprägt von den stark winterlichen Witterungseinflüssen, die Deutschland seit Ende November beeinträchtigten. Schnee ist in rauen Mengen gefallen und wenn es die Temperaturen zuließen, war auch ab und an Eisregen dabei. Dementsprechend sind vor Weihnachten Flüge über Flüge ausgefallen, Züge über Züge fuhren nicht und Autos über Autos haben sich die ein oder andere Beule geholt bzw. mussten ihr irdisches Dasein völlig lädiert beenden. So waren wir an diesem Tag frohen Mutes, dass alles klappen würde, haben aber vorsorglich noch einen kleinen Puffer eingebaut, so dass wir auch wirklich pünktlich in Düsseldorf ankommen. Diesen hätten wir letztendlich nicht benötigt. Kaum im Flughafen angekommen, das Gepäck eingeschweißt und uns in die lange Schlange zum Check-in eingereiht, klingelte das Handy. Robert, einer meiner Freunde der in diesem Jahr mit uns Weihnachten verbringen sollte, rief an um uns mitzuteilen, dass sein Flug nicht gehen würde, da alle Flughäfen in Moskau geschlossen seien, während in Düsseldorf fröhlich die Gepäckannahme startete. Der Grund der geschlossenen Flughäfen war ein kräftiger Eisregen der zwei Tage davor, der die Flughäfen völlig eingeeist hatte. Dies betraf am Vortag auch unseren Flughafen Domodedovo. Robert wollte mit Aeroflot fliegen und sollte in Sheremetevo landen. Auch nach mehreren Telefonaten wurde ihm von Aeroflot nur gesagt, dass sein Flug verschoben wurde, weil die Flughäfen geschlossen sind. Eine andere Fluggesellschaft ist dann aber von Berlin nach Moskau geflogen. Er hatte jedenfalls ein Hotel bekommen, mit dem er bestens zufrieden war.

Wir standen dann jedenfalls pünktlich auf der Startbahn und kurz vor halb elf hob der Flieger dann ab. Mit an Bord eine energische und gut gelaunte Chefstewardesse, die die ganzen Sicherheitsbestimmungen und das andere Prozedere lustig erklärte. Während des Fluges sprach der Pilot noch davon, dass wir überpünktlich in Moskau landen würden. Dem war dann auch tatsächlich so und anschließend rollten wir noch ein paar Meter und dann ging nichts mehr. Der Pilot erklärte uns, dass vor uns noch eine Menge Flugzeuge warten würden, um eine "parking position" - zu deutschen einen Parkplatz - zu erhalten und dass er nicht wisse, wie lange dies dauern könne. Nach einer guten Stunde meldete er sich wieder, dass bislang nichts passiert sei und dass er keine Informationen habe. Nach ein wenig Quengelei von einigen Fluggästen fingen das Bordpersonal an, Getränke zu verteilen und nach einer weiteren Stunde wurde ein neues Video eingelegt. Hin und wieder ging es mal ein paar Meter weiter nach vorne, was aber nicht bemerkenswert war. Zwischendurch erklärte die Chefstewardess,  dass ihr das in ihrer elf-jährigen Berufslaufbahn bislang auch noch nicht passiert sei. Dazwischen dann wieder der Pilot mit der Durchsage, dass er an diesem Tage auch nicht mehr zurück nach Deutschland fliegen könne (was eigentlich geplant war), weil seine gesetzliche "Lenkzeit" überschritten war. Das Personal bedankte sich mittlerweile schon bei den Fluggästen, dass alle ruhig blieben. Gegen 20:10 passierte dann etwas Besonderes: Das Flugzeug wurde von einem Fahrzeug abgeholt und zu einem Parkplatz gebracht - nachdem das Auto über 20 Minuten unterm Flugzeugfenster gestanden und versucht hatte, Kontakt zu einer Koordinationsstelle zu bekommen. Der Pilot gab dann bekannt, dass man ihm zugesichert hätte, dass eine Treppe zum Aussteigen innerhalb von fünf Minuten kommen würde. Das war auch tatsächlich der Fall. Nur wartete diese zehn Meter vor dem Flugzeug, so dass keiner Aussteigen konnte. Zwischendurch trafen wieder Fahrzeuge mit wichtigen Menschen ein, die irgend etwas besprachen. Wiederum nach kurzer Zeit tauchte ein Bus auf. So ging das noch etwa zwanzig Minuten, bis das Treppenfahrzeug dann endlich an den Flieger fuhr und die ersten 100 Personen aussteigen konnten - mehr passten in den Bus nicht herein. Der Rest musste noch warten. Die Passkontrolle haben wir auch schnell passiert und nun warteten wir auf das Gepäck. Irgendwann haben wir uns hingesetzt - direkt vor den Monitor, auf dem das Gepäckband angegeben werden sollte. Doch nichts passierte. Nach einer gewissen Zeit löste sich nur die Schlange vor dem Informationspunkt auf, da sich mittlerweile herumgesprochen hatte, dass die auch keine Informationen haben. Nach zwei weiteren Stunden - es war etwa 22:20 Uhr wurde angezeigt, auf welchem Band das Gepäck kommen sollte. Mal ging das Gepäckband an und es tauchen ein paar Koffer auf, dann wieder aus und es passierte nichts. Um 22:50 Uhr hatten wir unser gesamtes Gepäck und ich bin mit zwei Koffern durch den gesamten Flughafen gerannt, um noch Tickets für den Flughafenexpress nach Moskau zu bekommen. Auf dem Weg dorthin habe ich eine Horde von Polizisten gesprengt, die ich zu spät gesehen hatte. Einem bin ich mit Sicherheit mit dem Koffer über den Fuß gefahren. Am Verkaufsschalter angekommen saß da in dem dunklen Raum nur eine tief vermummelte Person, die auf das selbst gemalte Schild hinter der Glasscheibe aufpasste: "Fahrkarten im Zug." Das waren also wohl die Folgen des Stromausfalls: Teile des Flughafens ohne Energie (und wie sich später herausstellte auch Tage später noch einige Städte im Umkreis von Moskau) und ein mit der Situation völlig überfordertes Management, das in keiner Art und Weise mehr Herr der Lage war. Ich habe mich nur gewundert, dass die uns überhaupt noch haben losfliegen lassen, da die ja eigentlich absehen mussten, dass die ihren Flughafen mit Flugzeugen völlig überbevölkern. Deshalb haben die letzten paar hundert Meter auf dem Rollfeld des Flughafens um eine halbe Stunde länger gedauert als der gesamte Flug von Düsseldorf nach Moskau - der betrug nur drei Stunden.

Als wir im Zug saßen, konnte man nach ein paar Metern Fahrt schon erkennen, welche Spuren der Eisregen hinterlassen hatte. Viele "ausgewachsene" Birken bogen sich durch die Eislast mit ihrer Baumkrone bis auf die Erde oder kurz davor. Andere Baumkronen waren abgeknickt. Alles in allem ergab das ein schaurig-schönes Winterbild: Einerseits glänzten die Bäume so, als ob sie aus Glas wären - andererseits ließ der gefrorene Regen die Bäume wie Streichhölzer umknicken und zwang sie zu Boden.

Robert kam wegen des Eisregens erst am kommenden Tag um kurz vor Mitternacht an - die Anzeigetafeln wussten gar nichts von dem Flieger. Erst kurz bevor er herauskam, wurde der Flieger angezeigt.

 

Die Folgen des Eisregens - ein Zentimeterdicker Eisbelag auf den Ästen und Zweigen.

 

Spatzen auf Kristallbäumen

 

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